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Leoni

Der Mann am heißen Draht

Seit zwölf Jahren leitet Dr. Klaus Probst Europas größten Kabel-Hersteller für die Autobranche. Wenn er Mitte 2015 den CEO-Posten abgibt, soll sich Leoni auf dem Weg zum globalen Zulieferer befinden.

Klaus Probst hat noch viel vor als Vorstandsvorsitzender des Nürnberger Automobilzulieferers Leoni. Obwohl sich der 60-Jährige im Juni 2015 aus dem operativen Geschäft zurückziehen will und bereits im Herbst die Leitung der wichtigsten Unternehmenssparte „Bordnetze“ an das neue Vorstandsmitglied Frank Hiller abgegeben hat, will er die „Strategie 2025“ entscheidend vorantreiben. Zentraler Punkt ist dabei die verstärkte Ausrichtung auf das Automobilgeschäft. Obsolet ist damit die Idee, das Unternehmen auf zwei starken Säulen – dem Automotive- und dem Industriegeschäft – aufzustellen. „In der Lehmann-Krise haben wir eine schmerzhafte Erfahrung gemacht: Eine Krise macht vor keinem Markt Halt“, erklärte Probst die Abkehr von der gleichmäßigen Branchenverteilung.

Angetrieben von der wachsenden Fahrzeugproduktion in Asien, aus der bereits heute rund die Hälfte aller Pkw stammen, glaubt Probst fest an seine ambitionierten Ziele. Schon in zwei Jahren soll ein Konzernumsatz von fünf Mrd. Euro erreicht werden (2013: 3,9 Mrd. Euro), der zu 77 Prozent aus dem Automotive-Geschäft kommen soll. Langfristig wird ein Wert von 80 Prozent angestrebt, der Umsatz soll bis 2025 verdoppelt werden. Im Windschatten der Automobil-Hersteller will sich Leoni dabei weltweit gleichmäßig verteilen. „Die Automobilindustrie ist global aufgestellt. Indem wir unsere Geschäfte regional stärken, können wir Risiken streuen“, erklärte Probst. Bis 2025 soll je ein Umsatzdrittel im amerikanischen, europäischen und asiatischen Markt erwirtschaftet werden. Nötig sind dafür neue Kunden in den Wachstumsregionen wie General Motors, Hyundai, Kia und die chinesischen Hersteller Brilliance und Geely, die über lokale Werke beliefert werden sollen. Dazu eröffnete Leoni 2013 ein Werk in Langfang und legte den Grundstein für ein weiteres in Tieling (beide China). Auch die Verkabelung von neuen Produktgruppen wie Motorräder und Quads soll zu weiterem Wachstum verhelfen. Harley Davidson und Polaris werden bereits von Leoni beliefert.

Noch sind die Nürnberger aber vor allem ein Partner der europäischen Autohersteller. Angekuppelt an Stammkunden wie Mercedes, BMW und der VW-Gruppe sind sie zwar an 80 Produktionsstandorten in 33 Ländern weltweit vertreten, dennoch macht das Geschäft mit dem europäischen Markt mehr als die Hälfte des Umsatzes aus (67 Prozent). Über zwei Drittel der 61 600 Mitarbeiter stellen in Osteuropa und Nordafrika Kabel her. Fraglich bleibt, wie Leoni in Europa wachsen will – immer weniger Autos wurden hier in den letzten Jahren produziert (2012: 19,3 Mio. Einheiten; 2013: 19 Mio.). Selbst Probst erwartet nicht, dass sich „Europa mittelfristig zu einem Wachstumsmarkt entwickelt“.

Fast zwangsläufig erscheint die neue Liebe für das Automobil, betrachtet man die Entwicklung im Industrie-Sektor. Im Gegensatz zur Automobilbranche, wo für elektrische Bedienelemente immer mehr Leoni-Leitungen gebraucht werden, schwächelt die Nachfrage nach Kabeln für Haushaltsgeräte, Kommunikationstechnik und Infrastruktur. Ähnlich verhält es sich im reinen Drahtgeschäft, wo Leoni aufgrund des schwachen Kupferpreises derzeit wenig verdient und seine Bestände abwerten musste. Hoffnung für den Industrie-Sektor macht ein steigender Auftragseingang im zweiten Halbjahr. „Der Boden ist erreicht, leichte Aufwärtstendenzen sind zu spüren“, fasste Probst zusammen.

Unerwartete Kosten

Dass die Verlagerung auf das starke Unternehmensstandbein Automotive eine erhöhte Anstrengung erfordern würde, war von vorneherein klar. Mit Ausgaben für neue Projekte in der Bordnetz-Sparte erreichten die Investitionen im Jahr 2013 eine Rekordmarke von 168 Mio. Euro. „Unerwartet hohe Restrukturierungskosten“ schmälerten zudem den Gewinn auf 105,9 Mio. Euro, sagte Probst. So mussten im Werk in Stollberg bei Aachen rund 100 Stellen abgebaut werden, weil die Nachfrage nach den dort produzierten Ka-
beln für die Petrochemie zurückging. Ein Handelsembargo gegen den Iran verstärkte diese Entwicklung und kostete Leoni „quasi über Nacht 1,5 Mio. Euro“, so Probst. Weniger glimpflich ging es für das Werk im marokkanischen Bouznika aus: Nach „Effizienzproblemen“ wurde der Standort mit rund 2 000 Stellen geschlossen und die Produktion nach Osteuropa verlagert. Insgesamt kosteten Leoni diese Maßnahmen rund 21 Mio. Euro. Ungewiss ist noch, wie teuer die Bodensanierungen auf dem Firmengelände in Roth werden. Das Gelände, auf dem seit mehr als 300 Jahren Kupfer bearbeitet wird, möchte Leoni an die Kommune verkaufen, um am Stadtrand ein modernes Werk zu bauen. Vorsorglich wurden für die Arbeiten 1,5 Mio. Euro zurückgestellt.

Nachfolger gesucht

Wie schon im Vorjahr vermeldete Leoni 2013 wieder einen Umsatzrekord von 3,9 Mrd. Euro. Dieser Wert soll im laufenden Geschäftsjahr nochmals überboten werden, Probst erwartet einen Konzernumsatz von 4,1 Mrd. Euro. Für neue Maschinen und Standorte sieht der Leoni-Chef im Jahr 2014 Investitionen von rund 200 Mio. Euro vor. Auch Akquisitionen von kleineren bis mittelgro-
ßen Firmen in regionalen Märkten seien beabsichtigt, so Probst. Zufrieden zeigte er sich über die Entwicklung der Eigenkapitalquote: Der Zielwert von 35 Prozent wurde 2013 mit 34,5 Prozent schon fast erreicht und soll mit 36 Prozent im Jahr 2014 sogar noch übertroffen werden. Die weltweit verteilte Belegschaft soll um weitere 2 000 Beschäftigte anwachsen. In Deutschland sucht Leoni Fachkräfte für die höheren Ebenen wie Ingenieure und Einkäufer.

"Strategie 2025"

Die „Strategie 2025“ reicht weit in die Zukunft. Sie im Unternehmen zu etablieren und intensiv an ihr mitzuwirken, sieht Probst als seine Aufgabe bis 2015. Den Bereich Bordnetze übergab er bereits zum 1. April an Hiller, der von MAN kam. Wem er seine Vision von Leoni überreichen darf, dazu äußerte sich Probst nicht. Die frühe Ernennung von Hiller zeige, dass sich Leoni schon immer durch eine „vorrausschauende Personalpolitik“ auszeichnete, so der CEO. Probst hatte im Jahr 2002 Ernst Thoma als Vorstandsvorsitzenden abgelöst, der den Posten ein Vierteljahrhundert inne hatte. In Probsts Zeit fallen rund 30 Zukäufe, er verdreieinhalbfachte den Umsatz und die Belegschaft. Mit ihm an der Spitze überstand Leoni die große Branchenkrise von 2009.

Autor/in: 

mh.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 04|2014, Seite 72

 
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