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Kommunikation

Zeichen setzen

Blickkontakt halten und visualisieren – wie Kommunikation mit hörbehinderten oder gehörlosen Mitarbeitern gelingt. Von Judit Nothdurft

In Deutschland leben 14 Mio. Hörbehinderte – davon sind ca. 80 000 gehörlos, etwa 200 000 Menschen kommunizieren in Gebärdensprache. Hörbehinderung ist eine unsichtbare Behinderung. Für eine gute Zusammenarbeit ist es somit wichtig, dass Vorgesetzte und Kollegen rechtzeitig über den Umgang mit Hörgeschädigten informiert werden. Doch wie werden hörbehinderte Kollegen schneller integriert sowie Berührungsängste und Vorurteile abgebaut?

Gleich vorab: Der Ausdruck „taub-stumm“ wird von Gehörlosen als beleidigend empfunden. Besser ist es, die Wörter „taub“ oder „gehörlos“ zu verwenden. Je größer die Hörschädigung ist, desto weniger Geräusche bzw. Sprache kann der Kollege durch das Ohr wahrnehmen und desto mehr ist er auf das Mundbild des Gesprächspartners angewiesen. Doch wie spricht man gehörlose Mitarbeiter an?

Bei der Kontaktaufnahme sollte man darauf achten, in sein Blickfeld zu treten. Der Kollege darf auch leicht an der Schulter oder am Oberarm angetippt werden, diese Art von Kontaktaufnahme gilt als völlig legitim in der Gehörlosenkultur. Wenn Sie in einem größeren Raum auf sich aufmerksam machen möchten, können Sie den Lichtschalter kurz ein- und ausschalten. Jedoch sollte man sich niemals von hinten anschleichen, dem Kollegen unvermittelt auf die Schulter klopfen und ihn dadurch erschrecken.

Deutlich artikulieren

Generell ist es wichtig, stets Blickkontakt zu halten; das Mundbild sollte dabei immer gut sichtbar sein. Sprechen Sie langsam und artikulieren Sie sehr deutlich, Schreien hingegen verzerrt lediglich das Mundbild. Bei Hörgeräteträgern regelt das Gerät unangenehm laute Geräusche herunter oder es schaltet sogar kurzzeitig ab. Auch Gegenstände im Mund, wie z.B. ein Kaugummi, oder ein zu lang gewachsener Oberlippenbart erschweren dem Kollegen das Ablesen.

Wenden Sie sich im Gespräch stets dem Gehörlosen und nicht dessen Begleitung, z.B. einem Dolmetscher beim Vorstellungsgespräch, zu. Im Gespräch ist es wichtig, klar auf das Thema hinzuweisen, sodass der Gehörlose das Gespräch besser verfolgen kann. Was möglich ist, sollte visualisiert werden. Benutzen Sie einfache, kurze und klare Sätze und unterstützen Sie Ihre Aussage durch deutliche Mimik, Gestik und natürliche Körpersprache. Achten Sie darüber hinaus auf die Lichtverhältnisse: Stellen Sie sich nicht vor eine Lichtquelle oder in die Sonne, da der Kollege so geblendet ist und nicht mehr von Ihrem Mund ablesen kann.

Da Dialekte schwer abzulesen sind, sollten Sie möglichst hochdeutsch sprechen. Wenn bei Präsentationen das Licht ausgemacht wird, kann man keine Mundbilder mehr erkennen. Bei Meetings ist es sehr hilfreich, wenn ein Kollege Notizen für den Gehörlosen macht. Für längere Besprechungen, Betriebsversammlungen und Schulungen müssen auf jeden Fall Gebärdensprachdolmetscher gebucht werden, deren Kosten von den Integrationsämtern übernommen werden. Wenn Sie bemerken, dass der hörbehinderte Kollege Sie nicht verstanden hat, wiederholen Sie Ihren Satz. Bei der Wiederholung ist wichtig, dass der Satz unverändert wiederholt wird. Da er vermutlich schon einen Teil ablesen konnte, müsste er wieder von vorne beginnen, wenn der Satz verändert wird.

Gehörlose kommunizieren miteinander in der Deutschen Gebärdensprache (DGS), ihrer Muttersprache, die seit 2002 eine anerkannte Sprache ist. Diese Sprache hat eine ganz andere Grammatik und damit einen völlig anderen Satzaufbau als die deutsche Lautsprache, weshalb die meisten Gehörlosen Probleme mit dem Textverständnis haben. Bei Arbeitsanweisungen sollten Sie soweit möglich alles visualisieren. Benutzen Sie Bilder und Grafiken, um das Verständnis zu erleichtern. Verwenden Sie wenn möglich keine Fremdwörter, komplexe Begriffe sollten sie aufschreiben.

Da gehörlose und hochgradig hörgeschädigte Mitarbeiter nicht telefonieren können, wird für die externe Kommunikation der Dolmetscherdienst „Tess“ benötigt. Die Kosten hierfür tragen ebenfalls die Integrationsämter. Weitere Kommunikation ist auch möglich über Bildtelefon oder per Mail, SMS und Skype. Wie Kommunikation mit hörbehinderten oder gehörlosen Mitarbeitern gelingt, kann beispielsweise in einem Inhouse-Seminar erlernt werden. Die Teilnehmer erhalten hier Basisinformationen über die Behinderung und erlernen situationsgerechte Umgangsformen und einfache Gebärden. 

Autor/in: Judit Nothdurft, berät Firmen zu den Themen Barrierefreiheit und Inklusion und coacht bundesweit Unternehmen, die Kommunikation mit hörbehinderten und gehörlosen Mitarbeiter zu erlernen. Zudem ist sie Initiatorin und Betreiberin des Service-Portals www.deafservice.de (www.jnc-business.de).
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 02|2013, Seite 28

 
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