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Berufsbildungswerke

Unbehindert lernen

Rummelsberger_Diakonie_DSC0624_low © Rummelsberg

Das Berufsbildungswerk Rummelsberg bietet eine breite Palette an technischen und kaufmännischen Ausbildungsgängen an.

Die Berufsbildungswerke in Rummelsberg und Nürnberg qualifizieren junge Menschen mit Handicap für das Arbeitsleben.

Sie haben uns gezeigt, dass wir vieles erreichen können und dass jeder von uns eine Chance hat, einen guten Arbeitsplatz zu finden. Danke für Ihr Vertrauen.“ Ein Absolvent hat diesen Abschiedsgruß an einer Pinnwand in der Metallwerkstatt des Berufsbildungswerks Rummelsberg hinterlassen. Er verdichtet, was die Institution Berufsbildungswerk leisten kann: Sie spielt eine Schlüsselrolle im System der beruflichen Rehabilitation.

Als „Profis für die berufliche Vorbereitung und Erstausbildung“ wollen die 52 Berufsbildungswerke (BBW) in Deutschland jungen Menschen mit einer körperlichen oder seelischen Behinderung, einer psychischen Erkrankung oder einer Lernbehinderung den Weg in ein selbstbestimmtes Arbeitsleben ebnen. In Bayern gibt es elf solcher Einrichtungen, zwei davon in Mittelfranken: das BBW Rummelsberg, bei Schwarzenbruck südöstlich von Nürnberg gelegen, und das BBW Bezirk Mittelfranken im Nürnberger Stadtteil Röthenbach und einer Außenstelle in Ansbach mit dem Förderschwerpunkten Hören, Sprache und Lernen.

 

BBW Rummelsberg
www.bbw-rummelsberg.de

BBW Bezirk Mittelfranken
www.bbw-mittelfranken.de

gegründet

1976

1970

Träger

Rummelsberger Diakonie

Bezirk Mittelfranken

Standorte

Schwarzenbruck, Nürnberg

Nürnberg, Ansbach (Außenstelle)

Angebote für junge Menschen mit…

…körperlicher Einschränkung und/oder Lernschwierigkeiten sowie psychischen und seelischen Erkrankungen.

Besondere Fördermöglichkeiten für junge Menschen mit

  • Cerebralparese
  • Körper- und Mehrfachbehinderungen
  • epileptischen und / oder dissoziativen Anfallserkrankungen
  • Adipositas
  • ADS / ADHS
  • Autismus

…Förderbedarf im Hören, in der Sprache und/oder im Lernen.

Zusätzliche Fördermöglichkeiten bei

  • psychischen Erkrankungen
  • ADS / ADHS
  • AVHS (auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung)
  • Autismus
  • weiteren Sekundärbeeinträchtigungen

Auszubildende

234

188

Teilnehmende an berufsvorbereitenden Maßnahmen (Stand 2/2017)

 70

 87

Berufsfelder / anerkannte und gesondert geregelte Ausbildungen

  • Elektrotechnik
  • Ernährung und
  • Hauswirtschaft
  • Gartenbau und Handwerk
  • Gesundheit und Soziales
  • Informationstechnologie
  • Medien und Kommunikation
  • Metalltechnik
  • Wirtschaft und Verwaltung/
  • Lager
  • Elektrotechnik
  • Gastronomie und Hauswirtschaft
  • Farbtechnik und Raumgestaltung
  • Holztechnik
  • Metalltechnik
  • Technisches Produktdesign
  • Textiltechnik und Bekleidung
  • Wirtschaft und Verwaltung / Lagerberufe
  • Agrarwirtschaft / Gartenbau

 

Die Berufsausbildung im BBW basiert – wie auch bei allen anderen Auszubildenden – auf dem dualen System mit den zwei bewährten Säulen praktische Ausbildung und Unterricht in der Berufsschule. Allerdings leisten die Berufsbildungswerke weit mehr als die Vermittlung beruflicher Fachkenntnisse. Ihr Ansatz umfasst Berufsvorbereitung und -ausbildung, Wohnen, Freizeitangebote sowie sozialpädagogische, medizinische, ergotherapeutische, logopädische und psychologische Fachdienste. Die Koordination dieser Maßnahmen und Hilfen unter dem Dach einer Institution sollen eine ganzheitliche Förderung sicherstellen. Dieses Angebot, das aus Mitteln der Bundesagentur für Arbeit finanziert wird, sieht der Gesetzgeber für Jugendliche und junge Erwachsene vor, die „wegen Art oder Schwere ihrer Behinderung während der Ausbildung auf besondere medizinische, psychologische, pädagogische und soziale Hilfen angewiesen sind“.

Diese Paragrafen-Prosa versucht, völlig unterschiedliche Biografien und Befunde zu einer Gruppe zusammenzufassen. So finden sich in den Ausbildungswerkstätten und Büros des BBW Rummelsberg junge Menschen mit angeborenen bzw. durch Erkrankungen oder Unfälle verursachten Körperbehinderungen ebenso wie Auszubildende mit psychischen Erkrankungen. Der Hochbegabte, der wegen sozialer Phobien sein Studium abbrechen musste, gehört genauso zur Klientel wie der Lernbehinderte ohne Schulabschluss. Diese Heterogenität ist Herausforderung und Chance gleichermaßen: Die Verschiedenheit der Teilnehmer fördert das soziale Lernen und ein Klima der Toleranz, so die Erfahrung von Jochen Wiegand, Ausbildungsleiter des BBW Rummelsberg.

Um ein Scheitern während der Berufsausbildung zu vermeiden, hat die Berufsorientierung und -vorbereitung einen sehr hohen Stellenwert: Je sorgfältiger der Entscheidungsprozess bei der Wahl des Ausbildungsberufs, desto geringer die Abbrecherquoten. „Wir wollen vorhandene Talente und Ressourcen fördern“, fasst Wiegand den Ansatz bei der Berufsfindung zusammen. Der erste Schritt der Berufsvorbereitung ist die sogenannte Eignungsabklärung; dazu gehört ein Basis-Assessment, das die handwerklich-praktischen, intellektuellen, schulischen, kommunikativen und körperlichen Kompetenzen erfasst. Dabei wird niemand in eine Richtung gedrängt, denn „Motivation entsteht erst, wenn Interesse vorhanden ist“, so Iris Thieme, Leiterin des Integrations- und Sozialdienstes im BBW Rummelsberg.

Der Eignungsabklärung folgt die eigentliche „Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme (BvB)“, die maximal elf Monate dauert. „In dieser Zeit können sich Jugendliche in Richtung Selbstständigkeit und Eigenverantwortung weiterentwickeln“, erläutert Jochen Wiegand. Außerdem bestehe die Chance, schulische Bildungslücken zu schließen.

Zum ganzheitlichen Ansatz der Berufsbildungswerke gehört es, den Teilnehmern eine „Heimat auf Zeit“ zu schaffen, inklusive Freizeitangebote wie Sport, Musik, Theaterspielen etc. Auf dem Programm stehen viele Aktivitäten, die zur Entwicklung eines positiven Selbstwertgefühls beitragen. „Schließlich haben wir im BBW den Anspruch, die Persönlichkeitsentwicklung zu unterstützen und die Maßnahmen mit Förderangeboten zu stabilisieren“, unterstreicht Hans Werner Pickel, Ausbildungsleiter im BBW Bezirk Mittelfranken. In dieser Einrichtung ist etwa die Hälfte der Teilnehmer im „Bereich Wohnen“ auf dem Gelände des BBW in Nürnberg-Röthenbach untergebracht oder lebt in Außenwohngruppen. Das BBW Rummelsberg stellt für etwa zwei Drittel seiner Azubis Wohnmöglichkeiten zur Verfügung. Die Unterbringung ist an die Bedürfnisse der Jugendlichen angepasst und reicht von heilpädagogischen Wohngruppen mit einer Betreuung an 365 Tagen pro Jahr bis hin zu Wohngemeinschaften, deren Mitglieder weitestgehend eigenständig zusammenleben. Alle Wohnformen haben jedoch dasselbe Ziel: junge Menschen auf ein selbstständiges Leben in der Erwachsenenwelt vorzubereiten.

Breites berufliches Spektrum

Berufsbildungswerke bieten grundsätzlich das gesamte Spektrum der Ausbildungen an, die das duale System hergibt (siehe Infokasten). Die Teilnehmer im BBW Bezirk Mittelfranken verteilen sich aktuell relativ gleichmäßig auf die Richtungen gewerblich-technisch, kaufmännisch, gastronomisch, hauswirtschaftlich und Handwerk. In Rummelsberg liegt der Anteil des kaufmännischen Bereichs etwas höher. In den Berufsbildungswerken werden auch Ausbildungen als Fachpraktiker angeboten, beispielsweise in der Metallbearbeitung und Holzbearbeitung. Neu ist die Ausbildung zum Fachpraktiker personale Dienstleistungen (Hauswirtschaft und Pflege). In einer Fachpraktiker-Ausbildung sind die theoretischen Inhalte im Vergleich zur Regelausbildung reduziert. Die berufliche Qualifikation liegt aber deutlich höher als bei Angelernten, wie Winfried Fischermeier, Direktor des BBW in Nürnberg, betont.

Die Ausbildung in einem Berufsbildungswerk mündet nicht in einem Abschluss „zweiter Klasse“. Die BBW-Azubis müssen vielmehr in den Abschlussprüfungen vor der Industrie- und Handelskammer, der Handwerkskammer oder dem Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten grundsätzlich dieselben Anforderungen erfüllen wie ihre Kollegen in einem herkömmlichen betrieblichen Ausbildungsverhältnis. Winfried Fischermeier sieht sich „auf Augenhöhe“ mit anderen Betrieben: „Die Qualität unserer Ausbildung ist in Fachkreisen anerkannt.“

Die Berufsbildungswerke sollen ihren Absolventen den Einstieg in den ersten Arbeitsmarkt ermöglichen, so der gesetzliche Auftrag. Der lässt sich nur verwirklichen, wenn die BBW-Auszubildenden möglichst viele Einblicke und Erfahrungen in Unternehmen bekommen. Während der Berufsausbildung am BBW sind deshalb 26 Wochen Praktika oder der Übergang in eine verzahnte Ausbildung (VAmB) vorgesehen. „Diese Durchlässigkeit ist enorm wichtig“, unterstreicht Fischermeier, „wir sind keine Käseglocke, die Jugendliche von der Außenwelt abschottet.“

Gute Erfahrungen der Betriebe

Das BBW Rummelsberg kooperiert mit 450 Betrieben in Mittelfranken, vom Mittelständler bis zum Konzern. Das BBW Bezirk Mittelfranken ist ebenfalls „gut vernetzt“. „Etwa 90 Prozent unserer Ausbilder sind in den Prüfungsausschüssen präsent“, erklärt Verwaltungsleiter Alexander Schmidt, der zum 1. April 2017 die Nachfolge von Winfried Fischermeier antritt. Die meisten Firmen seien mit den BBW-Praktikanten sehr zufrieden: „Wir schicken unsere Auszubildenden ja mit einer soliden beruflichen Vorbildung in die Betriebe, damit sie dort einen guten Eindruck hinterlassen.“

Die Berufsbildungswerke lassen ihre Teilnehmer bei der Stellensuche nicht allein: Neben individueller Beratung gibt es beispielsweise Workshops für die Erstellung von Bewerbungsmappen und Tipps für das Vorstellungsgespräch. Iris Thieme trainiert dabei mit den Teilnehmern, wie sie sich als kompetente und selbstbewusste Persönlichkeit präsentieren können. Dieses Lernziel ist gerade bei behinderten Jugendlichen extrem wichtig: Die Erfahrung, „anders“ zu sein, nagt häufig am Selbstwertgefühl.

Praktikumsplätze gesucht

Zu den Aufgaben von Iris Thieme gehört es, neue Kontakte zu Unternehmen zu knüpfen. Bei der Kalt-Akquise von Praktikumsplätzen bekommt sie schon mal zu hören: „Einen Behinderten kann ich meinen Kunden nicht zumuten“. Hartnäckig halten sich Meinungen, dass behinderte Beschäftigte grundsätzlich höhere Ausfallquoten haben oder quasi unkündbar seien. „Wir leisten Aufklärungsarbeit, um solche Fehleinschätzungen zu widerlegen“, unterstreicht Thieme. Immerhin besteht Hoffnung, dass der demografische Wandel den Abbau von Vorurteilen beschleunigt: „Wir sind zuversichtlich, dass künftig mehr Betriebe unser Fachkräftepotenzial erkennen und nutzen“, meint Alexander Schmidt.

Eine personalintensive Förderung, wie sie Berufsbildungswerke leisten, ist nicht zum Schnäppchen-Preis zu haben: Das Institut der deutschen Wirtschaft hat in einer Studie die Gesamtkosten, die für die berufliche Rehabilitation eines Jugendlichen anfallen, auf 120 000 Euro beziffert. Aber diese Mittel seien gut angelegt, so das Fazit der Autoren: „Langfristig spart eine erfolgreiche Rehabilitation (...) viel Geld, und zwar deutlich mehr als sie kostet.“ 

Autor/in: 

aw.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 04|2017, Seite 24

 
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