Die Variantenvielfalt ist sicherlich mit ausschlaggebend für die dramatische Verschiebung des
Nachfrageverhaltens. Immerhin stieg die Anzahl der auf dem deutschen Markt angebotenen Varianten um 80 Prozent,
von ca. 200 im Jahr 1981 auf 360 im Jahr 2001. Aber das erweiterte Angebot kann nur teilweise erklären, was sich
verändert hat. Auch die Einstellung der Verbraucher zum Pkw hat sich deutlich gewandelt.
War der Pkw früher hauptsächlich ein Fortbewegungsmittel und der Besitz eines solchen bereits ein Statussymbol
(die Dichte lag bei unter 340 Pkw auf 1 000 Einwohner), so gilt heute, bei einer Dichte von 540, der Besitz eines
Pkws als normal. Es wurde im Verlauf der letzten 20 Jahre somit notwendig, mit anderen Mitteln als mit dem bloßen
Kauf eines Pkw zu zeigen, dass man sich von seinem Nachbarn abheben will und kann. Der Marktforscher nennt dies
Individualisierung und die Pkw-Industrie reagierte darauf.
In der ersten Hälfte der 80er Jahre wurde das Hatchback eindeutig stärkste Aufbauart und verbannte den Sedan auf
den zweiten Platz. Hervorgerufen wurde dies durch den großen Erfolg des VW Golf. Der Hatchback wurde als
„richtiges Auto“ anerkannt. Andere Aufbauarten wie Coupés, Cabrios oder Roadster waren zwar bekannt,
galten aber als klassische Nische und hatten relativ wenig Marktbedeutung.
Aufstieg der Schrägheckfahrzeuge
Während es bis Mitte der 90er Jahre mit den Sedans weiter bergab ging, konnten die Hatchbacks einen Marktanteil
von ca. 45 Prozent behaupten. Die weitergehenden Verluste der Sedans wurden anfangs hauptsächlich durch die
ersten erfolgreichen Kombis und die neu auf den Markt kommenden Off-Roader hervorgerufen. Letztgenannte Aufbauart
bestand Anfang der 80er Jahre vornehmlich aus der Mercedes-Benz G-Klasse, dem Nissan Patrol und einem Lada 2121,
der zeitweise der erfolgreichste Off-Roder in Deutschland war. Neue Modelle kreierten einen neuen Typus von
Geländewagen. Diese Fahrzeuge waren auch für die Käufer geeignet, die nicht zwingend im Gelände fahren müssen,
sich aber mit dem Image von Freiheit und Unkonventionalität umgeben wollen. Obwohl in dieser Aufbauart große
Wachstumsraten verzeichnet wurden, galt bis 1998 die 2,5 Prozent-Grenze als kaum überwindbar.
Anderes spielte sich bei den Kombis ab: Wurde bis 1988 kaum die Neun-Prozent-Hürde überschritten, so gelang den
Passat- und Kadett-Modellen 1989 eine Initialzündung für diese Aufbauart. Dies führte zu einem ununterbrochenen
Zuwachs bei den Marktanteilen und 1997 konnten die Kombis erstmals mehr als 20 Prozent erzielen. Was war
geschehen? Galten die Kombis lange Zeit als nützliche Transportmittel für den kleinen Handwerksbetrieb, bei denen
eine möglichst große Zuladung im Vordergrund stand, so wurde mit neuen Modellen eine Imageerweiterung erzielt.
Ohne den ursprünglichen Käuferkreis verloren zu haben, wandelte sich diese Art von Fahrzeugen zu
Lifestyle-Objekten. Ein Käufer dieser Aufbauart will heutzutage Flexibilität, Sportlichkeit und eine gewisse Art
von Freiheit ausdrücken. Dass diese Aufbauart auch für den Manager als Geschäftswagen gesellschaftsfähig geworden
ist, unterstreicht den vollzogenen Imagewandel.
Monocabs im Kommen
Eine neue Variante macht inzwischen von sich reden und wird weiterhin für eine Strukturveränderung im Markt
sorgen: Die Monocabs oder Vans. Dieses Segment fristete bis zur Einführung von VW Sharan und Ford Galaxy in 1995
ein wirkliches Nischendasein. Erst diese Modelle machten dieses Segment populär. Aber es bedurfte einer relativ
langen Anlaufzeit, die Käufer von diesem Konzept zu überzeugen.
Eine Aufbauart war in den letzten Jahren häufig im Fokus des Interesses: die Off-Roader, die seit einigen Jahren
auch von Mercedes-Benz und BMW angeboten werden und damit als Fahrzeugkonzept endgültig gesellschaftsfähig
wurden. Ab sofort konnte man mit einem Off-Roader auch vor der Oper vorfahren.
Was bringen die nächsten Jahre?
Sicherlich wird es keine Renaissance der klassischen Aufbauarten Sedan und Hatchback geben. Sie werden zwar
weiterhin eine gewisse Stammkundschaft haben, aber die Marktdynamik wird sich in anderen Segmenten abspielen. Da
sind zuerst die Kleinst- und Kleinwagen zwischen Smart und Polo. Hier gibt es in den nächsten Jahren eine ganze
Reihe von Modellerneuerungen, die dieses Segment nachhaltig stärken werden und in Summe sicherlich fast 30
Prozent des Marktes ausmachen können. Dabei spielen zwei Gründe eine besondere Rolle: Erstens werden diese
Fahrzeuge, was Qualität und Sicherheit angeht, immer besser und brauchen sich diesbezüglich nicht mehr hinter
denen der Golf-Klasse zu verstecken. Zweitens geht auch in Deutschland der Trend weiter zu Zweitmotorisierung.
Diese Nachfrage wurde in der Vergangenheit entweder durch Fahrzeuge des nächst höheren Segments abgedeckt oder
man verzichtete auf Grund mangelnden Angebots ganz darauf.
Bei den großen Vans wie Sharan und Galaxy dürften die Wachstumsraten vorbei sein. Allerdings wird die
Entwicklung, nämlich auf Basis von Kompaktwagen mittlere Vans auf den Markt zu bringen, in den nächsten Jahren
forciert werden. Fast alle Anbieter von Kompaktwagen werden dieser Entwicklung folgen und das Segment besetzen.
Ähnliches wird ein Segment tiefer geschehen. Insgesamt könnten alle diese Fahrzeuge einen Marktanteil von über
zwölf Prozent erreichen und somit an die Bedeutung der klassischen Sedans heranreichen.
Ein neues Fahrzeugkonzept steht zudem in den Startlöchern: Die Crossover. Die Vergangenheitsbetrachtung zeigt
deutlich, dass bereits seit Mitte der 80er Jahre „Allrad“ nicht unbedingt Off-Road bedeuten muss.
Schon damals gab es viele Limousinen mit diesem Antrieb und auch am aktuellen Rand zeigt sich wieder die
zunehmende Bedeutung dieser Antriebsart außerhalb der Geländewagen. Allerdings haben diese Fahrzeuge ein Manko.
Sie sind nicht als eigenständige Konzepte erkennbar, sondern haben „nur“ einen zusätzlichen
Allradantrieb. Folgt man den dargelegten Individualisierungstendenzen und dem Trend zu großvolumigen Fahrzeugen,
so ergibt sich konsequenterweise eine neue Nische. Dies sind eigenständige Fahrzeugkonzepte mit Allradantrieb und
einem geräumigen, variablen Innenraum. Viele Hersteller arbeiten bereits an solchen Konzepten, eine Vielzahl
dieser Fahrzeuge dürfte in der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts auf dem Markt erscheinen.
Dies sind nur drei aktuelle Trends in der Automobilindustrie. Weitere neue Konzepte liegen in den Schubladen der
Hersteller. Bei einigen, wie zum Beispiel bei den viertürigen Coupés ohne durchgezogene B-Säule, gilt es noch
technische Probleme zu lösen. Andere, gerade im Bereich der so genannten Fun-cars, werden weiterhin für
Aufmerksamkeit sorgen. Bei all den Überlegungen darf nicht vernachlässigt werden, dass ab 2006/2007 eine neue
Verordnung in Kraft treten soll, die dem verstärkten Fußgängerschutz dient. Nach dem jetzigen Diskussionsstand
ergäben sich damit speziell für Fahrzeuge mit einer keilförmigen Frontpartie große Probleme.
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