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Inselkammer verkauft an Brau und Brunnen

Die Meldung kam für die Öffentlichkeit unerwartet, war aber für Branchenkenner nicht überraschend: Am 8. Juli wurden die Verkaufsverträge zwischen der Familie Inselkammer als bisherigem Alleininhaber der Tucher Bräu und dem neuen Besitzer, der Dortmunder Brau & Brunnen AG unterzeichnet. Vorbehaltlich der Zustimmung des Bundeskartellamtes wird die Übernahme rückwirkend zum 1. Januar 2003 vollzogen.

Damit endet die Ära von Tucher als Privatbrauerei, die 1994 durch den Münchener Brauereiunternehmer Dr. Hans Inselkammer eingeleitet worden war. Nachdem Anfang der 70er Jahre unter Beteiligung des Versandhauses Quelle mit der Patrizier-Bräu AG ein nordbayerischer „Biergigant“ mit acht Marken (darunter Tucher und Lederer) geschmiedet wurde, erwarb Inselkammer 1994 eine 97-prozentige Beteiligung der Schickedanz-Gruppe an Patrizier und gliederte 1996 Tucher und die Augsburger Hasen Bräu aus. Patrizier wurde als Marke aufgegeben.

Auf einer Pressekonferenz anlässlich des Verkaufs an Brau & Brunnen betonte Dr. Jannik Inselkammer, bisheriger Geschäftsführer der Tucher Bräu, dass Tucher auch unter neuer Führung stets in seiner nordbayerischen Heimat verankert bleiben werde. Man sei allerdings auch bisher mit nationalen Schwerpunkten beim Weizenbier am Markt aufgestellt und diese Entwicklung werde unter dem Dach des neuen Eigentümers verstärkt werden. Die stärksten Sorten der klassischen Sortimentsbrauerei Tucher sind nach Firmenangaben mit 15 Prozent Pils und Weizenbier. Neben der Sortimentsbreite, deren Spezialitäten wie etwa Christkindlesmarkt-Bier regional bleiben sollen, wolle man die Gebindeinnovationen vorantreiben. Dies sind nach Brauereiangaben neue 0,33-Liter-Individualflaschen „Tucher Crown“ und Pils in der Ein-Liter-Pet-Mehrwegflasche.

Schlüsselprodukte „Jever“ und „Tucher Weizen“
„Mit diesem Schritt haben wir endlich die schon immer fehlende renommierte Weizenbiermarke in unser Portfolio aufnehmen können“, so Brau & Brunnen-Chef Michael Hollmann auf der Pressekonferenz zum Erwerb von Tucher. Mit den Tucher-Standorten verfüge man über Standorte in Süddeutschland und sei damit derzeit der „einzige, wirklich national distribuierte deutsche Getränkekonzern“. Da Tucher ein eng geknüpftes Vertriebsnetz in Süddeutschland unterhält und auch selbst als Fachgroßhändler auftritt, kann sich der neue Eigentümer auf diese Vertriebskraft stützen. Unter anderem soll die nationale Pilsmarke „Jever“ von dieser regionalen Ausweitung profitieren. Gerade sie soll nach dem Willen der Dortmunder in der Gastronomie weitergebracht werden. Umgekehrt können für die Tucher-Produkte in erster Linie das Weizenbier, die weit verzweigten Vertriebskanäle von Brau & Brunnen genutzt werden.

Arbeitsplätze sollen erhalten werden
„Tucher wird gestärkt“, so Hollmann, der betonte, dass die bisherige Unternehmenspolitik weitergeführt werden solle. Die Regionalität passe gut in die Konzernstruktur und die hohe Reputation solle gefestigt werden. Hollman versicherte, dass alle Marken erhalten blieben und das Personal von derzeit 550 Mitarbeitern übernommen werde. Tucher hat nach eigenen Angaben bisher einen Ausstoß von 1,7 Mio. Hektolitern an Getränken (größter deutscher Libella- und Pepsi-Konzessionär), davon sind etwa 1,1 Mio. Hektoliter Bier. Der Umsatz wurde zuletzt mit 110 Mio. Euro beziffert.

Die Tucher Bräu wird unter dem Dach des neuen Eigentümers in Zukunft vom bisherigen Technischen Leiter Dr. Martin Leibhard und dem bisherigen Vertriebschef Fred Höfler als Geschäftsführer geleitet. Brau & Brunnen-Vorstandschef Hollmann kündigte an, die Marke Jever zu großen Teilen in Nürnberg und Fürth abfüllen zu lassen. „Wir haben nicht gekauft, um etwas kaputt zu machen, sondern um etwas stärker zu machen!“ Auch werde Jever im von Tucher entwickelten und patentierten „Coolkeg“ bald auf den Markt kommen. Die für den Coolkeg-Vertrieb gegründete Firma Cool Systems verbleibt im Besitz der Familie Inselkammer. Ebenso das Brauerei-Grundstück in der Schwabacher Straße in Fürth
(ehemals Humbser-Patrizier Bräu) mit dem markanten Jugendstil-Sudhaus und die Immobilien im Gastronomie-Bereich.

Inselkammer erklärte, er sehe das Geschäftsmodell der inhabergeführten Privatbrauerei nicht als „Auslaufmodell“, es gebe aber in dieser Marktsituation ein besseres Geschäftsmodell: unter dem Dach einer Großgesellschaft einen Gegenpol zum nationalen Biermarkt zu bilden. In regionalem Rahmen wäre dies vielleicht möglich gewesen, national nicht. Er selbst, so Inselkammer werde sein „operatives Engagement“ zurückfahren, bleibe aber in Nürnberg.

Presseberichten zufolge geht die Brau & Brunnen AG als viertgrößter deutscher Getränkekonzern auf „Einkaufstour“, um ihre Attraktivität für Investoren zu steigern, denn sie gelte selbst als Übernahmekandidat: Die Hypo Vereinsbank, derzeit im Besitz von 55 Prozent-Anteilen an dem Dortmunder Konzern, erwäge einen Verkauf z. B. an den Lebensmittelkonzern Oetker. Nach vier verlustreichen Jahren konnte Brau & Brunnen 2002 erstmals nach Steuern wieder einen Gewinn verbuchen. Bei einem Umsatz von 578 Mio. Euro wurde ein Überschuss von 82 Mio. erzielt. Der Bierabsatz betrug 2002 rund sieben Mio. Hektoliter, plus 2,3 Mio. Hektoliter an alkoholfreien Getränken. Der Konzern hat rund 2 400 Mitarbeiter.

Tucher investiert in Abfüllanlage und Bier-Pipeline
Ende Juli weihte Tucherbräu am Standort Nürnberg-Fürth die neue Flaschenabfüllanlage mit einer Kapazität von 50 000 Flaschen pro Stunde ein. Darauf stießen (v.l.) Tucher-Chef Jannik Inselkammer und Brau und Brunnen-Vorstandsvorsitzender Michael Hollmann mit Bayerns stellvertretendem Ministerpräsidenten Dr. Günther Beckstein an. Für den Bau der neuen Abfüllanlage inklusive der 3,5 Kilometer langen Pipeline, die das frisch gebraute Tucher-Bier unterirdisch von der Produktionsstätte in der Schwabacher Straße in Fürth zu dem Abfüllzentrum an der Stadtgrenze transportiert, wurden 15 Mio. Euro investiert.

De.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 08|2003, Seite 27

 
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