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Roxy-Kino

Kinosessel mit Geschichte

Wer sich beim Wort „Kino“ nur einen modernen Stahl- und Glasbau mit unzähligen Kinosälen und digitaler 3D-Technik vorstellt, der kann vom Leiter des Nürnberger Roxy-Kinos noch einiges lernen. Herman Kiesel, der mittlerweile 70-jährige Kino-Veteran aus Nürnberg, arbeitete schon 1947 im Alter von sieben Jahren in den Lichtspielhäusern seines Vaters Max Kiesel mit, der unter anderem mit einem Wanderkino in einer Wilhelmsdorfer Sporthalle gastierte. „Wenn es kälter wurde, fuhren wir schon mittags hin und heizten die Halle mit vier Holzöfen vor. Die Besucher mussten ihre eigenen Stühle mitbringen – und etwas Brennholz, damit wir auch für die Vorstellung in der nächsten Woche etwas zum Aufwärmen hatten.“ Der Preis für einen Kinobesuch damals: 50 Pfennig.

Am 26. September 1950 eröffnete Vater Max Kiesel dann das Roxy-Kino, das in diesem Jahr sein 60-jähriges Jubiläum feiert und damit das älteste Kino in Nürnberg ist: „Anfang 1951 gab es in Nürnberg noch 23 Kinos – wir sind das einzige, das immer noch existiert“, erzählt Herman Kiesel. Er absolvierte damals eine Ausbildung zum Großhandelskaufmann für Filmtheater. Anfang 1964 übernahm er dann selbst das Roxy, das aber nicht sein einziges Lichtspielhaus bleiben sollte. Insgesamt leitete Kiesel sechs verschiedene Kinos alleine, beschäftigt war er in insgesamt neun Häusern. Unter anderem leitete er die Kronen-Lichtspiele in Wilhermsdorf, das Kronprinz-Kinocenter in Fürth und das Luna in Schwabach. „Alle Kinos zusammen waren rund 110 Jahre geöffnet und haben in dieser Zeit rund fünf Mio. Zuschauer angelockt.“

1990 suchte Kiesel wegen der wachsenden Konkurrenz eine neue Nische für sein Roxy-Kino. Wegen des internationalen Publikums in Nürnberg wurde das Roxy damals zu einem Fremdsprachenkino, von dem es heute in Deutschland nur noch sechs gibt. Wegen einer Krebserkrankung musste er 1996 zwei Kinos abgeben und behielt nur das Roxy. Doch ausgerechnet Roxy leidet seit der Abkommandierung vieler amerikanischer GIs, die früher zum Stammpublikum gehörten, unter sinkenden Besucherzahlen. Filmliebhaber, die statt der deutschen lieber die Originalversionen sehen möchten, kommen aber immer noch. „Teilweise fahren unsere Gäste 80 Kilometer weit, um unsere Filme zu sehen“, erklärt Kiesel. Das Roxy zieht mit seiner Mischung aus Programmkino und großen Hollywood-Produktionen besonders ausländische Gäste, Schulklassen, Studenten und Geschäftsleute an – aber auch den einen oder anderen Prominenten. „Alice Cooper kommt eigentlich immer auf einen Film vorbei, wenn er in Nürnberg ist“, erzählt Kiesel, der den Schockrocker auch ohne Schminke sofort erkennt. Auch den Magier David Copperfield oder den albanischen Botschafter samt Entourage und Begleitschutz durfte Kiesel bereits empfangen. Cooper und Copperfield signierten für ihn extra ihre Kinosessel.

Derzeit beschäftigt Kiesel acht Mitarbeiter in Teilzeit im Roxy-Kino. Die Zukunft des Unternehmens ist ungewiss – einen Nachfolger innerhalb der Familie Kiesel, der das traditionsreiche Familienunternehmen weiterführen könnte, gibt es nicht. Zwar sind beide Töchter von Herman Kiesel ebenfalls in das Kino-Geschäft eingestiegen, doch beide arbeiten mittlerweile für andere Firmen. „Entweder finden wir einen Juniorpartner, der das Kino weiterführt, oder aus dem Roxy wird ein Supermarkt“, erklärt Kiesel beim Gespräch im Foyer seines Kinos, das den Charme vergangener Zeiten versprüht.

Auf die Frage nach seinem Lieblingsfilm weiß der Kino-Experte überraschenderweise keine Antwort. „Ich bin eigentlich weniger ein Cineast als ein Kino-Macher“, gibt Kiesel zu. Trotzdem liegt sein letzter Besuch in einem anderen Nürnberger Kino erst kurze Zeit zurück: „Das alte Kino-Flair ist zwar weg, aber mir gefallen auch die modernen Sachen. Kino macht mir eben immer noch Spaß.“

Autor/in: 
jm.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 10|2010, Seite 69

 
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