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IHK Kammergespräch

China baut seine Wirtschaft um

Botschafter Shi Mingde bei seinem Vortrag im Historischen Rathaussaal.

Vor Protektionismus und Investitionsbeschränkungen warnte Chinas Botschafter Shi Mingde beim IHK Kammergespräch.

Statt Türen zu schließen, sollte man besser den Horizont erweitern.“ Diesen Appell richtete Shi Mingde, seit 2012 Botschafter der Volksrepublik China in Deutschland, an die Zuhörer des 154. Kammergesprächs der IHK Nürnberg für Mittelfranken. Der Diplomat hatte seinen Vortrag mit dem Titel „Die Entwicklung Chinas und die deutsch-chinesischen Beziehungen“ überschrieben. Der Zeitpunkt seines Besuchs hätte nicht besser gewählt sein können, denn in den letzten Wochen haben Begriffe wie „Irritationen“, „Verstimmung“ oder „Spannungen“ die Berichterstattung über die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und China geprägt. Vor allem der Gegenwind, den Investoren aus dem Reich der Mitte bei geplanten Übernahmen von deutschen Hightech-Unternehmen spüren, hat für Turbulenzen im bilateralen Wirtschaftsklima gesorgt.

Shi gilt als ausgewiesener Kenner der deutsch-chinesischen Beziehungen: Im Jahr 1972 kam er als 18-Jähriger nach Ostberlin, um an seinen Deutschkenntnissen zu feilen. 1976 begann er seine Diplomatenlaufbahn an Chinas Botschaft in der DDR, später wurde er nach Bonn versetzt, nach der Wiedervereinigung erneut nach Berlin. Als Shi im August 2012 sein Amt als chinesischer Botschafter in Deutschland antrat, schrieb „Die Welt“: „China schickt seinen besten Mann nach Deutschland.“ IHK-Präsident Dirk von Vopelius freute sich deshalb besonders, dass die IHK diesen hochkarätigen Diplomaten als Referenten nach Nürnberg holen konnte, und betonte in seiner Begrüßung den Stellenwert des Dialogs: „Heute Abend wollen wir nicht übereinander, sondern miteinander sprechen.“

Für 2016 liegen die Wachstumsprognosen für China bei 6,5 Prozent, für 2017 bei 6,2 Prozent. Von einem „Abwärtstrend“ der chinesischen Wirtschaft könne trotzdem nicht die Rede sein, stellte Shi klar. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist China nach den USA die zweitstärkste Wirtschaftsmacht der Welt. 1994 belief sich Chinas Anteil an der globalen Wirtschaftsleistung auf zwei Prozent, 2014 auf über 13 Prozent. Im selben Zeitraum ist das Pro-Kopf-Einkommen von 472 US-Dollar auf 7 587 US-Dollar gestiegen. „Unsere ökonomische Entwicklung ist eine Erfolgsgeschichte“, unterstrich der Botschafter.

Diese Erfolgsgeschichte will die chinesische Führung fortschreiben, allerdings mit neuen Akzenten: Die Ära der zweistelligen BIP-Zuwachsraten sei zu Ende, stellte Botschafter Shi fest. Nun wolle China auf ein Wachstum setzen, das nicht vorrangig von den Anlageinvestitionen und vom Export getrieben wird, sondern von der Dienstleistungsbranche, dem Binnenkonsum und Innovationen. Diese Transformation stelle sein Land vor große Herausforderungen, betonte Shi. Außerdem gelte es, die Probleme anzugehen, die sich als „Schattenseiten des Wohlstands“ zeigen: zunehmende soziale Ungleichheit, Korruption und Umweltschäden. „Dies zwingt uns zum Handeln“, so der Botschafter. Die chinesische Regierung wolle den Ausstoß an Treibhausgasen reduzieren und den Anteil der erneuerbaren Energien am Energiemix deutlich erhöhen. Bis 2020 sollen zwei Mio. Elektrofahrzeuge auf Chinas Straßen unterwegs sein.

Mit der Strategie „Made in China 2025“ hat Chinas Staatsführung 2015 einen Fahrplan für die Modernisierung der Wirtschaft verabschiedet. Im Zentrum stehen Automatisierung und Digitalisierung der Industrie, Stichwort Industrie 4.0. Auf diesem Feld sowie bei den Themen Energie und Ressourceneffizienz sieht China die deutsche Wirtschaft als wichtigen Partner. Der Botschafter sprach von einer „Win-win-Situation“: Deutschland habe industrielle Hightech-Produkte, China einen riesigen Markt.

Know-how aus Franken gefragt

Besonders auch die mittelfränkische Wirtschaft mit ihren Stärken auf den Feldern intelligente Mobilität, vernetzte Produktion, nachhaltige Energiesysteme und digitale Gesundheitswirtschaft könne auf dem chinesischen Markt punkten, so der Botschafter. Aktuell sind in Mittelfranken 565 Firmen im China-Geschäft aktiv, davon haben 230 dauerhafte Engagements wie Vertretungen, Niederlassungen, Produktionsstätten oder Joint-Ventures. Impulse für die Kooperation zwischen der regionalen Wirtschaft und China hat auch die Partnerschaft zwischen Nürnberg und Shenzhen gesetzt, die 2017 ihr 20-jähriges Bestehen feiern kann. In der südchinesischen Metropole ist auch der Stammsitz des Unterhaltungselektronik-Konzerns Skyworth, der nach der Insolvenz des Zirndorfer Traditionsunternehmens Metz die TV-Sparte übernommen hat.

Bei seiner Rede im Historischen Rathaussaal ließ der Botschafter die Besorgnis durchklingen, dass sich der Protektionismus im Aufwind befinde. Davor warnte der Diplomat: „Deutschland und China leben als Exportnationen beide vom liberalen Handel.“ Das bilaterale Handelsvolumen lag 2015 bei knapp 163 Mrd. Euro. China ist Deutschlands wichtigster Handelspartner in Asien: In der Außenhandelsstatistik belegt die Volksrepublik Rang 1 bei den Importen nach Deutschland und Rang 5 unter den Zielländern deutscher Exporte.

Beim heiß diskutierten Thema Investitionen und Übernahmen durch chinesische Unternehmen in Deutschland riet Shi dazu, „Fakten anzuschauen, nicht nur Schlagzeilen“. Chinesische Unternehmen hielten 2014 einen Anteil von 0,3 Prozent der ausländischen Direktinvestitionen in Deutschland. Das Volumen der chinesischen Auslandsinvestitionen betrage derzeit weltweit 1,1 Bio. US-Dollar, die Investitionen in Deutschland beliefen sich jedoch nur auf acht Mrd. US-Dollar, rechnete der Botschafter vor. Angesichts dieser Zahlen stelle sich die Frage, weshalb Firmenübernahmen durch chinesische Partner derart kritisch gesehen werden, obwohl ihr Anteil im Vergleich zu Investitionen und Übernahmen durch Akteure aus den USA und Europa gering sei.

Shi ging auch auf die Bedingungen für ausländische Unternehmen in China ein. Er räumte ein, dass das Investitionsklima in China noch nicht optimal sei. Aber es gebe bereits Verbesserungen, z. B. einen vereinfachten Rechtsrahmen für ausländische Investitionen: „Wir sind lernwillig und bereit, mit deutschen Partnern über Probleme und Mängel zu sprechen.“

Shi plädierte im Kammergespräch dafür, die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und China weiterzuentwickeln und neue Felder der Zusammenarbeit zu erschließen. Dabei nannte er die Initiative „Neue Seidenstraße“, auch bekannt als „One-Belt-One-Road“. Sie soll sowohl als Landweg von China über Zentralasien und die Türkei nach Europa als auch über eine maritime Route 60 Staaten enger miteinander verbinden. In einem 2014 aufgelegten „Seidenstraßenfonds“ hat China 40 Mrd. US-Dollar bereitgestellt, die in Infrastrukturprojekte wie Straßen, Eisenbahnstrecken, Pipelines und Häfen fließen sollen.

Autor/in: 

aw.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 12|2016, Seite 26

 
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