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Selbstständig im Nebenerwerb

Start in Etappen

Treppe aus Holzklötzen + Hand © oatawa/Thinkstock.com

Viele Gründer beginnen nicht mit einem Vollerwerbsunternehmen, sondern behalten zunächst ihre Arbeitsstelle. Was ist dabei zu beachten?

Von wegen „ganz oder gar nicht“: Die meisten Gründer in Deutschland machen sich erst einmal im Nebenerwerb selbstständig. Im Jahr 2015 verzeichnete das Bundeswirtschaftsministerium 552 000 freiberufliche und gewerbliche Unternehmensgründungen „in Teilzeit“; dem standen 393 000 Gründungen gegenüber, die als Vollerwerbsunternehmen geführt werden. Zwar gibt es für den Großraum Nürnberg keine exakten Daten, aber die Tendenz geht in die gleiche Richtung, wie Yvonne Stolpmann bestätigt, die bei der IHK Nürnberg für Mittelfranken das Referat Gründungsförderung leitet.

Während die Statistik deutschlandweit bei den hauptberuflichen Gründungen seit 2012 einen rückläufigen Trend zeigt, blieb die Zahl der nebenberuflichen Gründungen relativ konstant. Verschiedene Gründe können dafür sprechen, die eigene Geschäftsidee zunächst im Nebenerwerb zu realisieren. „Ehe sie alles auf eine Karte setzen, wollen viele Gründer erst mal austesten, ob ihr Plan funktioniert“, erklärt Alexander Reinfelder, stellvertretender Leiter der IHK-Geschäftsstelle Fürth und Gründungsberater. Häufig brauchen Existenzgründer das sichere Gehalt aus der Festanstellung, um während der Anlaufzeit des eigenen Unternehmens finanziell über die Runden zu kommen. Andere sind in einer Lebensphase, die keinen Einsatz rund um die Uhr für eine selbstständige Beschäftigung zulässt, beispielsweise weil sie Kinder betreuen müssen.

Speziell für „Teilzeit-Gründer“ hat die IHK in Kooperation mit der Gründerinitiative Fürth einen Informationsabend organisiert: „Gründen im Nebenerwerb – gut vorbereitet in die Selbstständigkeit“ war der Titel dieses neuen Veranstaltungsformats, das nicht nur Zuhörer aus der Stadt und dem Landkreis Fürth anlockte, sondern Teilnehmer aus ganz Mittelfranken. Der Informationsabend sollte einen Einblick in die Themen geben, die für Nebenerwerbsgründer besonders wichtig sind. Dazu zählen vor allem Kranken- und Sozialversicherung, rechtliche und steuerliche Fragen sowie spezielle Vorschriften für Rentner, Bezieher von Arbeitslosengeld I und II, Mütter und Väter im Erziehungsurlaub, Mini-Jobber und Studenten.

Für den Start in die Teilzeit-Selbstständigkeit gelten grundsätzlich dieselben gesetzlichen Spielregeln wie für Vollerwerbsgründungen: Der erste Schritt bei der Aufnahme eines Gewerbes oder einer freiberuflichen Tätigkeit ist die Anzeige bei der Gemeinde am Betriebssitz bzw. beim zuständigen Finanzamt. Bei der Gewerbeanmeldung ist darauf zu achten, dass diese explizit als Nebenerwerb erfolgt. Denn bei einigen Fördermitteln für Gründer wird vorausgesetzt, dass es sich noch nicht um einen Vollerwerb handelt. Je nach Branche und Betätigungsfeld müssen darüber hinaus weitere Auflagen beachtet werden. Beispiel: Wer seine private Küche nutzen möchte, um von dort aus das Catering für eine Kindertagesstätte zu bewerkstelligen, wird in der Regel an den Hygienevorschriften scheitern.

Krankenversicherung

Das Themenfeld Kranken- und Sozialversicherung birgt einige Stolperfallen für Teilzeit-Gründer. Jürgen Oeder, Firmenkundenberater der AOK Bayern, erläuterte bei der IHK-Veranstaltung die wichtigsten Prinzipien: Wenn Arbeitnehmer eine selbstständige Tätigkeit aufnehmen, muss geklärt werden, ob eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) besteht. Entscheidend ist, ob die selbstständige Tätigkeit hauptberuflich oder nebenberuflich erfolgt. Allerdings gibt es keine konkrete, allgemein gültige Regelung oder Legaldefinition, wo die Trennlinie zwischen Haupt- und Nebenerwerb verläuft. In der Rechtsprechung hat sich allerdings folgende Auffassung durchgesetzt: Wenn die selbstständige Tätigkeit sowohl vom Zeitaufwand als auch von der wirtschaftlichen Bedeutung her die Arbeitnehmertätigkeit deutlich übersteigt, ist sie als Haupterwerb anzusehen, weshalb man sich als Selbstständiger versichern muss.

Maßgeblich für die Beurteilung sind dabei die Abgrenzungsmerkmale des GKV-Spitzenverbandes. Ein Kriterium ist beispielsweise, ob die Selbstständigkeit über die Hälfte der Arbeitszeit in Anspruch nimmt oder ein wesentlich höheres Einkommen einspielt als der Arbeitsplatz in Festanstellung. Die Leitlinie bei der Prüfung gibt der mutmaßliche Wille des Gesetzgebers vor: Der will vermeiden, dass ein schmales Rumpfeinkommen aus einer angestellten Beschäftigung die Mitgliedschaft in der GKV ermöglicht, während der Löwenanteil in der Selbstständigkeit verdient wird. Wer einen oder mehrere Arbeitnehmer beschäftigt, die zusammen mehr als 450 Euro verdienen, fällt immer in die Kategorie „hauptberuflich selbstständig“ und muss sich deshalb selbst krankenversichern.

Es empfiehlt sich eine Einzelfallprüfung durch die Krankenkasse oder den Arbeitgeber, so Jürgen Oeders Rat: „Um Rechtssicherheit zu haben, sollten Sie sich beizeiten erkundigen.“ Nach einer Überprüfung erlässt die Krankenkasse einen Bescheid, ob eine hauptberuflich selbstständige Tätigkeit vorliegt, und verschickt ihn sowohl an den Versicherten als auch an dessen Arbeitgeber. „Wenn dieser noch nichts von der Nebentätigkeit des Mitarbeiters weiß, könnte es ziemlich unangenehm werden“, warnt der AOK-Berater.

Grundsätzlich steht es zwar jedem Arbeitnehmer frei, nebenher selbstständig zu sein, sofern diese Tätigkeit mit dem Hauptjob zeitlich vereinbar ist, dem Arbeitgeber keine Konkurrenz macht und die Leistungsfähigkeit im festangestellten Arbeitsverhältnis nicht beeinträchtigt. Dennoch gilt der Rat, den Arbeitsvertrag, tarifrechtliche Regelungen und Betriebsvereinbarungen in Hinblick auf das Thema Nebenbeschäftigung zu studieren, denn in den meisten Fällen besteht eine Informationspflicht gegenüber dem Arbeitgeber. Beschäftigte im öffentlichen Dienst müssen sich Nebentätigkeiten aller Art genehmigen lassen.

Teilzeit-Gründer, die bislang in der gesetzlichen Krankenversicherung familienversichert sind, müssen auf die Einkommensgrenze achten, wenn sie eine selbstständige Tätigkeit aufnehmen. Die liegt aktuell für die beitragsfreie Familienversicherung bei 415 Euro monatlich. Wird dieses Limit durch den Nebenerwerb überschritten, ändert sich der Versichertenstatus. Um unliebsame Überraschungen zu vermeiden, rät Jürgen Oeder auch hier, rechtzeitig eine Einzelfallprüfung anzugehen. Wer Elterngeld bezieht und sich selbstständig machen will, muss die zuständige Elterngeldstelle informieren.

Nicht selten erfolgen Gründungen aus der Arbeitslosigkeit heraus. Dann sind ebenfalls Regeln zu beachten: Wer als arbeitssuchend gemeldet ist, muss die Agentur für Arbeit oder das Jobcenter über die geplante Aufnahme einer Nebentätigkeit informieren. Arbeitslosengeld I wird weiterhin überwiesen, wenn die Nebentätigkeit weniger als 15 Stunden pro Woche beansprucht. Wenn die in der selbstständigen Nebentätigkeit erzielten Gewinne den monatlichen Freibetrag von 165 Euro übersteigen, werden sie vom Arbeitslosengeld I abgezogen. Wer Arbeitslosengeld II bekommt, darf maximal 100 Euro von seinen Gewinnen behalten.

Steuerliche Aspekte

Über rechtliche und steuerliche Fragen referierte Prof. Dr. Johannes Schwarz, Rechtsanwalt und Steuerberater in Fürth, auf der IHK-Veranstaltung. Er versuchte, den Teilzeit-Gründern ihre Ängste vor dem Steuerdschungel zu nehmen. „Die Grundlage einer soliden, vorausschauenden Steuerplanung ist die Buchführung“, so der Rat des Experten. Unsortierte Belege im Schuhkarton entpuppen sich als Alptraum bei der Steuererklärung. Wer dagegen Belege über Ausgaben und Einnahmen kontinuierlich sammelt und ordentlich abheftet, erspart sich Zeit und schont die Nerven. Der Steuerberater wies darauf hin, dass für Nebenerwerbsgründer die Abgabe einer Einkommensteuererklärung Pflicht ist. Wird eine gewerbliche Tätigkeit ausgeübt, unterliegt das Einkommen aus der Teilzeit-Selbstständigkeit der Gewerbesteuerpflicht, wobei die Bemessungsgrundlage der sogenannte Gewerbeertrag, sprich der Gewinn, ist. Allerdings fällt keine Gewerbesteuer an, wenn das Gewerbe als Einzelunternehmen oder in Form einer Personengesellschaft betrieben wird und der Gewinn weniger als 24 500 Euro im Jahr beträgt.

Teilzeit-Gründer müssen sich auch mit dem Thema Umsatzsteuer auseinandersetzen, denn grundsätzlich sind erbrachte Dienstleistungen sowie die Lieferung von Waren umsatzsteuerpflichtig. Allerdings sieht die Kleinunternehmerregelung nach §19 Umsatzsteuergesetz (UStG) eine Umsatzsteuerbefreiung vor. Voraussetzung dafür ist, dass der Umsatz zuzüglich der darauf entfallenden Umsatzsteuer im ersten Kalenderjahr der Selbstständigkeit die Marke von 17 500 Euro nicht übersteigt und im folgenden Jahr der Betrag von 50 000 Euro nicht überschritten wird. Wer die Kleinunternehmerregelung nutzt, darf keine Umsatzsteuer in der eigenen Rechnung ausweisen, aber selbst auch keine in Rechnungen enthaltene und gezahlte Umsatzsteuer vom Finanzamt zurückverlangen. Der Vorsteuerabzug kommt also in diesem Fall nicht in Frage.

Autor/in: 

aw.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 01|2017, Seite 14

 
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