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Weg von der reinen Wissensabfrage

Fachwissen allein genügt nicht mehr in der Wissensgesellschaft. Soziale Fähigkeiten und der effiziente Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechnologien sind ebenso wichtig wie das Wissen um Arbeitsmethoden.

Die berufliche Erstausbildung soll eine breit angelegte Grundbildung und die notwendigen fachlichen Fertigkeiten und Kenntnisse vermitteln. Wer eine berufliche Ausbildung erfolgreich abschließen will, der muss in der
Abschlussprüfung beweisen, dass er selbstständig planen, durchführen und kontrollieren kann. Entsprechende Formulierungen wurden beispielsweise Anfang der 90er Jahre in den Rechtsgrundlagen für die Ausbildung in den branchenunabhängigen Büroberufen verwendet. In den Folgejahren gingen solche Anforderungen bei neuen und neu geordneten Ausbildungsberufen in die Rechtsgrundlagen ein.

In der beruflichen Fortbildung (IHK-Prüfungen für Fachwirte, Fachkaufleute, Meister und Betriebswirte) sollen berufliche Kenntnisse und Fertigkeiten erhalten, erweitert sowie an aktuelle Entwicklungen anpasst werden und beruflichen Aufstieg ermöglichen. Es ist erklärtes Ziel der Weiterbildung, ergänzend zum erforderlichen Fachwissen auch die benötigte Methoden- und Sozialkompetenz weiter zu entwickeln.

Die einzelnen Rahmenpläne des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) geben Auskunft darüber welche Lerninhalte über das fachliche Wissen hinaus vermittelt werden sollen. Die wichtigsten sind:
? Kommunikation und Kommunikationstechniken
? Führungs- und Managementtechniken
? Persönliche Arbeitstechniken
? Wissensmanagement
? Lern- und Arbeitsmethodik
? Präsentations- und Moderationstechniken
? Beratungs- und Fachgespräche

Schriftliche Prüfungen
Die schriftlichen Prüfungen des Industriemeisters (Metall) geben ein Beispiel für diese Lerninhalte: Ein Prüfungsteil sind die so genannten handlungsspezifischen Aufgaben, dies sind sehr komplexe Fragestellungen, bei denen es nicht nur um die Wiedergabe auswendig gelernten Fachwissens geht. Vielmehr muss dieses Fachwissen in einer konkreten betrieblichen Problemstellung angewandt werden.

Um den Leseaufwand vor der Prüfung zu verringern und die Einstimmung auf die Situationsvorgaben zu erleichtern, stellt die IHK den Teilnehmern die Situationsbeschreibung einige Wochen vor dem ersten Prüfungstermin zur Verfügung. Zudem sind in der schriftlichen Prüfung neben den klassischen Hilfsmitteln auch Gesetzestexte, Fachliteratur oder selbst erarbeitete Unterlagen zulässig.

Auch in den mündlichen Prüfungen werden die genannten Kenntnisse und Fertigkeiten getestet. So treffen die Teilnehmer in einigen Fachwirte-Prüfungen (z. B. Bankfachwirt/in, Fachwirt/in im Sozial- und Gesundheitswesen) eine Wahl aus zwei Aufgaben oder einer Anzahl von Qualifikationsbereichen (Prüfungsfächern). Für diese Aufgabe muss in einem Vorbereitungsraum innerhalb von 20 oder 30 Minuten eine Lösung erarbeitet werden. Das Ergebnis präsentieren die Prüflinge anschließend vor dem Prüfungsausschuss, wobei sie Tageslichtprojektor, Pinwand oder Flipchart verwenden können. Im Anschluss an die Präsentation vor dem Prüfungsausschuss wird ein auf das Aufgabenthema bezogenes Fachgespräch geführt. In die Bewertung fließt die Präsentationstechnik ebenso ein wie die systematische Analyse und Darstellung des Sachverhalts. Auch die Ausdrucksweise wird vom Ausschuss bewertet.

In der voraussichtlich im ersten Halbjahr 2004 erstmals stattfindenden „neuen“ Prüfung der Personalfachkaufleute wird im situationsbezogenen Fachgespräch ein betrieblicher Beratungsauftrag behandelt. Die Teilnehmer reichen dazu zwei Themenvorschläge mit Grobgliederung ein, der Prüfungsausschuss stellt dann 14 Tage vor der Prüfung das Thema. Die Teilnehmer erstellen den Lösungsvorschlag und die Unterlagen für die Darstellung in Hausarbeit. Beim Auftritt vor dem Prüfungsausschuss dürfen ebenfalls Präsentationsmittel eingesetzt werden. Der Prüfungsausschuss lässt in die Bewertung der Präsentation Aufbau und inhaltliche Struktur, Präsentationstechnik sowie die kommunikative Kompetenz einfließen. Beim Prüfungsgespräch werden fachliches Wissen, die Begründung sowie die thematische Durchdringung gewertet.

Wenn die Sozialpartner in den nächsten Jahren weitere Prüfungsordnungen verabschieden, werden die dargestellten Lerninhalte weiterhin berücksichtigt werden. Zusätzlich wird man nach anderen Möglichkeiten suchen, mit denen sich die Berufspraxis noch stärker in den Prüfungen widerspiegelt. Bei der Formulierung solcher Prüfungsanforderungen sollten dabei die zeitlichen und finanziellen Möglichkeiten der Teilnehmer ebenso berücksichtigt werden wie der Zeitaufwand für die ehrenamtlich tätigen Prüfer.

Peter Lerch
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 01|2004, Seite 18

 
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