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Teil V: "Weidenmühle" und Landschaftsaquarelle

Geradezu unglaublich modern mutet doch so manches Landschaftsaquarell des Malergenies an, so verblüffend modern, dass man kaum glauben will, dass es schon vor etwa 500 Jahren gemalt wurde. Der erhaltene Bestand dieser Bildergruppe führt uns einmal mehr Dürers technische Versiertheit, besonders auch eine stilistische Bandbreite von abstrakt, malerisch bzw. unvollendet bis akribisch detailliert, als auch unterschiedliche Entwicklungsstufen von der strengeren Nachahmung nach der Natur bis zur autonomen Neuschöpfung vor Augen. Jedes Bild bleibt ein Eindruck für sich und war doch gleichzeitig immer auch potenzielles Versatzstück für die aufwändig gearbeiteten Hintergründe in Kupferstichen, Holzschnitten oder Gemälden, wie z.B. das „Weiherhaus“, in der „Madonna mit der Meerkatze“, die wiederum sogar Giorgione beeinflusst haben soll.

Allgemein fest steht: Ein großer Teil der noch erhaltenen Werke entstand um, während und kurz nach Dürers erster Italienreise 1494/95, die ihm wichtige künstlerische Impulse bot. Davor, vermutlich um 1494 hielt er Eindrücke aus seiner alltäglichen Umgebung wie Nürnbergs „Drahtziehmühle“ und „Johanniskirchhof“ fest. Auch wenn diese früheren Arbeiten künstlerisch noch nicht ganz ausgereift erscheinen, gehören sie laut Fedja Anzelewsky nach den Bamberger Veduten von Wolfgang Katzenheimer d.Ä., „zu den frühesten selbstständigen Landschaftsdarstellungen“.

Doch Dürer absolviert wie kein anderer erstmals den bedeutenden Schritt zum „Pleinair“, zur Freilichtmalerei, zur Stimmungsmalerei. Zahlreiche Werke entstehen auf der Reise: Ansichten von Innsbruck, dem Welschen Gebirge, Trient oder der Burg und Stadt Arco. Diese Erlebnisse in der Natur und die Begegnung mit der italienischen, der venezianischen Malerei wie eines Giovanni Bellini förderten auch Dürers Bewusstsein für die Schönheit, sinnliche Wirkung und den Eigenwert der Farbe. Der „Weiher im Wald“ um 1496 und die „Weidenmühle“ um 1498 zählen heute zu den ersten Höhepunkten der europäischen Landschaftsmalerei.

Die „Weidenmühle“ bzw. die Groß- und Kleinweidenmühle in Nürnberg / St. Johannis hat der Künstler direkt vom Ufer der Pegnitz in Richtung Westen gemalt, um Stimmung, Licht, Landschaft und Atmosphäre optimal einzufangen. Es sind diese atemberaubend neuartigen, vor der Natur entstandenen Aquarelle, die auch Dürers grandioses Gespür für Farbe und Atmosphäre deutlich hervortreten lassen. Ein Stück Nürnberger Landschaft als bedeutendes Kapitel der Kunstgeschichte.

Autor/in: 
Eva Schickler
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 11|2003, Seite 39

 
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