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Mountainbiking

Über Stock und Stein

Mountainbiking © baranq - Fotolia

Mehrere Projekte sollen in Franken dazu beitragen, dass das touristische Potenzial des Mountainbiking noch besser erschlossen wird.

Unwegsames Gelände ist für sie kein Hindernis: Auch in Mittelfranken tummeln sich viele Mountainbiker und beleben damit den regionalen Tourismusmarkt. Zahlreiche Veranstalter bieten maßgeschneiderte Programme für diese Zielgruppe an. Ganz ohne Probleme bleibt der Mountainbike-Boom aber nicht: Einige Wanderer beschweren sich, dass ihnen auf ihren angestammten Wegen zu viele Radfahrer in die Quere kommen. Naturschützer beklagen, dass eine Minderheit von Rad-Rasern durch rücksichtsloses Verhalten abseits der markierten Wege Tiere und Pflanzen gefährdet.

Einen guten Einblick in die Szene hat Robert Rieger, Geschäftsführer der Aktionsraum GmbH in Pappenheim, die als Touristik- und Event-Veranstalter aktiv ist. Zudem ist er Erlebnispädagoge beim Evangelischen Bildungs- und Tagungszentrum Pappenheim und Veranstalter des „Heimatrausch Outdoorfestivals Altmühlfranken“ (Hofa), das vom 28. bis 30. Juli zum zweiten Mal in Pappenheim stattfinden wird. Dieses Mitmach-Festival für jedermann, zu dem rund 500 Besucher erwartet werden, bietet die Möglichkeit, verschiedene Outdoor-Aktivitäten auszuprobieren, neben Mountainbiking zum Beispiel Stand-up-Paddling, Floßbauen, Bogenschießen, Nachtklettern, Trailrunning, Geo-Caching und vieles mehr.

Rieger macht sich stark für die Mountainbiker in der Region und rückt das Vorurteil vom Rad-Rambo oder vom „heroischen Extremsportler“ zurecht: Der überwiegende Teil der Freizeitsportler wolle die Natur erleben wie die Wanderer auch. Überwiegend Familienväter ab 35 oder 40 Jahren seien auf den geländegängigen Fahrrädern unterwegs. Er ist sich sicher, dass sich dieser Sport wie einst die Wanderbewegung etablieren wird. Die bestehenden Strecken in der Region seien auch für Anfänger geeignet, und der Vormarsch von E-Mountainbikes erleichtere auch weniger gut trainierten Menschen den Einstieg. Allein rund um Treuchtlingen mit den starken Radsportlern des RC Germania Weißenburg schätzt Rieger die Zahl der aktiven Mountainbiker auf rund 2 000.

Dialog mit Waldbesitzern und Naturschützern

Allerdings kennt Rieger auch die Konflikte einer „kleinen Minderheit“ mit den Waldbesitzern. Einige Mountainbiker legen im Wald Pisten, sogenannte Trails, an, was verboten ist. Ein restriktives Vorgehen würde aber nur zu einer Verlagerung führen, weshalb er für einen Dialog mit Waldbesitzern und Naturschützern plädiert, um bestimmte Strecken gegebenenfalls zu legalisieren. Doch zunächst einmal wurden vor zwei Jahren einige Teilabschnitte des Altmühltal-Panoramaweges für Fahrradfahrer gesperrt. Mit einem Befahrungsverbot wurden laut einer offiziellen Stellungnahme des Naturpark Altmühltals solche Strecken belegt, in denen es die geringe Breite, die Steigung oder die Unübersichtlichkeit des Pfades erfordern. Außerdem gilt der als „Qualitätsweg Wanderbares Deutschland“ zertifizierte Panoramaweg als naturnaher, „entschleunigender“ Fernwanderweg. Wanderer würden hier zu Recht ein ruhiges, ungestörtes Wandererlebnis erwarten. Die Entscheidung gilt als durchaus umstritten, weil selbst örtliche Tourismusmanager lediglich von einer überschaubaren Zahl an Beschwerden durch Wanderer berichtet hatten.

Auch die fünf Mountainbike-Touren, die ein Schulprojekt aus Treuchtlingen erarbeitet hatte, wurden mittlerweile wieder aus dem Netz genommen. Einerseits waren die GPS-Daten für Streckenabschnitte nicht immer korrekt, andererseits hatten die Schüler ebenfalls versäumt, ihre Touren mit den Waldeigentümern abzustimmen.

Abhilfe könnte nun von einem Leader-Programm kommen, mit dem die EU und der Freistaat die Wirtschaft in ländlichen Gebieten fördern. Für die Förderperiode 2014 bis 2020 stehen in Bayern insgesamt rund 111 Mio. Euro an EU- und Landesmitteln zur Verfügung. Die einzelnen Projekte sollen jeweils durch Partnerschaften zwischen kommunalen, wirtschaftlichen und sozial engagierten Akteuren der jeweiligen Region umgesetzt werden. 68 solcher „Lokalen Aktionsgruppen“ (LAGs) sind bereits anerkannt.

Konzepte für Mountainbike-Trails

Das Vorhaben „Markterkundung Projektmanagement Wegenetz für Mountainbiker“ ist seit Anfang des Jahres bewilligt, berichtet Carolin Tischner, die für das Landratsamt Weißenburg-Gunzenhausen die LAG-Geschäfte führt. Mit den bewilligten 73 000 Euro will der RC Germania Weißenburg als Co-Finanzierer ein maximal dreijähriges Projektmanagement beauftragen, das mit allen Beteiligten mögliche Mountainbike-Trails identifiziert, rechtlich abklärt und eventuell ein Wegenetz entwickelt. Die Projektregion umfasst im Naturpark Altmühltal die mittelfränkischen Orte Ellingen, Gunzenhausen, Pappenheim, Pleinfeld, Solnhofen, Treuchtlingen und Weißenburg sowie Monheim und Wemding in Schwaben.

Das Förderprogramm liegt im Trend: So will Bayerns Verkehrsminister Joachim Herrmann die Position Bayerns als „Radlland Nummer Eins“ mit einem Neun-Punkte-Plan ausbauen. Der Anteil des Radverkehrs am Gesamtverkehrsaufkommen soll von zurzeit zehn auf 20 Prozent im Jahr 2025 verdoppelt werden. Und die Radreiseanalyse 2017 des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) errechnete, dass im vergangenen Jahr deutschlandweit gut 150 Mio. Tagesausflüge mit dem Rad unternommen wurden. 5,2 Mio. Bundesbürger haben 2016 einen Radurlaub unternommen, 16 Prozent mehr als im Vorjahr. Radurlauber sind im Schnitt 48 Jahre alt und legen am Tag beachtliche 65 Kilometer zurück. Sieben bis acht Etappen umfasst die durchschnittliche Streckenfahrt – also eine Fahrt mit wechselnden Unterkünften. Das Schöne daran für die Tourismusregionen: Die Zielgruppe der Radreisenden liegt sowohl beim Einkommen als auch bei der Haushaltsgröße über dem Bundesdurchschnitt und dürfte deshalb auch überdurchschnittlich viel Geld bei ihrem Radurlaub ausgeben.

Tourismusmarkt mit Potenzial

Doch das Potenzial scheint bei weitem noch nicht ausgeschöpft zu sein: Der Sportwissenschaftler Prof. Dr. Manuel Sand erklärt, dass zwar die Verkaufszahlen für Mountainbikes immens stiegen, der Markt aber touristisch noch fast nicht erschlossen sei. Sand hat seit zwei Jahren eine Professur für Sportwissenschaft, Outdoor-Sport und Adventure-Management an der Hochschule für angewandtes Management Erding inne und lehrt am Adventure Campus Treuchtlingen. Dort wird neben Sportmanagement auch Betriebswirtschaft mit Fokus auf Musik- und Kulturmanagement sowie Tourismus- und Hotelmanagement unterrichtet. Der Wissenschaftler spricht von einem „Millionen-Euro-Markt“, wenn es gelingen sollte, die Trendsportart Mountainbiking fest in der Region Treuchtlingen zu etablieren. Sollte das Leader-Projekt am Ende zu einem anspruchsvollen Streckennetz führen, würde sich die Region als Vorreiter in Deutschland mit den entsprechenden touristischen Effekten profilieren.

Im Februar hatte Sand zum „5. Kongress für Outdoor und Adventure: Mountainbike und Tourismus“ in den Adventure Campus eingeladen, um sich mit Experten aus Deutschland und Europa auszutauschen. Dabei wurde am Beispiel Schottlands deutlich, welche wirtschaftlichen Impulse bei einem professionellen Management möglich sind: Vertreter der schottischen West Highland University berichten, dass mit 60, größtenteils von der EU finanzierten Trail-Centern Touristenströme in ländliche Regionen gelockt wurden. Mittlerweile werden dort jährlich rund 60 Mio. Euro im Mountainbike-Tourismus umgesetzt. Das Geld fließt direkt in strukturschwache Regionen, u. a. profitieren abgelegene Gasthöfe und Übernachtungsbetriebe, außerdem wurde eine spezifische Infrastruktur für Mountainbiker aufgebaut – mit Handel, Reparatur und Verleih. Das schottische Konzept bezeichnete Sand als „Aushängeschild der Highlands“.

Der Sportwissenschaftler sieht gute Chancen, Mountainbiking als Sport für die ganze Familie zu etablieren, zumal zunehmend auch Frauen und Kinder auf den Mountainbike-Strecken zu finden seien. Sie wünschen sich mehr „Strecken mit Flow“, also längere Abschnitte, bei denen man nicht viel bremsen oder beschleunigen muss.

Um gute Voraussetzungen auch für anspruchsvolle Mountainbike-Disziplinen wie Downhill (schnellstmögliche Abfahrt auf schwierigstem Gelände) oder Cross-Country (Touren auf unbefestigten Wegen und Straßen) zu schaffen, müssten spezielle Streckennetze geschaffen werden, was kein einfaches Unterfangen ist. Darauf weist auch der Verein Deutsche Initiative Mountainbike (DIMB) hin, in dem sich Mountainbiker, Produzenten, Komponentenhersteller und Händler zusammengeschlossen haben. Sowohl der Aufbau des Streckennetzes als auch das Verhalten der einzelnen Biker müsse der Selbstverpflichtung „Respekt erweisen – Respekt erwarten!“ gerecht werden. Dies ist ein Kernsatz der „Fair on Trails“-Aktion des DIMB, der das Mountainbiking im Einklang mit der Natur und mit den anderen Wald- und Bergbesuchern verwirklicht sehen will. Der Verband stellte deshalb freiwillige Verhaltensregeln (Trail Rules) vor, damit das Biken umwelt- und sozialverträglich bleibt und alle mit Spaß bei der Sache sein können.

Autor/in: 

(tt.)

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 05|2017, Seite 46

 
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