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WiM-Serie: Metropolregion Kompakt (Teil 7)

Die Vision des Mitteleuropäischen Kristalls

Als grenzüberschreitende Region setzt sich die Metropolregion Nürnberg für ein neues Modell großräumiger Kooperation mit dem Nachbarstaat Tschechien ein.

Zusammenarbeit über die Landesgrenzen hinweg zählt zu den großen Zielen der Europäischen Union. Länderübergreifende Kooperationen fördern den Prozess der europäischen Integration und stärken zugleich strukturschwächere Randregionen. Innerhalb der EU gibt es in allen Grenzgebieten sogenannte Euroregionen, kurz: Euregios. Die Euregios setzen sich auf breiter Ebene für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit ein, sowohl für den Aufbau gemeinsamer Wirtschaftsräume als auch für bürgernahe Projekte in den Bereichen Kultur, Tourismus und Sprache.

An den Grenzen Deutschlands – beispielsweise zu Frankreich und den Niederlanden – arbeiten zahlreiche Initiativen unter diesem Banner zusammen. Auch zu den angrenzenden osteuropäischen Ländern bestehen seit Langem intensive Kontakte. An der Grenze zur Tschechischen Republik kooperieren beispielsweise Bayern, Sachsen, Thüringen und Böhmen seit 1993 erfolgreich in der "Euregio Egrensis", die mit Teilen Oberfrankens und der Oberpfalz auch im Gebiet der Metropolregion Nürnberg liegt. Der Name "Euregio Egrensis" leitet sich vom Fluss Eger ab, der durch Bayern und Tschechien fließt. Über Jahrhunderte bildete diese Region einen gemeinsamen Lebens- und Wirtschaftsraum. Mit dem Eisernen Vorhang brachen die Beziehungen zwangsläufig ab und werden nun in einem vereinten Deutschland und Europa neu aufgebaut. Ein deutliches Zeichen dafür ist der Ausbau der A6 von Nürnberg nach Prag, die in ihrem Verlauf der "Via Carolina", einer bedeutenden mittelalterlichen Handelsstraße, entspricht. Der letzte Teilabschnitt wurde von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee im September feierlich eröffnet (siehe Seite 10).

Im Herzen Europas
Mit der umfassenden Erweiterung der EU in den vergangenen Jahren hat sich das geopolitische Gefüge grundlegend geändert. Länder, die einst am Rand lagen, rücken nun ins Zentrum Europas. Für die Metropolregion Nürnberg hat dieser Wandel besondere Auswirkungen, bildet sie als Gateway-Region doch nun das Tor nach Osteuropa. In dem vom Bund betreuten Modellvorhaben für Raumordnung (Moro), in dem die Metropolregion Nürnberg derzeit gefördert wird, steht daher als eines von drei Handlungsfeldern die "Grenzüberschreitende Zusammenarbeit" auf dem Programm.

Federführend ist dabei die "Euregio Egrensis" mit ihrer Präsidentin der Arbeitsgemeinschaft Bayern, Dr. Birgit Seelbinder. Die "Euregio Egrensis" wird ihre wertvollen Erfahrungen aus zahlreichen deutsch-tschechischen Kooperationen einbringen. Von ihren vielfältigen transnationalen Aktivitäten sei beispielhaft die "Sprachoffensive Tschechisch" genannt, die 2007 mit dem "Europäischen Sprachensiegel" ausgezeichnet wurde. Im Moro-Projekt soll insbesondere die Vernetzung von Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung mit der tschechischen Nachbarregion forciert werden. Zudem wollen sich die Metropolregion Nürnberg und die "Euregio Egrensis" im kommenden Jahr gemeinsam auf den "Open Days" in Brüssel präsentieren, dem wichtigsten Forum für die Regionen Europas.

Den Blick erweitern
Um die Entwicklung des deutsch-tschechischen Grenzraums voranzubringen, konstituierte sich im April 2006 eine Arbeitsgruppe unter Vorsitz des deutschen Bundesverkehrsministeriums und des tschechischen Ministeriums für Raumentwicklung. In einem ersten, 2007 veröffentlichten Forschungsbericht kommt die Arbeitsgruppe zu Ergebnissen, die auch für die Metropolregion Nürnberg von weitreichender Bedeutung sind. Zunächst wird festgestellt, dass der geographische Zuschnitt der bestehenden deutsch-tschechischen Euroregionen zu klein sei, um in den dünn besiedelten Grenzregionen eine wirkungsvolle Vernetzung zu gewährleisten. Der deutsch-tschechische Grenzraum bilde momentan noch kein Gebiet, das sich in seiner Wirtschaftskraft mit leistungsfähigen westeuropäischen Regionen messen könnte. Eine großräumigere Sicht sei daher vonnöten. Es wird vorgeschlagen, einen "erweiterten deutsch-tschechischen Grenzraum" zu definieren, der in etwa durch die Städte München, Nürnberg, Berlin, Posen, Breslau und Prag markiert wird und damit bis nach Polen reicht. Die Metropolregionen München, Nürnberg, Sachsendreieck, Breslau und Prag wären die Eckpfeiler dieses Raumes. Ihnen wird eine Schlüsselrolle als Träger von Innovation und Wirtschaftswachstum zugesprochen.

Als Leitbild für die Entwicklung des erweiterten deutsch-tschechischen Grenzraums wird der "Mitteleuropäische Kristall" neu eingeführt. Der Begriff ergibt sich aus der facettenartigen Struktur des Bildes, das entsteht, wenn man die genannten Metropolen mit Linien verbindet. Und weil ein Kristall transparent ist, symbolisiert der "Mitteleuropäische Kristall" zugleich seine Vernetzungsfunktion zwischen West- und Osteuropa. Dieses Gebiet hat nach Ansicht der deutsch-tschechischen Expertengruppe das Potenzial, sich zu einem dynamischen Wirtschafts- und Kooperationsraum im Herzen Europas zu entwickeln, der es mit anderen europäischen Großräumen aufnehmen kann. Gemeinsam setzen sich daher die Metropolregion Nürnberg und die "Euregio Egrensis" dafür ein, dass die Vision des "Mitteleuropäischen Kristalls" Wirklichkeit wird.

Autor/in: 
Dr. Janette Witt
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 10|2008, Seite 24

 
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