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Gründung

Da geht noch mehr!

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Die Dynamik bei den Gründungen hat in Deutschland nachgelassen. Eine DIHK-Studie zeigt, wie man für neuen Schwung sorgen könnte.

Es weht Gründergeist durch Deutschland. Besonders in den großen Städten etabliert sich eine Kultur junger Start-ups. Medien berichten gerne über diese Flaggschiffe der Digitalisierung. Ist also alles gut im Gründerland Deutschland? Der Blick auf das große Ganze sieht nicht so rosig aus. In Großbritannien erhöht jede Gründung das Bruttoinlandsprodukt im Schnitt um rund zwei Mio. Euro. In Deutschland ist der Impuls mit knapp einer Mio. Euro nicht einmal halb so stark. Zudem sinken in Deutschland die Gründungszahlen seit Jahren. Dies ergab eine internationale Vergleichsstudie, die der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) gemeinsam mit 17 anderen Organisationen herausgegeben hat.

Insgesamt gibt es derzeit nur etwa halb so viele Gründungen wie im Jahr 2004. Gründe sind die deutlich gesunkene Arbeitslosigkeit, also auch viel weniger Gründungen mangels anderer Alternativen. Zudem schrumpfen die gründungsstarken Jahrgänge zwischen 25 und 45. Sorgen macht vor allem eines: Das Gründungsinteresse der Erwerbsbevölkerung ist laut „Global Entrepreneurship Monitor 2016“ inzwischen niedriger als in allen anderen Industrienationen. Dabei ist das rohstoffarme Deutschland besonders auf die innovativen Ideen von Menschen und Unternehmen angewiesen.

Was können Politik und Wirtschaft also tun, damit der Gründergeist durch ganz Deutschland weht? Der Vergleich mit Israel und Großbritannien in der Studie „Unternehmertum – Schlüssel zum Wohlstand von morgen“ gibt darüber wertvolle Hinweise. Alle drei Länder stehen vor der Herausforderung, Innovationsfähigkeit, Wettbewerbsfähigkeit und Weltoffenheit der Unternehmen immer wieder zu sichern und so die Wirtschaft für künftige Herausforderungen fit zu machen. Ähnlich wie Deutschland heute erlebte das Vereinigte Königreich vor sechs Jahren eine Gründungsmisere. Dort ist die Trendwende inzwischen gelungen. In Israel hat sich trotz ungünstiger politischer Rahmenbedingungen und viel Bürokratie eine florierende Gründerszene etabliert.

Die gute Nachricht ist aber: Das Fundament stimmt auch hierzulande, Deutschland hat das Zeug zum Top-Gründerland. Folgende Punkte sprechen dafür:

  • Rechtsstaatlichkeit und gesicherte Eigentumsrechte bilden eine verlässliche Basis, um erfolgreich wirtschaften zu können.
  • Niemand hat es weit zu einem Kreditinstitut, seiner Bank, seiner Sparkasse, zu seinem Wirtschaftsförderer, zu seiner Kammer, zu Verbänden.
  • Der Zugang zum Kreditmarkt ist vergleichsweise einfach, nicht zuletzt dank des bewährten Drei-Säulen-Modells von Banken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Und es gibt viele, wenn auch bisweilen komplizierte Förderprogramme.
  • Junge Menschen sind zunehmend offen für die Idee der Unternehmensgründung.

Die schlechte Nachricht ist, dass an vielen Stellen renoviert werden muss: Bei der Gründungsdynamik liegt Deutschland im Dreiländervergleich hinten. Hierzulande kommen 4,4 Gründer auf 1 000 Erwerbsfähige. In Großbritannien sind es mit 8,3 fast doppelt so viele, in Israel sind es sogar rund zwölf Gründungen – das ist weltweit Spitze. Woran liegt es? Hierzu zwei weitere Fakten aus der Studie: 51 Prozent der Erwerbsfähigen geben hierzulande „Unternehmer“ als erstrebenswerten Karriereschritt an. Das ist zwar mehr als die Hälfte, aber wenig im internationalen Vergleich. In Großbritannien wollen 55 Prozent aller Erwerbsfähigen Unternehmer werden, im Top-Gründerland Israel sind es sogar fast zwei Drittel. Und: Deutschland hat Nachholbedarf bei der digitalen Infrastruktur, etwa bei der Verfügbarkeit von schnellem Internet. Hier liegt Großbritannien vorne.

Folgende Vorschläge unterbreitet die Studie:

Gute Beratungsinfrastruktur weiterentwickeln: Großbritannien macht gute Erfahrungen mit öffentlichen und kostenlosen Coworking-Spaces. In jeder Region sollten Kommunen und regionale Wirtschaft hierzulande solche Angebote prüfen.

Vernetzung unterstützen: Vor Ort gibt es gute Möglichkeiten, sich untereinander und mit der etablierten Wirtschaft zu treffen. Jährlich unterstützen etwa die IHKs Existenzgründer mit 200 000 Gesprächen und Kontakten, so ein Ergebnis des DIHK-Gründerreports 2016. Viele Gründer suchen überregionale, wenn nicht sogar internationale Vernetzung. Gute Chancen hierzu bietet die IHK-Organisation mit ihrem Netz von 79 IHKs im Inland und 130 Auslandshandelskammern (AHKs) und Büros in 90 Ländern weltweit.

Digitale Infrastruktur ausbauen: Deutschland braucht einen Fahrplan, um die Glasfaser- und Mobil-Infrastruktur flächendeckend auf den neuesten Standard zu bringen. Das würde auch helfen, die Ideenpotenziale im ländlichen Raum besser zu erschließen.

Mehr Mut beim Bürokratieabbau: In Deutschland gilt seit letztem Jahr die Bürokratiebremse „One in, one out“ (wenn eine neue bürokratische Belastung hinzukommt, soll eine andere Regelung entfallen). In Großbritannien heißt es seit einigen Jahren „One in, two out“. Von diesem Mut können wir lernen. Als erster Schritt bietet es sich an, dass Gründer ihre Umsatzsteuervoranmeldung nicht mehr monatlich, sondern vierteljährlich erledigen dürfen, wie etablierte Unternehmen auch. Acht Steuererklärungen weniger pro Jahr, das ist spürbar.

Finanzierungsbedingungen verbessern: Wagniskapital ist in Deutschland noch immer rar. Jetzt gehen KfW und Bundesregierung mit neuen, staatlichen Instrumenten an den Start. Und es gibt einen viel versprechenden Gesetzentwurf, Verluste beim Einstieg von Investoren besser zu berücksichtigen.

Unternehmertum und IT bereits früh im Schulunterricht vermitteln: Darauf sind viele Schüler neugierig, wie Untersuchungen zeigen (z. B. Deutsche Bank, Jugendstudie 2015). Und darauf sollten Hochschulen, Schulen, Medien und Politik und Wirtschaft aufbauen.

Autor/in: 

Dr. Marc Evers ist Leiter des Referats Mittelstand, Existenzgründung und Unternehmensnachfolge beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) in Berlin.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 06|2017, Seite 16

 
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