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Die Deutschen und das Auto

Hauptsache, es fährt

Das Auto hat als Statussymbol ausgedient, das legen zumindest einige Studien und Umfragen nahe. Wie reagiert die Automobilwirtschaft?

Wer heute seine ausladende Geländelimousine auf dem schmalen Gehsteig parkt, fährt kaum mehr bewundernde Blicke ein. Das liegt zum einen am zunehmenden grünen Gewissen großer Bevölkerungsschichten, zum anderen aber auch an der sich grundsätzlich wandelnden emotionalen Beziehung zum fahrbaren Untersatz. Der Deutschen liebstes Kind hat Konkurrenz bekommen, andere Statusobjekte sind angesagter und erschwinglicher, allen voran schicke Smartphones.

Wenn gerade Menschen mit geringeren finanziellen Möglichkeiten versuchen, sich Status über ein großes Auto zu erkaufen, dann verliert das Objekt der Begierde auch in der Außenwirkung schnell seinen Reiz. Man macht sich heutzutage mit einem großen Auto eher verdächtig, Minderwertigkeitskomplexe überspielen zu müssen, als zu beeindrucken. Es ist en vogue, mit dem teuren Rad zu fahren.

Festgestellt hat die gewandelte Sicht auf das Prestigeobjekt Auto vor über einem Jahr u.a. die Münchener Unternehmensberatung Progenium. In ihrer jüngsten Befragung fanden die Berater heraus, dass fast alle Befragten Konzepten wie „Ein Auto ist eine Visitenkarte“ oder „Mit einem Auto kann man im Umfeld Eindruck hinterlassen“ eine Absage erteilten. Etwas wichtiger sind „gutes Design“ und ein „leistungsstarkes Auto“. Schickes Aussehen ist besonders den gut verdienenden, modern denkenden Menschen wichtig. Unabhängig vom Auto drücken sie ihren gesellschaftlichen Status zunehmend über Design und Lifestyle aus. 

Mehr Pragmatismus

Bei einem weiteren genauen Blick auf die einzelnen Gruppen von Befragten stellt sich heraus, dass insbesondere Frauen der statusorientierte Bezug zum Auto fehlt und sie darüber hinaus auch nicht emotional durch die Autobauer angesprochen werden. „Mini ist die Frauenmarke und Ferrari die Männermarke“, weiß auch Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöffer, Autoexperte an der Universität Duisburg-Essen. Er hat in einer Studie festgestellt, dass rund 400 000 Fahrzeuge pro Jahr in Deutschland zusätzlich abgesetzt werden könnten, wenn Frauen genauso viele Autos kaufen würden wie Männer.

Dabei sind Autos, die Frauen kaufen, nicht unbedingt billig oder unsportlich – das zeigt die Präferenz der Marken Mini und Alfa Romeo. Daneben gilt aber, dass Frauen praktische Kleinwagen präferieren, Pragmatismus geht also oft vor Statusdenken. Differenziert man in der Progenium-Befragung nicht nach Geschlechtern, sondern nach sozialen Milieus, stellt man fest, dass insbesondere die konservativeren Zeitgenossen in allen Einkommensstufen einen sehr geringen Zusammenhang zwischen Auto und Status sehen. „Die fortschrittlichen, mittel verdienenden Schichten sind dagegen die soziale Gruppe in Deutschland, die noch am ehesten das Auto als Prestigeobjekt wahrnimmt“, sagt Progenium-Geschäftsführer Dr. Michael Mandat.

Veränderung bei jungen Leuten

Diese gesellschaftlichen Veränderungen spiegeln sich bisher in der Automobilindustrie nur ansatzweise wider – so hatte der durchschnittliche Neuwagen auf der vergangenen IAA 135 PS und damit mehr als jemals zuvor. „Eine Reaktion der Autobauer ist sicher die Neugierde für Carsharing-Modelle. So ist ja Daimler mit seinem Car2Go der Erste gewesen und rollt das Modell sehr stark flächendeckend aus. BMW und VW folgen jetzt nach. Also man experimentiert damit, inwieweit neue Formen der Mobilität die jungen Menschen wieder begeistern und überzeugen können“, so Dudenhöffer.

Gerade die Jungen nehmen nämlich nicht nur Abstand vom Auto als Prestigeobjekt, sondern verzichten vielfach ganz darauf. Laut dem Berliner Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel besaßen im Jahr 2000 noch 51 Prozent der 18- bis 29-Jährigen ein eigenes Auto, während es 2015 nur noch 33,5 Prozent sein sollen.

Die Automobilhersteller reagieren auf diese Entwicklungen derzeit besonders im Marketing, aber nicht unbedingt bei der Produktpalette. So wurde Popsängerin Lena für kurze Zeit das Gesicht von Opel, eine Corsa-Sonder-edition benannt nach ihrem Siegersong sollte die Zielgruppe der 18- bis 29-Jährigen ansprechen.

Innovation soll attraktiver machen

Laut Prof. Dudenhöffer sehen die Autobauer die gesellschaftliche Entwicklung und versuchen, dagegen zu arbeiten: „Aber ich denke, dies reicht nicht aus, um den Trend zu brechen. Es ist ein guter Ansatz, doch wir müssen grundsätzlicher arbeiten – an der Darstellung von Autos genauso wie an der Technik. Die Jugendlichen von heute sind in der virtuellen Welt zu Hause, das ist nicht mehr die Welt der Schrauber.“

Muss also jetzt auch schon das Auto über facebook kommunizieren, um weiter dabei zu sein? Möglicherweise ja, denn wenn Vernetzungen Spaß machen, dann im Auto ganz besonders. Trendforscher schreiben den Autobauern ins Stammbuch, sich ganz der Innovation zu verschreiben, um Werte zu vermitteln, die in den Zeitgeist passen.

Autor/in: 
Alexandra Buba
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 03|2012, Seite 48

 
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