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Der stationäre Handel muss online gehen, wenn er keine Kunden verlieren will. Wie kann er im Netz punkten?

Heute muss jeder Händler einen Internet-Auftritt haben und seine wichtigsten Produkte auch online anbieten: Davon ist Wolf Maser, Vorsitzender des IHK-Handelsausschusses, überzeugt. Mit den Referenten der IHK-Veranstaltung „Erfolgreicher Online-Handel“ war er sich einig, dass die digitale Visitenkarte und die virtuellen Shops bei vielen Ladenbesitzern noch professioneller werden müssten.

Wie dies in der Praxis gelingen kann, dabei beraten beispielsweise die E-Business-Lotsen, die zum deutschlandweiten „E-Kompetenz-Netzwerk für Unternehmen“ des Bundeswirtschaftsministeriums gehören. Insgesamt gibt es 40 Büros mit regionalen E-Business-Lotsen, die ratsuchende Unternehmen auf Feldern wie E-Commerce, Bezahlsysteme, Mobile Business, Cloud Computing und IT-Sicherheit begleiten. Einer von ihnen ist Stefan Weinfurtner, der von Regensburg aus Betriebe in Ostbayern betreut. Sein klarer Appell an die Einzelhändler: „Wer nichts tut, der schmälert seinen Umsatz.“

Der Online-Experte schränkt allerdings ein, dass die teilweise zweistelligen Wachstumsraten beim Einkauf per Mausklick nicht gleich über alle Produktbereiche verteilt sind. Bei Büchern sowie bei Bild- und Tonträgern beträgt der Anteil der online gekauften Produkte schon ein Drittel, weitere Erfolgssortimente im E-Commerce sind Computer und Elektronik sowie Spielwaren, Bekleidung und Schuhe. Was in Deutschland derzeit nicht funktioniere, sei dagegen das Online-Geschäft mit Lebensmitteln, so Weinfurtner.

Weinfurtner illustriert die „massiven Verwerfungen im Einzelhandel“ anhand der drei vorherrschenden Konsumententypen: Noch dominiert der traditionelle Handelskäufer, der den Einkauf im Laden vorzieht. Ein Drittel der Kunden sind selektive Online-Shopper, die je nach Produkt stationär oder digital einkaufen. Über zehn Prozent der Kunden gelten als begeisterte Online-Einkäufer, bei denen das Internet als Einkaufskanal an erster Stelle steht. Wenn man aber die Gruppe der unter 30-Jährigen betrachtet, zeigt sich bereits ein völlig anders Bild: Nicht einmal ein Viertel von ihnen zählt noch zu den „traditionellen“ Konsumenten, der Anteil der begeisterten Online-Shopper liegt in dieser Zielgruppe bereits bei 20 Prozent. Das zeigt nach Worten Weinfurtners, dass der Kunde, der ständig online nach Produkten sucht („connected customer“), Realität wird.

Schritte zum Online-Shop

Auf der IHK-Fachveranstaltung stellte Weinfurtner die einzelnen Schritte zum eigenen Shop vor: Das Wichtigste sei die Konzeption und die Auswahl geeigneter Produkte. Als Einstieg könne bei manchen eine Beteiligung auf Amazon oder anderen Handelsplattformen sinnvoll sein, um über die Akzeptanz der angebotenen Produkte und über das Käuferverhalten zu lernen. Bevor man sich für die Nutzung solcher Marktplätze entscheidet, muss man sich genau über deren Verbreitung, Nutzungsgrad und Zielgruppe sowie über die Nutzungsgebühren informieren. Für alle Online-Händler ist auch die Suchmaschinenoptimierung ein wichtiges Thema (z.B. Auswahl geeigneter Suchbegriffe, über die man von potenziellen Kunden bei Google und anderen Suchmaschinen gut gefunden wird). Umfangreich sind die rechtlichen Regelungen für den Online-Handel, in die sich die Verkäufer einarbeiten müssen (z.B. Impressumpflicht, Allgemeine Geschäftsbedingungen, Widerrufsrecht). Je nachdem, ob regionale, nationale oder internationale Märkte angepeilt werden, gelten auch unterschiedliche Vorschriften. Geklärt werden muss nicht zuletzt, ob der Hersteller der Produkte deren Vertrieb per Internet überhaupt erlaubt.

Für einen gewinnbringenden Online-Vertrieb ist nicht nur entscheidend, dass mögliche Kunden auf das Angebot stoßen und es attraktiv finden, sondern es muss auch die interne Organisation stimmen. Sonst wächst einem der tägliche Betrieb schnell über den Kopf, wenn das Geschäft gut anläuft. Die Abläufe in Vertrieb, Marketing, Lager, Logistik und Buchhaltung müssen also optimal verzahnt sein und reibungslos laufen. „Prozesse im Hintergrund sind der Hauptkostentreiber“, weiß E-Business-Lotse Stefan Weinfurtner aus seiner Beratungstätigkeit.

Anspruchsvoll ist auch die richtige Auswahl des geeigneten Shop-Modells: Soll es eine maßgeschneiderte Software-Lösung sein, eine Kauf- oder eine Miet-Lösung oder ein Open-Source-System? Open Source-Lösungen (z.B. Joomla, Tpyo3) sind teils kostenlos erhältlich und bieten sehr große Anpassungsmöglichkeiten, sie setzen aber in der Regel einiges an technischem Know-how voraus. Welche Systeme (z.B. Bezahlung, Logistik oder Kundenmanagement) müssen daran angebunden sein? Soll die Lösung gemietet oder gekauft werden? Ist sie ausreichend skalierbar (erweiterbar), wenn die Verkäufe über den Online-Shop zunehmen? Die Realisierung kann über einen Technologiepartner oder eine spezialisierte Agentur stattfinden, die idealerweise in der Nähe ansässig ist.

Aus der Praxis berichtete Franziska Frosch, Geschäftsführerin der Nürnberger Frogs at work GmbH, die im Jahr 2010 den Online-Shop pflasterkoffer.de eröffnete. Ihre Idee ist ein kombinierbares Taschensystem, in dem Medikamente und Pflaster einzelner Familienmitglieder Platz finden. Sie schätzte ihre Zielgruppe in diesem Nischenmarkt positiv ein, fand den Shop günstiger als ein eigenes Ladengeschäft und baute auf räumliche Flexibilität, falls sie einmal umziehen würde.

Die konkrete Konzeption im Vorfeld bezeichnete sie als anspruchsvolles Unterfangen, bei dem „viele Zahlen und Stellschrauben“ zu beachten seien. Der Anfang sei aufwändiger und kostenintensiver gewesen als gedacht, „aber durchaus machbar“. Nicht zu unterschätzen sei der erhebliche Aufwand für die Anpassung des Shop-Systems an die eigenen Bedürfnisse und Produkte – das beginne schon mit den manchmal nicht zufriedenstellenden Instrumenten, um Bilder ansprechend in das System einzustellen. Am Anfang könne man zwar noch viel händisch per Maus nachjustieren, aber dann gehe es nicht ohne Automatisierung, weil jeder Klick Zeit koste. Es lohne sich auf jeden Fall, die Demoversionen einzelner Shops genau zu prüfen, bevor man sich für ein System entscheidet.

Gute Erfahrungen hat Franziska Frosch mit einem eigenen Blog gemacht, um mit Produkt- und Serviceinfos das Interesse der Kunden wachzuhalten. Außerdem hält sie große Stücke auf das sogenannte Tracking, bei dem ausgewertet werden kann, woher ein Kunde aus dem digitalen Netz kommt, was er im Shop anklickt und wohin er geht. Es lohne sich, dafür Geld auszugeben, weil man durch solche Instrumente wichtige Informationen über das Kundenverhalten erhält.

Bei der IHK-Veranstaltung wurde auch der sogenannte Beratungsklau angesprochen (Kunde informiert sich beim Fachmann im Geschäft, kauft aber dann im Internet). Die Experten empfahlen den Händlern dennoch, auf jeden Fall die Beratung groß zu schreiben. Denn viele Kunden gehen den umgekehrten Weg: Sie informieren sich und vergleichen Produkte im Internet. Anschließend gehen sie in das Geschäft, suchen gut informiert das Gespräch mit dem Verkaufspersonal und kaufen schließlich auch im Laden ein. Ein weiterer Aspekt der neuen digitalen Handelswelt: Der Online-Vertrieb mischt nicht nur den Einzelhandel auf, sondern macht häufig auch die Grenzen zwischen Groß- und Einzelhändler fließend. So hat beispielweise Großhändler Wolf Maser zusätzlich zu den Unternehmenskunden die Heimwerker als neue Zielgruppe erschlossen.

Autor/in: 

tt.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 06|2015, Seite 40

 
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