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Bierland Franken

Tradition im Glas

Der regionale Aspekt allein ist als Verkaufsargument zu wenig. Selbst die kleinen Brauereien müssen sich als Marke profilieren und ihre Nische finden.

Für die Nürnberger Lederer Bräu kann das laufende Jahr ein ganz besonderes werden. Denn im Zuge des 175-jährigen Jubiläums der ersten deutschen Eisenbahnfahrt von Nürnberg nach Fürth im Dezember 1835 soll der Blick auf die erste Fracht gelenkt werden: Zwei Bierfässer von Lederer. Mit einem Bündel von Maßnahmen will Kai Eschenbacher, Marketing-Chef der Nürnberger Muttergesellschaft Tucher Bräu, für Aufmerksamkeit sorgen. Gerade die Sammelleidenschaft der Bierfreunde soll bedient werden: Zehn Sammler-Bierdeckel werden herausgebracht, fünf Bierseidel werden zu haben sein sowie ein „Open Basket“-Tragekarton im Adler-Look für sechs Lederer-Pils. Angesichts der bundesweiten Bedeutung des Jubiläums will die Brauerei mit dem Krokodil im Logo auch die „nationale Getränkewirtschaft“ bedienen.

Profilierung ist nicht nur für die rund 100 Brauereien in Mittelfranken das Gebot der Stunde, es ist die einzige Perspektive zum Überleben. Denn seit dem Spitzenjahr 2002 mit einem Branchenumsatz von 9,3 Mrd. Euro bundesweit geht das Geschäft kontinuierlich zurück und liegt derzeit bei rund acht Mrd. Euro. Von den im Jahr 2008 gut 1 300 Braustätten hatten 628 ihren Sitz in Bayern – zehn Prozent weniger als zehn Jahre zuvor.

„Es reicht nicht mehr aus, als Brauerei oder Schankwirtschaft nur 08/15 zu bieten. Die bekommen alle Probleme“, weiß Werner Gloßner, Hauptgeschäftsführer des Verbands Private Brauereien Bayern. Das gelte gerade für die Betriebe, die einen Investitionsstau vor sich her schieben, ihre Kosten nicht angepasst haben oder in der Vermarktung kein ausreichendes Profil zeigen. Aus Gloßners Sicht reicht die Aussage „ich bin ein Brauer aus der Region“ bei Weitem nicht mehr aus, um sich zu profilieren.

Einzige Kommunalbrauerei Deutschlands
Die Stadtbrauerei Spalt, Deutschlands einzige Brauerei in kommunaler Hand, sieht sich auf dem richtigen Weg: „Wir machen uns über die Zukunft keine Sorgen“, betont Brauereichef Udo Weingart, zugleich 1. Bürgermeister von Spalt. Die regionale Brauerei in der Hopfenstadt Spalt deckt den gesamten Rohstoffbedarf aus der Region. In traditionsreichen Familienbetrieben wird Spalter Aromahopfen angebaut, noch heute ist man auf das 1538 erhaltene Hopfensiegelrecht stolz. „Qualität, Wertigkeit und Regionalität“ sind für Weingart die Erfolgszutaten. „Wir müssen glaubhaft sein und gehen deshalb den nachhaltigen Weg“, lautet die Strategie. Das Naturprodukt wird nicht hocherhitzt, um die Haltbarkeit zu verlängern und auch beim Personal wird nicht gespart. Sieben Brauer sind in der Stadtbrauerei beschäftigt.

Spalt inszeniert rund um das eigene Bier ganze Erlebniswelten: Angeboten werden Bierseminare, bei denen sich der Besucher wie ein Braumeister fühlen kann. In Planung sind zudem Kurse, um „Bier-Sommelier“ zu werden. Neben Starkbierfest und Classic Rock Night am Brombachsee sind Interessierte zum historischen Hopfenzupferfest wie in alten Zeiten eingeladen. Dieser von Hand geerntete Hopfen wird dann für das Saumarktbier für die Kirchweih genutzt. In diesem Jahr wird anlässlich des 1 200-jährigen Jubiläums der Stadt Spalt erstmals zur Bier-Kultur-Gala im historischen Kornhaus geladen. Serviert wird ein mehrgängiges Bierkulinarium, unter anderem mit „Falschem Pils“ – eine Tomatenessenz mit Hopfenschaum sowie ein mit Vanille „gepiercter“ Zander auf sahnigem Spalter-Bier-Kraut. „Wir kombinieren unser Bier mit besonderen Erlebnissen und geben ihm so einen anderen Stellenwert“, fasst der oberste kommunale Brauer zusammen.

Umweltschutz im Brauwesen
Dagegen positioniert sich Tucher, Mittelfrankens größte Braustätte direkt auf der Stadtgrenze zwischen Nürnberg und Fürth, als „stadtfeines Qualitätsbier erfolgreich gegen die großen TV-Biere“, erläutert Marketing-Leiter Eschenbacher. Marke und Markenkern seien von der stattlichen Tradition: „Wer in der Metropolregion ein regionales Bier mit hohem Qualitätsanspruch trinken will, greift zu Tucher.“ Deshalb habe Tucher auch rund 50 Mio. Euro in die modernste Brauerei in Europa investiert und dabei auch Wasser- und Energieverbrauch drastisch reduziert. Seit April kommt als Innovation für das wachsende Segment Biermischgetränke ein Colaweizen, das statt mit Kristall- mit Hefeweizen produziert wird und sowohl in Gastronomie und in den eigenen vier Wänden „wie frisch gemixt“ schmecke.

Die Tucher-Tochter „das gute Zirndorfer“ positioniert sich als „Landbierbrauerei aus dem Bilderbuch mit einer dunklen, malzbetonten Spezialität“. Als „handwerklich-ehrliches Produkt“ gebe es im Handel keine Preisabschläge oder Zugaben, stellt Eschenbacher klar. Stattdessen soll jetzt im Mai ein eigenes Landbierbrot in die Filialen des Erlanger Mittelständlers Der Beck kommen.

Das vergangene Jahr hat nach Meinung des Verbands Private Brauereien Bayern der Branche im Schnitt ein Umsatzminus von rund zwei Prozent beschert. Umso mehr sind identitäts- und markenbildende Attribute gefragt. So hat sich die oberfränkische Gemeinde Aufsess mit ihren 1 400 Einwohnern und vier Brauereien im Guinness-Buch der Rekorde verewigt: Mit einer Brauerei je 350 Einwohner hat sie weltweit die größte Brauereiendichte. Andere setzen auf eine Auszeichnung des European Beer Star Award, der zuletzt das Festbier der Brauerei Wiethaler aus Lauf-Neunhof, das Rauchbier von Rittmayer Hallerndorf, das bernsteinfarbene Aischgründer Karpfen-Weisse des Löwenbräu Brauerei-Gasthof-Hotel aus Adelsdorf sowie das helle Weizenbock der Erlanger Kitzmann-Bräu auszeichnete. Oder man kreiert etwa eine „Spalter Hopfenkönigin“, die wichtigen Anlässen eine reizvolle Note verleiht. Andere Profilierungsmöglichkeiten sind zertifizierte Biobiere.

Die Felsenbräu aus Thalmannsfeld hat sich als erste „Solarbier“-Brauerei Deutschlands einen Namen gemacht. Das hat zwar auf dem seit Generationen etablierten Regionalmarkt nicht viel gebracht, dafür ist die Brauerei mit Händlern in Hamburg ins Gespräch gekommen, berichtet Walter Gloßner, Familienbrauer in dritter Generation. Er setzt seit den 80er Jahren auf Umweltschutz und hat damals schon in eine biologische Vorklärungsanlage investiert. Mittlerweile kommen alle Rohstoffe aus kontrolliertem Anbau, gebraut und geheizt wird kohlendioxid-neutral mit Hackschnitzeln aus der Region, der restliche Strombedarf wird zu 100 Prozent aus Wasserkraft gewonnen. „Bier ist ein natürliches Lebensmittel, deshalb gehen wir diesen Weg jedes Jahr einen Schritt weiter“, so Felsenbräu-Chef Gloßner. Zwar schaue der Verbraucher immer mehr auf den Preis, wenn man den Bierpreis aber begründen könne, schrecke das nicht ab. Gloßner mahnt zum „regionalen Denken“ und hat deshalb seit Jahresbeginn seine Apfelschorle auf 100 Prozent fränkische Erzeugung umgestellt und somit auf polnische Rohstoffe verzichtet.

Auch die Kaiser Bräu aus Neuhaus an der Pegnitz „sieht einen Trend zu Brauereien aus der Region“, hebt Verkaufsleiter Leo Wagner hervor. Erkennungsmerkmal sei statt langweiliger Standardflasche der Bügelverschluss für das erste Landbier. Unter der Marke Veldensteiner werden elf Bierspezialitäten angeboten, die überwiegend mit Hersbrucker Hopfen gebraut werden. Zur Verwurzelung gehört bei Kaiser Bräu aber auch, dass trotz Wirtschaftskrise – die gerade die Gastronomie stark getroffen habe – kein Mitarbeiter entlassen wurde. Die Nürnberger schätzen laut Wagner die Biergärten, aber auch Veranstaltungen wie das Brauereifest oder das Veldensteiner Festival auf der Burg. Das sei ein langwieriger Prozess über Jahre gewesen. Nun gehöre Kaiser Bräu im Nürnberger Handel zu den am stärksten nachgefragten Bieren. Einen weiteren Impuls verspricht sich Wagner von den soeben verliehenen fünf Goldmedaillen der DLG (Deutsche Landwirtschaft Gesellschaft): „Mit diesem außergewöhnlichen Abschneiden im härtesten Biertest Deutschlands gehören die Veldensteiner Bierspezialitäten zur Qualitäts-Elite der deutschen Brauereien und unterstreichen auch die Bedeutung unserer fränkischen Region in der deutschen Bierlandschaft.“

Keine große eigene Tradition kann die vor drei Jahren in Nürnberg-Gostenhof gegründete Schanzenbräu aufweisen. Dafür hat sich das Jungunternehmen einen Namen als Nachbarschaftsbrauerei gemacht und mit der eigenen Schankwirtschaft einen gewissen Kultstatus erreicht. Gebraut wird im Hinterhof nach traditionellem Brauverfahren ein rötlich schimmerndes Schanzenbräu. Dieses untergärige Rotbier war im mittelalterlichen Nürnberg die gängige Biersorte der Reichsstadt.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 05|2010, Seite 42

 
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