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Körperschaftsteuer

Den Verlust nicht verlieren

Geldregen, Auffangen © Fotolia.com/vege

Wenn neue Gesellschafter in ein Unternehmen einsteigen, können Verluste oft nicht mehr steuerlich geltend gemacht werden. Ein Gesetzentwurf soll Abhilfe schaffen.

Wenn bei einem Unternehmen ein Gesellschafterwechsel vollzogen wird, hat das nach aktuellem Recht häufig unangenehme Folgen: Je nach Umfang des Beteiligungstransfers innerhalb einer gewissen Zeitspanne können die steuerlichen Verluste der Gesellschaft nicht mehr oder nur noch teilweise genutzt werden. Dieser sogenannte „Verlustuntergang“ kostet jedoch bares Geld, denn die Verrechnung von Verlusten mit späteren Gewinnen kann zu einer erheblichen Steuereinsparung führen. In der Praxis ist dies gerade für junge Unternehmen von Bedeutung.

Derzeit gilt noch Folgendes: Wenn innerhalb von fünf Jahren zwischen 25 und 50 Prozent der Anteile an einer Körperschaft (z. B. einer GmbH oder einer AG) an einen Erwerber übertragen werden, kann grundsätzlich nur ein Teil der Verluste steuerlich geltend gemacht werden. Wenn mehr als die Hälfte der Anteile innerhalb von fünf Jahren auf einen Erwerber übergeht, droht sogar ein vollständiger „Untergang“ der Verluste. Dies gilt auch für sogenannte mittelbare Übertragungen: So kann beispielsweise eine Tochtergesellschaft einen Verlustuntergang erleiden, wenn die Anteile an ihrer Muttergesellschaft veräußert werden.

Dies will die Bundesregierung nun mit einem Gesetzentwurf ändern, den sie am 17. Oktober 2016 vorgelegt hat. Der „Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der steuerlichen Verlustverrechnung bei Körperschaften“ (Regierungsentwurf) sieht die Einfügung eines neuen § 8d in das Körperschaftsteuergesetz (KStG) vor. Durch diese neue Norm sollen die bisherigen Beschränkungen bei der Verwendung von steuerlichen Verlustvorträgen einer Körperschaft nach einem Gesellschafterwechsel entschärft werden. Die wichtigste Neuerung: Bestehende Verluste bei einem Gesellschafterwechsel sollen künftig nur noch dann entfallen, wenn eine Änderung des Geschäftsbetriebs eintritt.

Vorteile für Wagniskapitalgeber

Bislang lässt das Finanzamt Ausnahmen vom Verlustuntergang nur für bestimmte Übertragungen innerhalb eines Konzerns zu. Ausnahmen macht es auch in Fällen, in denen der Unternehmenswert das steuerliche Buchkapital übersteigt (sogenannte Stille Reserven-Klausel). Dadurch sind jedoch vor allem Start-up-Unternehmen benachteiligt, die in den ersten Geschäftsjahren aufgrund hoher Ausgaben und oft nur geringer Erträge steuerliche Verluste anhäufen, ohne gleichzeitig über nennenswerte stille Reserven zu verfügen. Viele dieser jungen Gesellschaften sind bei der Unternehmensfinanzierung darauf angewiesen, dass sie Investoren aufnehmen können, indem sie diesen Gesellschaftsanteile gewähren. Durch die derzeitige, sehr restriktive Regelung, die auch bei Verfassungsrechtlern umstritten ist, gehen dabei jedoch in der Regel die bis dahin angefallenen steuerlichen Verluste ganz oder zum Teil unter. Auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) hat mehrfach auf diese Problematik hingewiesen. Der Gesetzgeber hat dieses Problem erkannt und versucht nun bei einem Wechsel von mehr als einem Viertel der Gesellschaftsanteile an einen Erwerber innerhalb von fünf Jahren, die Verluste weiterhin steuerlich nutzbar zu machen. Die geplante Neuerung soll bereits für Anteilserwerbe nach dem 31. Dezember 2015 gelten, d. h. rückwirkend in Kraft treten.

Um von der steuerlichen Verbesserung profitieren zu können, nennt der neue § 8d KStG eine wichtige Voraussetzung: Die Körperschaft muss mindestens drei Jahre (bzw. seit ihrer Gründung) vor dem Gesellschafterwechsel sowie die Zeit danach, bis der Verlust verbraucht ist, ausschließlich denselben Geschäftsbetrieb unterhalten. Bei der Beurteilung, ob dies gegeben ist, stellt der Gesetzgeber einzig auf qualitative Merkmale ab. Laut dem Regierungsentwurf sollen die angebotenen Dienstleistungen oder Produkte, der Kunden- und Lieferantenkreis, die bedienten Märkte und die Qualifikation der Arbeitnehmer wesentliche Kriterien für diese Beurteilung sein. Wenn sich dabei herausstellt, dass der Geschäftsbetrieb unverändert fortgeführt wird, können die Verluste trotz Gesellschafterwechsel prinzipiell weiter genutzt werden.

Allerdings werden die Unternehmen weitere Beschränkungen beachten müssen, die der Gesetzgeber vorsieht, um Missbrauch zu vermeiden. So darf beispielsweise der Geschäftsbetrieb nicht ruhen oder gar eingestellt werden. Eine weitere Einschränkung, die in der Praxis ebenfalls nicht ganz einfach umzusetzen ist: Das Unternehmen darf keinen zusätzlichen Geschäftsbetrieb aufnehmen. Dies ist aber problematisch, wenn neue Geschäftsfelder erschlossen werden sollen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Für Unternehmen, bei denen die Verlustsituation auf ein eingeschränktes Geschäftsfeld zurückzuführen ist, dürfte es daher auch nach der geplanten Neuregelung schwierig werden, die bestehenden steuerlichen Verlustvorträge zu erhalten. Deshalb gibt es aus der Wirtschaft noch erhebliche Kritik am vorliegenden Entwurf, der womöglich in diesem Punkt nachjustiert wird.

Die Qual der Wahl

Die neue Regelung gilt nicht automatisch, der Steuerpflichtige hat vielmehr ein Wahlrecht, ob er den neuen § 8d KStG für sich gelten lassen will oder nicht. Um in den Genuss der Neuregelung zu kommen, muss er also einen Antrag beim zuständigen Finanzamt stellen. Unterlässt er dies, gelten die bisherigen strengen Regelungen zur Verlustnutzung. Wenn die neuen Gesellschafter die Mehrheit der Anteile erwerben, ist der Fall ziemlich klar: Der Antrag beim Finanzamt bringt für den Steuerpflichtigen nur Vorteile mit sich. Denn ein bestehender Verlustvortrag würde vollständig untergehen, wenn der Antrag nicht gestellt wird. Nicht so eindeutig ist es, wenn lediglich zwischen 25 und 50 Prozent der Anteile übertragen werden: Ohne Antrag würde es wie bisher „nur“ zu einem teilweisen Verlustuntergang kommen. Problematisch wird es, wenn man die nach dem derzeitigen Gesetzentwurf vorgesehene Antragstellung nutzt, sich dann unter den neuen Gesellschaftern aber der Geschäftsbetrieb ändert oder eine der anderen genannten Einschränkungen zum Tragen kommt. Denn dann steht der gesamte bestehende Verlustvortrag auf der Kippe.

Die Entschärfungen bei der steuerlichen Verlustnutzung sind grundsätzlich begrüßenswert, weil die aktuelle Rechtslage zu restriktiv ist. Konfliktpotenzial bietet jedoch insbesondere die geforderte Voraussetzung, dass derselbe Geschäftsbetrieb beibehalten wird – zumal die bislang im Entwurf genannten qualitativen Kriterien Raum für Interpretationen lassen und deshalb rechtlich unsicher sind. Auch die aktuell vom Gesetzgeber vorgesehenen weiteren Einschränkungen sind zu umfassend und machen die Norm darüber hinaus unnötig kompliziert. Nicht auszuschließen ist, dass hier noch nachjustiert wird, zumal auch der Bundesrat bereits zahlreiche Änderungsvorschläge vorgebracht hat. Alle Unternehmen, bei denen eine Änderung der Gesellschafterstruktur geplant ist, sollten deshalb schon vorab Alternativen prüfen, um gerüstet zu sein, wenn das Gesetz in Kraft tritt. So kann man beispielsweise darüber nachdenken, die Übertragung der Anteile über einen längeren Zeitraum zu strecken. Dann läuft man gar nicht erst Gefahr, dass das Unternehmen unter die Verlustbeschränkungen fällt.

Autor/in: 

Michael Emig und Alexandra Dittus sind Steuerberater beim Prüfungs- und Beratungsunternehmen Baker Tilly Roelfs in Nürnberg (michael.emig@bakertilly.de, alexandra.dittus@bakertilly.de).

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 12|2016, Seite 42

 
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