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Erreichbarkeit in der Freizeit

Smartphone aus?

Erreichbarkeit Familie Mitarbeiter Freizeit © Yuri Arcurs -Thinkstock

Dürfen Arbeitgeber verlangen, dass die Mitarbeiter in ihrer Freizeit E-Mails abrufen und telefonisch erreichbar sind? Von Sandra Voigt

Durch Laptop, Tablet oder Smartphone sind viele Beschäftigte nicht mehr an einen festen Arbeitsplatz gebunden. Grundsätzlich können sie unabhängig von Ort und Zeit arbeiten und sind in technischer Hinsicht immer erreichbar, weshalb flexible Arbeitszeitmodelle an Bedeutung gewinnen. Die Kehrseite: Viele Angestellte halten die permanente Anspannung nicht aus, sie zeigen Stresssymptome oder bekommen sogar einen Burn-out. Es stellt sich daher die Frage, ob der Chef von seinen Mitarbeitern tatsächlich verlangen darf, dass sie ständig erreichbar sind.

Geregelt ist der Anspruch der Beschäftigten auf Freizeit und Erholung im Arbeitszeitgesetz (ArbZG). Danach sind grundsätzlich etwa die maximale werktägliche Arbeitszeit von acht Stunden und das sonn- und feiertägliche Beschäftigungsverbot zu beachten. Außerdem ist der Arbeitgeber laut § 16 II ArbZG verpflichtet, die Arbeitszeiten aufzuzeichnen. Anderenfalls begeht er eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer Geldbuße von bis zu 15 000 Euro geahndet werden kann.

Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft

Grundsätzlich zu unterscheiden sind Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft: Der Bereitschaftsdienst gehört zur Arbeitszeit. Der Beschäftigte ist – etwa aufgrund eines Arbeitsvertrags – dazu verpflichtet, sich außerhalb der regulären Arbeitszeit an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort innerhalb oder außerhalb des Betriebs aufzuhalten und auf Abruf anfallende Aufgaben zu erledigen. Vergüten muss der Arbeitgeber sowohl die Wartezeit als auch die Tätigkeiten, die vom Arbeitnehmer erledigt werden.

Demgegenüber gehört die Rufbereitschaft zur Freizeit – obwohl der Beschäftigte auch hier jederzeit für den Chef erreichbar sein muss, um bei Bedarf tätig zu werden. Der Unterschied zum Bereitschaftsdienst ist jedoch, dass der Mitarbeiter seine arbeitsfreie Zeit frei einteilen kann und entscheiden darf, wo und wie er auf einen Anruf des Chefs „wartet“, z.B. während eines Kinobesuchs oder eines Familienausflugs. Trotz Rufbereitschaft ist eine Erholung also durchaus möglich, sodass sie nicht der Arbeitszeit zugerechnet wird. Allerdings muss die Freizeit so gestaltet werden, dass etwaige Arbeiten auch erledigt werden können; unter Umständen kann also z.B. Alkoholgenuss während der Wartezeit vertraglich verboten werden. Die Zeit, in der ein Angestellter auf Abruf tatsächlich für seinen Chef tätig wird, ist als Arbeitszeit zu vergüten.

Arbeit in der Freizeit

Viele Beschäftigte werden mit einem Dienst-Handy oder einem Laptop ausgestattet, damit sie von unterwegs, aber z.B. auch am Feierabend oder am Wochenende dienstliche E-Mails lesen, beruflich veranlasste Anrufe entgegennehmen oder gar längere Telefonkonferenzen führen können. Hat der Chef diese Arbeiten – z.B. aufgrund eines Arbeits- oder Tarifvertrages – wirksam angeordnet, muss der Arbeitnehmer auch in seiner Freizeit die ihm übertragenen Aufgaben erledigen. Das tatsächliche Tätigwerden muss der Arbeitgeber – analog zu den Regelungen der Rufbereitschaft – wiederum entlohnen. Dagegen ist z.B. die bloße Mitnahme des Dienst-Handys, das ohnehin oft auch privat genutzt werden darf, nicht als Arbeitszeit anzusehen.

Ebenfalls problematisch ist das freiwillige Tätigwerden des Angestellten. Ob der Arbeitgeber die Arbeitszeit dann vergüten muss bzw. ob das ArbZG überhaupt gilt, ist höchstrichterlich noch ungeklärt. Es liegt jedoch nahe, dass der Chef zumindest dann zu einer Vergütung verpflichtet ist, wenn er von der Arbeit während der Freizeit weiß und sie duldet. Dann sollte er auch die Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes beachten. Allerdings muss der Beschäftigte auch beweisen können, dass der Chef von den Arbeiten in seiner Freizeit wusste.

Arbeiten während des Urlaubs?

Hat der Arbeitgeber seinem Angestellten Urlaub genehmigt, ist er an diese Erklärung gebunden – er darf seinem Beschäftigten dann nicht einfach Arbeiten aufbürden. Das gilt zumindest für den gesetzlichen Mindesturlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz (BUrlG). Bei einer Fünftagewoche hat der Beschäftigte somit Anspruch auf 20 Urlaubstage, an denen ihn der Chef nicht zur Arbeit heranziehen darf und die der Erholung des Beschäftigten dienen müssen. Urlaubstage, an denen der Chef Arbeiten verlangt, wird er seinem Angestellten daher unter Umständen neu gewähren müssen.

Vertragliche Regelungen zur Erreichbarkeit

Die Erreichbarkeit von Beschäftigten in ihrer Freizeit ist mit vielen rechtlichen Problemen behaftet. Klare Absprachen – etwa in einer Betriebsvereinbarung, einem Tarifvertrag oder Arbeitsvertrag – sind daher auch für eine angemessene Vereinbarkeit zwischen Privat- und Arbeitsleben (sogenannte Work-Life-Balance) unerlässlich.

So können nämlich bereits kürzere Tätigkeiten (z.B. das Lesen von E-Mails oder die Entgegennahme von Anrufen) zur Ansammlung von Überstunden und zu einem Verstoß gegen das ArbZG führen. Es muss daher u.a. ausdrücklich geregelt werden, wann welche Tätigkeit als Arbeitszeit nach § 2 I ArbZG gilt und wie bzw. ob die angesammelten Überstunden zu vergüten sind. Außerdem bietet sich eine sogenannte „Bring Your Own Device“-Nutzungsanordnung an, wenn der Arbeitnehmer sein privates Handy für berufliche Zwecke nutzt. Schließlich muss der Arbeitgeber sicherstellen können, dass die Vorschriften des ArbZG eingehalten werden. Notfalls muss er die Freizeitarbeit untersagen.

Was die Erreichbarkeit im Urlaub angeht, sollte in der betreffenden Regelung ausdrücklich zwischen dem gesetzlichen Mindesturlaub und dem weiteren, vom Arbeitgeber freiwillig gewährten Urlaub unterschieden werden. Denn während die Inanspruchnahme eines Beschäftigten während des Mindesturlaubs tabu ist, darf der Chef eine Erreichbarkeit während des zusätzlich gewährten Urlaubs durchaus anordnen. Stellen die Klauseln Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) dar, müssen sie ferner der AGB-Kontrolle (gemäß §§ 305 ff. Bürgerliches Gesetzbuch) standhalten.

Grundsätzlich ist zu beachten: Sollte im Unternehmen ein Betriebsrat bestehen, stehen diesem umfassende Beteiligungsrechte zu. So hat er etwa nach § 87 I Nr. 2 Betriebsverfassungsgesetz ein Mitbestimmungsrecht, wenn der Arbeitgeber Beginn und Ende der Arbeitszeit sowie bestimmte Zeiten der Erreichbarkeit festlegen möchte.

Autor/in: 

Assessorin Sandra Voigt ist Redakteurin bei www.anwalt.de, dem Anwaltsverzeichnis und Rechtsinformationsportal aus Nürnberg (redaktion@anwalt.de).

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 06|2015, Seite 32

 
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