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Fachkräfte

Herzlich Willkommen!

Wie muss sich unsere Region präsentieren, um im Wettbewerb der Standorte für Mitarbeiter attraktiv zu sein? Das war eines der Themen bei der ersten Jahrestagung der Initiative "Allianz pro Fachkräfte".

Wir brauchen eine Willkommenskultur für inländische und ausländische Fachkräfte“, erklärte IHK-Präsident Dirk von Vopelius zum Auftakt der Jahreskonferenz, zu der rund 350 Unternehmensvertreter in die NürnbergMesse gekommen waren. Die Metropolregion Nürnberg sei die einzige im süddeutschen Raum, die Einwohner und damit auch potenzielle Arbeitskräfte verliere. „So können wir unsere Wirtschaftsleistung nicht halten.“

Willkommenskultur und Integration müssten sich an verschiedene Zielgruppen richten, ergänzte Ralf Holtzwart, Chef der Regionaldirektion Bayern der Bundesagentur für Arbeit. Dazu gehörten auch ältere Menschen über 55 Jahre, deren Potenzial bundesweit bei bis zu 1,5 Mio. Fachkräften liege, sowie Frauen, deren ungenutztes Potenzial auf bis zu 1,2 Mio. veranschlagt werde. Aber auch für Studienabbrecher, Schulabgänger ohne Abschluss oder Behinderte müssten Angebote geschaffen werden. „Die Wirtschaft muss umdenken“, lautete sein Plädoyer.

Einen Perspektivwechsel der Unternehmen mahnte auch Bayerns Arbeits- und Sozialministerin Christine Haderthauer an, etwa beim Thema Familienfreundlichkeit: Nicht das, was die Verantwortlichen im Unternehmen für familienfreundlich halten, sei entscheidend, sondern das, was die Bewerber erwarten. Junge Mitarbeiter hätten oftmals ganz andere Lebensentwürfe als ihre Vorgesetzten und ein hohes Gehalt stehe bei den Fachkräften längst nicht mehr allein an der Spitze der Prioritätenliste. Besonders ärgert die Ministerin, wie in Deutschland mit Müttern umgegangen werde, dies sei angesichts sinkender Bewerberzahlen eine „Hauptpotenzialverschwendung“. Darüber hinaus möchte sie ausländische Facharbeiter und Akademiker lieber aus den 24 Mio. Arbeitslosen in Europa rekrutieren als aus Indien oder anderen Schwellenländern.

Für Esther Loidl, Personalchefin des Kfz-Zulieferers Brose mit weltweit über 19 000 Beschäftigten, ist der richtige Mitarbeiter entscheidend, „der Reisepass ist mir egal“. Als die Österreicherin vor elf Jahren bei Brose in Coburg begann, hat sie trotz der kulturellen Nähe zu Deutschland selbst erfahren, dass der Start fern der Heimat schwierig sein kann. Für Brose ist dieser Umstand bedeutsam, weil Mitarbeiter aus 30 Nationen in Coburg tätig sind. Integration ist für Loidl eine Frage des Alltags: „Erklären Sie mal einem Chinesen, wie die deutsche Mülltrennung funktioniert.“ Willkommenskultur bedeutet für die Personalexpertin auch, die Ehepartner der Bewerber bei ihren beruflichen Zielen zu unterstützen. Eine andere Facette sei die Integration von Frauen nach der Elternzeit: Auch in der Babypause sollten Mütter mit dem Unternehmen und den Kollegen in Kontakt bleiben, beispielsweise auch durch Weiterbildungen.

Ein noch größeres Problem als die Kinderbetreuung ist nach Auffassung Loidls die Pflege kranker Eltern: „Über den Schlaganfall des Vaters spricht keiner, das ist ein Tabu-Thema.“ Um Mitarbeiter, die teilweise durch Erziehung und Pflege doppelt belastet sind, nicht im Abseits verschwinden zu lassen, gibt es bei Brose eine betriebsinterne Servicestelle, die mit Tipps, Kontakten zu Behörden und anderen Einrichtungen weiterhilft. Außerdem wurde ein Gesprächsnetzwerk geschaffen, in dem sich betroffene Kollegen austauschen können.

Projekt in Erlangen

Besondere Orte der interkulturellen Begegnung hat die vhs Erlangen mit ihrem „Club International“ mit Blick auf die vielen ausländischen Mitarbeiter bei Siemens oder Areva eingerichtet. So gibt es einen Sprachstammtisch oder Stadtführungen, die sich speziell an Teilnehmer von Deutschkursen mit unterschiedlichen Sprachkenntnissen richten. Gut nachgefragt ist auch die Reihe „Europäer pauschal“, bei der etwa Franzosen über ihre Klischees von den Deutschen berichten.

Konkrete Integration leistet in Fürth das Projekt „Mathilde 17“ für deutsche Frauen und Migrantinnen: Beratung bei Bewerbungsschreiben, Begleitung bei Ämtergängen und Bewerbungsgesprächen oder berufsbezogene Trainings in Übungsfirmen sind einige der Aktivitäten. Am Ende der dreimonatigen Maßnahme steht eine Prüfung mit IHK-Zertifikat.

Dr. Dirk Lüerßen vom Verein Wachstumsregion Ems-Achse berichtete, wie in dem niedersächsischen Wirtschaftsraum Willkommenskultur verstanden wird: Im äußersten Nordwesten der Republik haben sich fünf Landkreise sowie die Stadt Emden zusammengeschlossen, um gemeinsam eine wirtschaftsnahe Infrastruktur aus- und Netzwerke für die regionale Wirtschaft aufzubauen. Denn während die Zahl der offenen Stellen steigt, schrumpft die Bevölkerung. Nun hat die Ems-Achse sieben Mitarbeiter für einen Fachkräfteservice eingestellt, um die Belange und Wünsche der potenziellen Neubürger, aber auch die von deren Lebenspartner und Kindern zu berücksichtigen. Das Spektrum umfasst z.B. Hilfe bei der Suche nach Wohnung und Kindergartenplatz und auch Unterstützung bei der Jobsuche des Partners.

Die „Allianz pro Fachkräfte“ wurde vor einem Jahr auf Initiative der IHK Nürnberg für Mittelfranken und der Regionaldirektion Bayern der Bundesagentur für Arbeit gegründet. In der „Allianz” arbeitet mittlerweile eine Reihe von Partnern zusammen: Bayerisches Wirtschaftsministerium, Bayerisches Arbeitsministerium, Zentrale Auslands- und Fachvermittlung der Bundesagentur für Arbeit, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Rat der Metropolregion Nürnberg, die sieben Fachforen der Metropolregion Nürnberg sowie die Geschäftsstelle und der Marketingverein der Europäischen Metropolregion Nürnberg. Außerdem traten die IHKs Bayreuth und Coburg, die Handwerkskammer für Mittelfranken und der Deutsch-Türkische Unternehmerverein TIAD e.V. bei.

Autor/in: 
tt.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 07|2012, Seite 16

 
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