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Chemikalien

Noch mehr Pflichten

Neben umfangreichen Pflichten zur Registrierung von Stoffen gibt es jetzt auch Auskunftspflichten zu einigen Substanzen, die für Mensch und Umwelt gefährlich sind.

So müssen Unternehmen ihre Kunden und seit 1. Juni 2011 auch die EU-Chemikalienagentur ECHA informieren, wenn ein sogenannter „besonders besorgniserregender Stoff“ in einem Erzeugnis (z.B. Baustoffe, Elektronikteile, Spielzeug oder Medizinprodukte) enthalten ist. Betroffen hiervon sind alle Wirtschaftsakteure, von der Industrie und das verarbeitende Gewerbe über alle Handelsstufen hinweg bis hin zum Handwerk. Das wird viele Unternehmen stark belasten. So haben durchschnittliche Großhandelsunternehmen im Technischen Handel bis zu 100 000 Artikel im Sortiment, Einzelhandelsunternehmen oft mehrere zehntausend.

Entscheidend ist die „Kandidatenliste“ der besonders besorgniserregenden Stoffe, die derzeit 53 Stoffe enthält. Diese Liste wird von der ECHA im Internet veröffentlicht (www.echa.europa.eu; Rubrik „ECHA CHEM“) und halbjährig aktualisiert.

Für Erzeugnisse, die mehr als 0,1 Prozent eines sogenannten „Kandidatenstoffs“ enthalten, ergeben sich verschiedene Informationspflichten. So müssen alle Erzeugnis-Lieferanten ihre Kunden über diese Tatsache informieren und – soweit vorhanden – Informationen zur sicheren Verwendung des Erzeugnisses weiterleiten. Wer solche Erzeugnisse an private Verbraucher abgibt, muss nicht von sich aus informieren. Wenn jedoch der private Verbraucher eine entsprechende Auskunft verlangt, muss ihm der Händler innerhalb von 45 Tagen den Namen des Kandidatenstoffs mitteilen und die vorhandenen Informationen zur sicheren Verwendung des Erzeugnisses geben.

Seit 1. Juni 2011 müssen Hersteller und Importeure von Erzeugnissen zudem die EU-Chemikalienagentur ECHA informieren, wenn in einem Produkt mehr als 0,1 Prozent eines Kandidatenstoffs enthalten sind und dessen Menge jährlich insgesamt mehr als eine Tonne pro Hersteller oder Importeur beträgt. Ausnahmen bestehen, wenn der Kandidatenstoff bereits für die betreffende Verwendung bei der ECHA registriert wurde oder wenn Belastungen für Mensch und Umwelt ausgeschlossen werden können.

Bei der Auslegung dieser Informationspflichten liegt die Tücke im Detail. Je nach Lesart können diese mehr oder weniger umfangreich ausgelegt werden. So kann sich die Auslöseschwelle für die Informationspflichten, die in der Reach-Verordnung auf 0,1 Masseprozent des Kandidatenstoffs im Produkt festgelegt wird, auf das Gesamtprodukt oder auf seine Einzelteile beziehen (also beispielsweise auf den gesamten Schuh oder jeweils auf Schnürsenkel, Sohle etc.). Außerdem ist umstritten, ob der Abnehmer eines Produkts, der vom Lieferanten nicht über die Kandidatenstoffe informiert wird, nachfragen muss, ob solche Stoffe enthalten sind, obwohl die Verordnung explizit nur vorschreibt, dass der Lieferant den Abnehmer informieren muss.

Eine Frage der Auslegung

Das Bundesumweltministerium wie auch die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin legen diese Informationspflichten weit aus. In der Praxis kann das zu massiven bürokratischen Mehrbelastungen für die Wirtschaft, zu Rechtsunsicherheit und zu Wettbewerbsnachteilen gegenüber Unternehmen aus anderen EU-Mitgliedstaaten führen. Denn bei einer weiten Auslegung wird die Masseprozentschwelle eines Produkts gegebenenfalls früher überschritten, was eine viel größere Zahl von Informationspflichten zur Folge hätte. Außerdem dürfte kein Zwischenhändler in Deutschland mehr darauf vertrauen, dass ein erworbenes Produkt frei von gefährlichen Stoffen ist, wenn er keine Mitteilung darüber vom Lieferanten enthält.

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) hat gemeinsam mit anderen Verbänden gegenüber dem Bundesumweltministerium eine praxisnahe, wortlautgetreue Auslegung gefordert.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 07|2011, Seite 34

 
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