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Aus blassem Kunststoff wird glänzender Stern


„Es ist nicht alles Gold, was glänzt“ - wusste schon Friedrich Hebbel. Und nicht alles was nach silbrig blinkendem Metall aussieht, ist auch Metall. Die vier Audi-Ringe, das VW- oder BMW-Emblem oder der Mercedes-Stern im Kühlergrill oder am Kofferraumdeckel zum Beispiel. Sie sind aus blassgelbem Kunststoff und werden in einem technisch aufwendigen Galvanisierungsverfahren verchromt.

Einer der größten Kunststoff-Galvanik Betriebe Europas ist in der Region Nürnberg ansässig: die Bolta Werke GmbH in Diepersdorf (Landkreis Nürnberger Land). „Keiner in Europa ist besser als wir in diesem Bereich und wir haben hier die größte Galvanisierungsanlage Europas“, so Geschäftsführer Jürgen Schreyer. Zu den Kunden zählen alle namhaften Autohersteller.
Zusammen mit Peugeot arbeiten die Bolta Werke beispielsweise an verchromten Stoßfängern aus Polypropylen. Dieses Material konnte bislang in einer herkömmlichen Anlage nicht galvanisiert werden. Seit rund eineinhalb Jahren arbeiten die Ingenieure und Werkstoff-Fachleute nun daran und bis spätestens Ende des Jahres werden die verchromten Stoßfänger für Peugeot in Serie gehen.

Überhaupt ist mehr Chrom am Auto sehr im Kommen. Wie so oft sind auch hier die USA Vorreiter. „Dort verlangen die Kunden schon seit einiger Zeit mehr Chrom. Was blinkt und glänzt ist einfach verkaufsfördernd und bis 2005/2006 werden wohl auch bei uns alle Autos mehr Chromteile haben als das Vorgängermodell,“ erklärt Schreyer.

Der abknickbare Mercedes-Stern auf der Kühlerhaube sei zwar massiv, aber die meisten blinkenden und glänzenden Teile an der Autokarosserie seien „nur“ verchromt. Allerdings verberge sich dahinter ein chemisch und technisch sehr anspruchsvoller Vorgang der Galvanisierung. Viel Know-how bei den Mitarbeitern, High-tech in der Produktion und absolut einwandfreie Spritzgussteile seien Voraussetzungen für ein optimales Ergebnis. Rund vier Stunden dauert es - ob es sich um eine wenige Zentimeter lange Einstiegsleiste oder um einen großen Kühlergrill handelt –, bis aus einem blassgelben Kunststoffteil ein glänzendes oder mattschimmerndes Chrom-Stück geworden ist.

Die Bolta Werke GmbH in Diepersdorf hat rund 300 Mitarbeiter. Etwa 65 Prozent des Umsatzes, der sich 2001 auf rund 35 Mio. Euro belief, macht das Automobil-Geschäft aus. Für das laufende Jahr rechnet Geschäftsführer Schreyer mit rund 40 Mio. Euro Umsatz. Einnahmen- und Gewinneinbußen hatte das Unternehmen im letzten Jahr durch den überraschenden Wegfall des kompletten Handy-Geschäfts. Bolta stellte nämlich Abschirmplatten für Mobil-Telefone her und wurde durch die Marktsättigung in diesem Bereich sehr getroffen, 25 Prozent des Umsatzes fielen einfach weg, für einige Zeit musste sogar kurzgearbeitet werden. „Wir haben uns aber ganz bewusst für Kurzarbeit und gegen Entlassungen entschieden, da es für uns ohnehin schwer ist, Facharbeiter mit den bei uns notwendigen speziellen Galvanisierungskenntnissen zu finden. Außerdem gehen wir davon aus, dass wir die Verluste aus dem Handy-Geschäft mit neuen Aufträgen aus dem Automobilsektor und dem Sanitärbereich, unserem zweiten Standbein auffangen können“, erklärt Schreyer.

Im Sanitärbereich, der rund ein Viertel des Umsatzes ausmacht, arbeitet Bolta an einer Neuheit. Zusammen mit dem bekannten Sanitärhersteller Friedrich Grohe wurden Einhandmischgriffe entwickelt, die aus Zwei-Komponenten-Spritzgussmaterial bestehen. Die Griffe werden verchromt und weisen dann die selbe Festigkeit auf wie die herkömmlichen aus Zinkdruckguss. Vorteile dieser Griffe, die im Mai in Serie gehen werden, sind der günstigere Preis und bessere Konstruktionsmöglichkeiten.

Angesichts der eingesetzten chemischen Substanzen– täglich werden in Diepersdorf rund 3 500 Quadratmeter verchromt - sind die Umweltschutzauflagen hoch. Allein die Kosten für Filterung und Entsorgung belaufen sich auf ca. 300 000 Euro pro Jahr. Der Anreiz, den Ausschuss bei den verchromten Teilen sehr gering zu halten, ist sehr hoch, da Chrom-Teile mit Fehlern kostenintensiv als Sondermüll entsorgt werden müssen.

Außer der Bolta Werke GmbH in Diepersdorf gibt es in Bayern noch die Bolta Industrie GmbH in Schönberg (Landkreis Grafenau). Dort werden mit ca. 200 Mitarbeitern PVC-Profile für den Bausektor und die Industrie hergestellt. Der Jahresumsatz beträgt 25 Mio. Euro. Beide Unternehmen sind Tochtergesellschaften der englischen Purico Gruppe.
Für das Werk in Diepersdorf liegen bereits Erweiterungspläne für die Spritzerei und den Galvanik-Bereich mit einem Investitionsvolumen von ein bis zwei Mio. Euro und einer Aufstockung des Personals um ca. zehn Prozent in der Schublade. Schreyer: „Doch durch die Einbußen bei den Mobiltelefonen werden wir diese Pläne aber wohl erst in ein bis zwei Jahren realisieren.“ cp.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 06|2002, Seite 40

 
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