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Versicherungen

Voraus denken

Strategie Schreibtafel Spiel © Thinkstock.com/BananaStock

Welche Maßnahmen muss der Betrieb treffen, sodass der Versicherer im Schadenfall auch zahlt?

Risiken kalkulierbar zu machen, bedeutet mehr, als nur möglichst günstige Versicherungen einzukaufen. Denn die Welt verändert sich und bringt neue Risiken mit sich, auf die sich Betriebe immer neu einstellen müssen – etwa auf Cyber-Kriminalität, z. B sogenannte „Fake President“-Angriffe, bei denen sich Betrüger gegenüber Mitarbeitern als deren Vorstände oder Geschäftsführer ausgeben. Aber selbst scheinbar langweilige Policen wie die Feuerversicherung bergen Fallstricke, die nicht unterschätzt werden dürfen, weil sie dramatische finanzielle Konsequenzen haben können.

Ob der Versicherungsvertrag tatsächlich hält, was er verspricht, zeigt sich meist im Schadenfall. Folgende Fehler gefährden erfahrungsgemäß die vollumfängliche Regulierung des Schadens:

Unzureichende Risikoanalyse: Ob ein Großschaden ohne größere Komplikationen reguliert werden kann, hängt entscheidend von der Qualität des Versicherungskonzepts ab. Dieses wiederum baut auf einer zuvor erstellten Risiko-Bedarfsanalyse auf, denn naturgemäß können nur Risiken abgesichert und beherrscht werden, die dem Versicherten auch bewusst und bekannt sind. Diese Analyse ist in aller Regel komplex und sollte deshalb von einem professionellen und darauf spezialisierten Makler begleitet werden. Zwei Beispiele: Werden bei einem wichtigen Zulieferer Erdbeben oder Hochwasser nicht als mögliche Risiken erkannt, kann dies existenzielle Konsequenzen für das Unternehmen und den zuständigen Riskmanager haben. Kommt es bei regenerativen Energieanlagen zu einem Schadenfall, kann der Wegfall der EEG-Umlage während der Dauer des Anlagenstillstands finanziell schmerzhaft sein. Deshalb muss dieses Risiko erkannt und gegebenenfalls abgesichert werden.

Falsch berechnete Versicherungssummen: Eine weitere Herausforderung stellt die Gewichtung der ermittelten Risiken dar. Dies geschieht anhand von Berechnungen, mit denen die Wahrscheinlichkeit des Eintritts und das zu erwartende Ausmaß eines Schadens kalkuliert werden. Um diese exakt zu bestimmen, bedarf es einer Summenanalyse. Hierbei werden alle vorhandenen Werte ermittelt, wie Gebäude, technische und kaufmännische Betriebseinrichtung. Die Summe dieser Wertermittlung bildet die Grundlage zur Festsetzung der Versicherungssumme. Denn wenn sich im Schadenfall herausstellt, dass die Versicherungssumme nicht zum „Versicherungswert“ passt, droht ein Abzug wegen Unterversicherung.

Der Hintergrund ist, dass sich der Kunde im Schadenfall nicht aussuchen kann, für welchen Wertanteil die zu geringe Summe gelten soll. Das bedeutet vereinfacht gesagt: Ist nur die Hälfte der vorhandenen Werte versichert, so wird auch bei einem Teilschaden nur die Hälfte des Schadens ersetzt.

Unterversicherung: Viele Betriebe sind unterversichert, weil fremdes Eigentum (z. B. geleaste Elektronik, gemietete Maschinen) bei der Summenermittlung unberücksichtigt bleibt. Auch beigestellte Produkte (z. B. erforderliche Betriebsmittel, die der Auftraggeber für die Produktion zur Verfügung stellt, die aber in seinem Eigentum verbleiben) werden oft vernachlässigt. Ein häufiger Irrtum ist, dass der Versicherer die Richtigkeit der Summen gleichsam automatisch akzeptiert, wenn er während der Vertragsverhandlungen von fremdem Eigentum Kenntnis erlangt. In der Regel prüft er die Summen aber erst im Schadenfall mit Hilfe von Sachverständigen. Deshalb sollte ein spezialisierter Industriemakler auf der Grundlage einer strukturierten Summenermittlung die Voraussetzungen dafür schaffen, dass mit dem Versicherer ein vollumfänglicher Unterversicherungsverzicht vereinbart werden kann. So liegt bereits vor Eintritt des Schadens eine offizielle Bestätigung vor, dass die Versicherungssumme zum Wert passt. Damit hört aber die Arbeit nicht auf, denn die Werte müssen jährlich auf Zu- und Abgänge überprüft und auch indiziert werden, um Inflation und Wertsteigerungen auszugleichen.

Fehleinschätzung des Folgeschadens: Es ist nicht der Sachschaden allein, sondern in der Regel der darauf folgende Ertragsausfallschaden, der das Unternehmen existenziell bedroht. Löhne, Gehälter und andere fixe Kosten müssen weitergezahlt werden, obwohl die Produktion steht. Eine Absicherung für diesen Fall bietet die Betriebsunterbrechungsversicherung.

Zu beachten ist hier nicht nur die Höhe der Versicherungssumme, sondern auch die zu vereinbarende sogenannte Haftzeit. Diese beginnt mit Eintritt des Sachschadens und bestimmt den Zeitraum, für den der Versicherer maximal ersatzpflichtig ist. Bei einem Feuerschaden reicht ein Jahr möglicherweise nicht aus, um die Folgen einer Betriebsunterbrechung abzusichern. Zu prüfen sind daher u. a. Lieferfristen für neue Maschinen und zu erwartende Beschränkungen beim Wiederaufbau.

Keine Lieferkettenanalyse: Die Gefahren lauern nicht nur im eigenen Betrieb, sondern auch bei den Geschäftspartnern. Dort können sich Schäden ereignen, die wiederum den eigenen Produktionsablauf oder den Absatz der Produkte beeinflussen. Bestandteil des Lieferketten-Managements (Supply Chain Management) sollte deshalb eine genaue Analyse möglicher Risiken sein – besonders wenn ein Unternehmen mit wenigen Schlüssellieferanten zusammenarbeitet, sodass sich dortige Sachschäden umso stärker auf den eigenen Betrieb auswirken. Es entstehen Mehrkosten, um die Fertigung aufrecht zu erhalten, im schlimmsten Fall steht die Produktion im eigenen Haus still. Vorhandene Abhängigkeiten müssen daher geprüft, bewertet und gegebenenfalls versichert werden.

Umgekehrt gilt das Gleiche: Ereignet sich ein Feuerschaden, wie es unlängst beim Großbrand in einer großen Geflügelschlachterei der Fall war, hat dies erhebliche Konsequenzen für die Zulieferer. So wird z. B. der Lieferant und Hersteller der Verpackungen weniger Produkte verkaufen und eine drastische Ertragsminderung verzeichnen. Auch dagegen kann man sich absichern.

Obliegenheitsverletzung: Um den Versicherungsschutz jederzeit und uneingeschränkt aufrecht zu erhalten, muss der Versicherungsnehmer eine Vielzahl von Pflichten beachten. Denn sogenannte Obliegenheitsverletzungen können ihn im Wortsinne teuer zu stehen kommen. So hat er eine Anzeigepflicht, wenn sich mögliche Gefahren erhöhen oder sich ein Risiko ändert. Erfährt der Versicherer erst im Schadenfall davon und die unterlassene Anzeige steht mit dem Schaden ursächlich in Zusammenhang, kann dieser seine Leistung unter Umständen kürzen.

Ein Beispiel: Ein Produzent von Metallprodukten erweitert seine Fertigungstiefe und lackiert seine Erzeugnisse fortan selbst. Er unterlässt es aber, den Versicherer darüber zu informieren. Es kommt zu einem Feuerschaden, der durch die Verwendung von lösemittelhaltigen Lacken neben einem Schweißarbeitsplatz ausgelöst wird. Sehr wahrscheinlich wird der Versicherer seine Leistung kürzen, weil der Schaden ursächlich mit dem neuen betrieblichen Risiko zusammenhängt, das nicht angezeigt wurde.

Eine weitere vertragliche Obliegenheit ist die „Revision der stationären, elektrischen Licht- und Kraftanlagen“. Diese verpflichtende Prüfung soll dazu dienen, Brandschäden vorzubeugen, die durch technische Defekte ausgelöst werden. Die bei der Revision festgestellten Mängel müssen fristgerecht beseitigt werden. Versäumt der Betrieb dies, drohen im Schadenfall ebenfalls Abzüge.

Verstoß gegen Sicherheitsvorschriften: Darüber hinaus setzt jeder Versicherer voraus, dass seine Kunden alle gesetzlichen und behördlichen Auflagen einhalten. Geregelt ist dies in den „Sicherheitsvorschriften“.

Werden im Rahmen einer Überprüfung der Sprinkler-Löschanlage erhebliche Mängel, die im Ernstfall die Funktion der Anlage beeinflussen (sogenannte C-Mängel), festgestellt und nicht zeitnah behoben, kann dies einen Verstoß gegen behördliche Auflagen darstellen – mit entsprechenden Leistungskürzungen im Schadensfall. Genannt werden müssen auch behördlich nicht angezeigte maßgebliche Nutzungsänderungen des genehmigten Betriebszwecks oder die Überschreitung von zulässigen Lagerhöhen. Für die Verantwortlichen kann es darüber hinaus strafrechtliche Konsequenzen haben, insbesondere wenn Personen zu Schaden kommen.

Die Qualität des betrieblichen Versicherungskonzepts zeigt sich also im Schadenfall. Es kann existenziell sein für das Überleben des Betriebs, den Erhalt der Arbeitsplätze und den Schutz der oft über Generationen aufgebauten Vermögenswerte und sollte deshalb gemeinsam mit einem spezialisierten Versicherungsmakler erarbeitet werden, der auch Erfahrung mit der Vermeidung und Abwicklung von Großschäden hat. Er sollte die bestehenden Versicherungsverträge prüfen und bei vorbeugenden Maßnahmen begleiten. So kann in einem Stresstest oder einem sogenannten „Claims-Day“ der Eintritt eines Großschadens simuliert und vor Ort geprüft werden, ob die bestehenden Konzepte funktionieren. Gemeinsam mit dem Versicherungsmakler sollten diese analysiert und gegebenenfalls Lösungen für die Absicherung bisher nicht versicherter Risiken entwickelt werden. Die Vereinbarung von Selbstbehalten kann beispielsweise helfen, dass die Kosten für den sinnvollen Versicherungsschutz im Rahmen bleiben.

Autor/in: 

Kai Stürmer ist Leiter Industrieversicherungen bei der RMK Radloff, Meier & Kollegen Versicherungsmakler GmbH in Nürnberg (kai.stuermer@
r-m-k.de, www.r-m-k.de).

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 04|2017, Seite 46

 
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