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Wettbewerbsfähigkeit

Wie macht man den Standort stark?

Innovative Industrie in Verbindung mit Dienstleistungen sind das deutsche Erfolgsmodell. Es gilt, diese Basis auszubauen. Von Prof. Dr. Michael Hüther

Deutschland geht es so gut wie lange nicht“, so Kanzlerin Angela Merkel in ihrer Regierungserklärung am 29. Januar 2014. Das stimmt und doch ist es ambivalent: Denn anstatt darauf zu achten, was dazu geführt hat, und was zu tun ist, um dies zu sichern, wird nun der Anreiz spürbar, die Erträge früherer Anstrengungen zu verteilen.

Das Programm der neuen Regierung lässt dies deutlich werden, wenn man den sozialpolitischen Teil betrachtet: Mütterrente, Lebensleistungsrente und abschlagfreie Rente mit 63 Jahren sind die herausragenden Projekte. Weitgehend offen lässt die neue Bundesregierung, wie sie die Wachstumskraft und die Beschäftigungsdynamik der deutschen Volkswirtschaft sichern und weiter stärken will.

Der Hinweis auf die sicher gebotene höhere Finanzierung der Infrastruktur und die Bewältigung der Energiewende sind wohlfeil und selbstverständlich. Eine Standortsicherungspolitik muss sich aber an den Besonderheiten des deutschen Geschäftsmodells orientieren und dessen Herausforderungen ernst nehmen. Deutschland ist derzeit so erfolgreich, weil es aus langer Tradition eine starke Industrie hat, die sich ihre Wettbewerbsvorteile kontinuierlich durch Innovationsanstrengungen und die Verknüpfung mit Dienstleistungen erarbeitet.

Viele Weltmarktführer

Dieser Verbund aus Industrie und Dienstleistern ermöglicht es, kundendifferenzierte Lösungen kosteneffizient zu erbringen. Dadurch entstehen Alleinstellungsmerkmale, die vielfach zu Hidden Champions führen, den oft versteckten Weltmarktführern aus Deutschland. Hinzu kommt, dass sich in Europa die Industrie stark im Zentrum konzentriert.

Nahezu alle bedeutsamen Cluster in den großen Industriebranchen (Maschinenbau und Metallbau, Elektrotechnik und IT, Chemie, Biotechnologie und Pharma, Kraftfahrzeugbau) befinden sich in Deutschland, Österreich, Lothringen, Norditalien, Tschechien und Dänemark. Damit werden die Produktionsnetzwerke durch Wissensnetzwerke, Vorleistungsnetzwerke und einen gemeinsamen Arbeitsmarkt stabilisiert.

Industrie 4.0

Der Erfolg der deutschen Industrie hängt an dieser Vernetzung und damit an der Vollständigkeit der Wertschöpfungsketten. Das begründet auch die Perspektive auf die nächste Entwicklungsstufe, die sich mit dem Stichwort Industrie 4.0 verbindet. Während die bisher ausgeprägte Verbundwertschöpfung die kundenspezifische Leistung erbringt, steht Industrie 4.0 für ein informationsbasiertes Zusammenwachsen von Herstellern und Kunden bei der Entwicklung und Konfektionierung der benötigten Leistung. Eine Studie des MIT Boston aus dem Jahr 2013 bestätigt, dass die deutsche Industrie auf diesem Feld gute Chancen hat. Aber dies erfordert von den Unternehmen eine große Flexibilität.

Die Basis für diese Flexibilität haben die Tarifvertragsparteien in den letzten Jahren weitgehend geschaffen. Der Gesetzgeber hat im Rahmen der Agenda 2010 seinen Beitrag dazu durch die Neuregelung der Zeitarbeit geleistet. Das wird jedoch nun durch neue Regelungen teilweise wieder zurückgedreht, z.B. durch Höchstverweildauern für die Zeitarbeit.

Es muss nun wieder auf die Flexibilität des Arbeitsmarktes geachtet werden. Entscheidend für die Sicherung der Wertschöpfungskette ist auch ein neuer Ansatz in der Energiepolitik, denn schon seit dem Jahr 2000 erhalten die energieintensiven Branchen ihren Kapitalstock nicht mehr. Das bedroht über die Netzwerke auch die anderen Branchen.

Schließlich muss die Innovationskraft durch ein gutes Bildungssystem unterstützt werden, das die berufliche und akademische Bildung gleichermaßen in den Blick nimmt. Bedeutsam ist schließlich die Fachkräftesicherung durch ein klares Bekenntnis dazu, dass Deutschland ein Zuwanderungsland ist. Wir stehen im Wettbewerb mit vielen dynamischen Regionen der Welt. Menschen, die heute zu uns kommen und integriert werden, bilden künftig den Anker für weitere Zuwanderung. Deswegen müssen wir heute jeder billigen Polemik gegen Zuwanderung entgegentreten. Auch das ist langfristige Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Standorts.

Autor/in: Prof. Dr. Michael Hüther, ist Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (www.iwkoeln.de).
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 04|2014, Seite 26

 
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