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Flüchtlinge

Wer darf arbeiten?

Flüchtling Arbeit Bauarbeiter © Peter Atkins - Fotolia

Flüchtlinge wollen und dürfen in Deutschland ihre Arbeitskraft einbringen. Was ist bei deren Beschäftigung zu beachten?

Wie stellen sich Flüchtlinge ihre Zukunft vor? Was ist ihnen wichtig und was wünschen sie sich? Viele wollen vor allem eines: hier ankommen und Teil der Gesellschaft sein. Dazu gehört auch, die eigene Fähigkeiten und die Arbeitskraft einzubringen. Auf der anderen Seite wird in vielen Branchen dringend gut ausgebildetes Personal gesucht. Einige Unternehmen sind daher schon aktiv geworden und werben hochqualifizierte Fachkräfte auch aus dem Ausland an.

Die Beschäftigung von Flüchtlingen, die schon im Land sind, bietet jetzt noch weitere Chancen, dem Fachkräftemangel zu begegnen. Viele Geflüchtete bringen berufliche und soziale Kompetenzen sowie Erfahrungen aus ihren Herkunftsländern mit. Dazu gehören schulische und berufliche Bildungsabschlüsse, Arbeitserfahrung sowie Mehrsprachigkeit, Flexibilität und interkulturelle Erfahrung. Doch was ist zu beachten, wenn man Flüchtlinge im eigenen Betrieb einstellen möchte?

Deutschland hat sich zum Ziel gesetzt, dass Personen, die hierher kommen, auch eine Beschäftigung aufnehmen dürfen. Für einzelne Gruppen ist dies bereits uneingeschränkt möglich. Das gilt z.B. für anerkannte Flüchtlinge mit Aufenthaltserlaubnis, über deren Asylantrag positiv entschieden wurde und die eine Aufenthaltserlaubnis aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen erhalten haben. Bei ihnen müssen die Betriebe keine Besonderheiten beachten.

Wer Asylsuchende mit einer Aufenthaltsgestattung (Menschen, deren Asylverfahren noch nicht abgeschlossen ist) und geduldete Personen (Asylantrag wurde abgelehnt, können aber nicht abgeschoben werden) einstellen möchte, muss dagegen eine Reihe von Punkten berücksichtigen:         

  • Ab dem vierten Monat des Aufenthalts in Deutschland kann die Ausländerbehörde eine Arbeitserlaubnis erteilen. Für die konkrete Beschäftigung muss eine Erlaubnis beantragt werden, die jedoch auch einer Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit (BA) bedarf.
  • Die BA prüft zunächst, ob die Arbeitsbedingungen nicht ungünstiger sind als für inländische Arbeitnehmer. Außerdem findet in der Regel eine sogenannte Vorrangprüfung statt. Hier wird geprüft, ob die Stelle nicht durch einen Deutschen, EU-Staatsbürger oder anderen ausländischen Staatsbürger mit einem dauerhaften Aufenthaltsstatus besetzt werden kann.
  • Diese Vorrangprüfung entfällt, sobald Asylsuchende und Geduldete länger als 15 Monate ununterbrochen in Deutschland sind. Nach vier Jahren Aufenthalt muss die Ausländerbehörde die BA nicht mehr an der Entscheidung beteiligen.
  • Die Vorrangprüfung entfällt schon nach drei Monaten bei Personen, die die Voraussetzungen für eine „Blaue Karte EU“ haben. Dies gilt für Hochschulabsolventen und Fachkräfte, die eine anerkannte Ausbildung in einem Engpassberuf haben.
  • In der Zeitarbeitsbranche können Asylsuchende und Geduldete in der Regel erst nach vierjährigem Aufenthalt beschäftigt werden. Durch das geplante Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz soll es bereits früher möglich sein, Asylbewerber, die noch nicht über einen unbeschränkten Arbeitsmarktzugang verfügen, als Leiharbeitnehmer einzustellen.

Berufsausbildung

Eine Berufsausbildung dürfen Asylsuchende nach Ablauf von drei Monaten, die sie sich in Deutschland befinden, beginnen. Für den konkreten Ausbildungsplatz muss bei der Ausländerbehörde eine Beschäftigungserlaubnis beantragt werden. Entsprechend den am 1. August 2015 in Kraft getretenen gesetzlichen Änderungen, kann die Behörde die Duldung für die Aufnahme der qualifizierten Berufsausbildung zunächst für ein Jahr erteilen. Wenn in einem angemessenen Zeitraum mit einem Abschluss zu rechnen ist, wird die Duldung um jeweils ein Jahr verlängert. Diese Regeln gelten jedoch nur für Personen, die ihre qualifizierte Berufsausbildung vor dem 21. Lebensjahr aufnehmen und die nicht aus einem sicheren Herkunftsstaat stammen. Nach erfolgreichem Abschluss der Berufsausbildung können Geduldete eine befristete Aufenthaltserlaubnis erhalten, sofern sie eine ihrem Abschluss entsprechende und für ihren Lebensunterhalt ausreichend bezahlte Stelle finden.

Praktikum

Mit der Änderung der Beschäftigungsverordnung ist es nun möglich, Asylbewerbern und Geduldeten mindestlohnfreie Praktika anzubieten, für die keine Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit nötig ist. Somit kann die Arbeitserlaubnis leichter erteilt werden. Die Regelung gilt für:

  • Pflichtpraktika
  • Orientierungspraktika von einer Dauer bis zu drei Monaten, die Voraussetzung für ein Studium oder eine Ausbildung sind
  • ausbildungs- bzw. studienbegleitende Praktika mit einer Dauer von bis zu drei Monaten
  • Einstiegsqualifizierungen oder Maßnahmen der Berufsausbildungsvorbereitung

Ab dem Moment, in dem Personen eine Beschäftigung aufnehmen, sind sie sozialversicherungspflichtig. Das gilt auch für Flüchtlinge. Arbeitgeber müssen für sie also die gesetzlich festgeschriebenen Anteile an den Sozialversicherungsbeiträgen abführen. Da Flüchtlinge in Deutschland vom Grundsatz her zunächst nicht gesetzlich krankenversichert sind, gelten Sonderregelungen bei der Beschäftigung in Form eines Minijobs. Hier ist es wichtig, zu wissen, dass Pauschalbeiträge zur Krankenversicherung nicht zu entrichten sind. Eine versicherungsfreie kurzfristige Beschäftigung ist nicht möglich, da geflüchtete Menschen immer als berufsmäßig beschäftigt gelten.

Damit Zuwanderern der Einstieg in ihr neues Leben in Deutschland möglichst leicht fällt und sie sich schnell und kompetent über alle Fragen rund um die Themen Beschäftigung und Sozialversicherung informieren können, hat die AOK eine Internet-Seite erstellt: Unter www.healthinsurance-germany.com stellt die Gesundheitskasse in zehn verschiedenen Sprachen das deutsche Gesundheitssystem vor – mit Tipps und Anregungen aus der täglichen Praxis.

Autor/in: 

Norbert Kettlitz ist AOK-Direktor in Mittelfranken.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 11|2015, Seite 25

 
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