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Personaldienstleistungen

Eiszeit auf dem Arbeitsmarkt

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Die Personaldienstleister sind stets einer der Frühindikatoren für konjunkturelle Veränderungen. Sie spüren zurzeit deutlich die Rezession. Vor allem Firmen, die viel mit der Autoindustrie zusammenarbeiten, sind betroffen. Illustration: Petra Herberger

Kaum ein Wirtschaftszweig hat im letzten Jahrzehnt eine derart rasante Entwicklung durchlaufen wie die Zeitarbeit: So wies die Statistik der Bundesagentur für Arbeit 1998 in Bayern 643 "Verleihbetriebe" aus, zehn Jahre später waren es 2 600. Im selben Zeitraum ist die Zahl der Leiharbeitnehmer im Freistaat von rund 34 300 auf über 131 000 gestiegen.

Diesen Schub verdankt die Branche zum einen den Reformen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes, zum anderen der positiven Wirtschaftsentwicklung der letzen Jahre. Im Aufschwung haben viele Unternehmen das Instrument Leiharbeit genutzt, um schnell notwendiges Personal zu rekrutieren und damit ihre Kapazitäten an die Marktlage anzupassen. Diese Gesetzmäßigkeit hat manchen Personaldienstleistern astronomisch hohe Wachstumsraten beschert: Im Boomjahr 2006 legte der Branchenumsatz gegenüber dem Vorjahr um 25,7 Prozent auf 12,2 Mrd. Euro zu.

Manche Zeitarbeitsfirmen konnten solche Werte sogar noch toppen: So erzielte die I. K. Hofmann GmbH 2006 einen Umsatzzuwachs von 70 Prozent, 2007 lag das Plus bei 40 Prozent. Das von Ingrid Hofmann gegründete Unternehmen mit Sitz in Nürnberg gehört zu den großen deutschen Anbietern von Zeitarbeit und beschäftigt europaweit rund 13 000 Mitarbeiter. Schon im zweiten Halbjahr 2008 zeichnete sich für Ingrid Hofmann und andere Branchenakteure ab, dass die Phase des Turbowachstums ihrem Ende entgegengeht.

Als Seismograph der Konjunktur spürte die Zeitarbeit die Vorbeben der Finanz- und Wirtschaftskrise wesentlich früher als andere Wirtschaftszweige: Rechnen die Kundenunternehmen mit einer Auftragsflaute, schlägt diese Erwartung unmittelbar auf den Personal-Leasing-Markt durch: Die Nachfrage nach Zeitarbeit geht zurück. Aber diese pauschale Aussage verstellt den Blick auf die Details: Tatsächlich ist die Stimmung unter den rund 450 in Mittelfranken tätigen Zeitarbeitsfirmen angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Situation zwar nicht von Euphorie geprägt, aber auch nicht von einer kollektiven Depression. Alle sind sich einig, dass 2009 für die Branche ein herausforderndes Jahr wird. "Jeder wird die Auswirkungen spüren, die einen mehr, die anderen weniger", meint Monika Frenzel, Geschäftsführerin des Nürnberger Unternehmens Lorenz Personal. Noch beklagt ihr Unternehmen, das fast 600 Zeitarbeiter beschäftigt, keine dramatischen Einbrüche. Nur bei den Facharbeitereinsätzen im gewerblichen Bereich hinterlässt die Wirtschaftskrise erste Spuren, weil einige Kundenunternehmen Kurzarbeit angemeldet haben. Marginale Rückgänge sind bei der Nachfrage nach kaufmännischem Personal zu verzeichnen, der Bedarf an Ingenieuren ist dagegen nach wie vor hoch. Insgesamt sieht Monika Frenzel ihr Unternehmen gut gerüstet, um die Rezession halbwegs unbeschadet zu überstehen: "Wir haben immer auf langfristige und partnerschaftliche Beziehungen zu unseren Kunden und Mitarbeitern gesetzt und sind fest in der Region verankert, das macht sich jetzt bezahlt. Außerdem haben wir uns eine breite Branchenlandschaft aufgebaut, sodass wir nicht von einzelnen Segmenten oder Kunden abhängig sind."

Automobilbranche ausgebremst
Besonders hart trifft die lahmende Konjunktur zurzeit die Automobilbranche. Dies bekommen Zeitarbeitsfirmen empfindlich zu spüren, wie z.B. die Erfahrungen von Hofmann Personal Leasing zeigen: "Von unseren 70 Niederlassungen sind diejenigen zwölf am meisten betroffen, die ihren Schwerpunkt in der Automobil- und Automobilzulieferbranche haben, etwa Leipzig oder Regensburg. In Leipzig haben wir in größerem Umfang Kündigungen aussprechen müssen", erläutert Ingrid Hofmann. Zwar haben auch in Mittelfranken Automobilzulieferbetriebe Leiharbeitnehmer zurückgemeldet, aber aufgrund der heterogenen Wirtschaftsstruktur der Region konnte der Großteil in anderen Unternehmen eingesetzt werden. Ingrid Hofmann ist fest überzeugt, dass diejenigen Unternehmen die Krise am besten überstehen werden, deren Kundenspektrum einen "gesunden Mix an Branchen" aufweist.

Dieser Meinung ist auch Dieter Schäfer. Der Gründer und Mitinhaber des 1998 gegründeten Unternehmens Reppert & Schäfer Personaldienstleistungen, das in Nürnberg und Regensburg etwa 300 Zeitarbeiter beschäftigt, geht gelassen und optimistisch in das Jahr 2009: "Mittelständische, breit aufgestellte Zeitarbeitsfirmen können zuversichtlich sein." Sein Unternehmen hat sich auf qualifizierte Mitarbeiter im gewerblichen und kaufmännischen Bereich spezialisiert. Und Dieter Schäfer rechnet damit, dass Personal mit diesen Fähigkeiten von den Kundenunternehmen auch und gerade in Krisenzeiten gefragt bleibt.

Auch Thomas Assmann startet grundsätzlich zuversichtlich in das Jahr 2009. Der Chef der gleichnamigen Nürnberger Zeitarbeitsfirma, die rund 350 Mitarbeiter beschäftigt, baut auf sein "vernünftiges Geschäftsmodell mit einem breit gestreuten Kundenspektrum". Nach wie vor sei die Nachfrage nach Ingenieuren und qualifiziertem technischen Personal groß. Thomas Assmann hat seinen Schwerpunkt auf die Vermittlung dieser Klientel gelegt, deshalb sieht er sich weiterhin auf Expansionskurs: "Wir haben frühzeitig die Weichen gestellt. Innerhalb der Zeitarbeit wird der Helferbereich besonders stark einbrechen, und aus diesem Segment haben wir uns bis auf wenige Projekte zurückgezogen."

Dieter Schäfer teilt diese Einschätzung: "Ernste Probleme in unserer Branche werden diejenigen Anbieter bekommen, die vor allem auf hohe Vermittlungszahlen setzen und mit knappen Margen einen Preiswettkampf führen." Monika Frenzel von Lorenz Personal rechnet ebenfalls damit, dass es den Helferbereich am härtesten treffen wird: "Je niedriger die Qualifikation, desto kürzer die Abmeldezeit." Hinzu kommt, dass das Stellenangebot für gering qualifizierte Tätigkeiten schon seit Jahren abnimmt, in Mittelfranken ebenso wie in der gesamten deutschen Wirtschaft. Vor diesem Hintergrund vollzieht sich in der Zeitarbeit ein Strategiewechsel, den die aktuelle Konjunkturkrise beschleunigen dürfte: weg vom Massengeschäft der gewerblichen Zeitarbeit hin zum wachsenden Segment der hoch qualifizierten Arbeitskräfte.

Auf diesen Trend setzt der Nürnberger Personaldienstleister Werner Neumüller, der seit fünf Jahren auf dem Markt aktiv ist und seinen Fokus auf das Personal-Leasing von Ingenieuren im Bereich Forschung und Entwicklung gelegt hat. Auf der Mitarbeiterliste der Neumüller Ingenieurbüro GmbH stehen derzeit rund 150 Ingenieure. Und Werner Neumüller ist überzeugt, dass sich seine Firma auch im Krisenjahr 2009 "ungebrochen stabil entwickelt".

Darauf hofft auch Hella Vestner-Lieb. Die Geschäftsführerin des Erlanger Unternehmens Vestner Zeitarbeit hält "Schwarzmalerei für kontraproduktiv", wünscht sich allerdings mehr Verständnis und Unterstützung seitens der Wirtschaftspolitik. Gerade den kleinen und mittleren Zeitarbeitsunternehmen mache nämlich nicht nur der aktuelle Konjunktureinbruch zu schaffen, sondern auch die Steuerbelastung und steigende Krankenkassenbeiträge. Vestner beschäftigt circa 90 Zeitarbeiter und hat sich auf Fachpersonal für Handwerk und Industrie im Baunebengewerbe spezialisiert. Eine wichtige Rolle spielt dabei der Bereich Haustechnik. Hier erwartet Hella Vestner-Lieb, dass die Konjunkturpakete der Bundesregierung zu einer Stabilisierung der Auftragslage beitragen.

Zukunftserwartungen abgekühlt
Das Stimmungsbild in der Zeitarbeitsbranche fällt zwar gemischt aus. In einem Punkt herrscht jedoch Einigkeit: Zweistellige Wachstumsraten sind bis auf weiteres passé. Für 2009 haben die Zeitarbeitsunternehmen der Region ihre Erwartungen deutlich zurückgeschraubt: Ingrid Hofmann wäre "überglücklich" über eine Stagnation: "Aufgrund des überdimensionalen Wachstums unseres Unternehmens in den letzten Jahren rechne ich jedoch mit einem Umsatzrückgang von mindestens zehn Prozent." Dennoch sei die Stimmung bei den Mitarbeitern nicht niedergeschlagen, sondern sogar "verhalten optimistisch": "Wir nutzen die Zeit, um unsere Organisation leistungsfähiger zu machen und wünschen uns, dass wir ähnlich wie in den Jahren 2001/2002 gestärkt aus der Krise hervorgehen."

Die Geschäftsführerin von Lorenz Personal sieht 2010 "Licht am Ende des Tunnels", denn das mittel- und langfristige Wachstum ihrer Branche steht für Monika Frenzel außer Frage: "Sobald die Konjunktur wieder anzieht, werden die Zeitarbeitsfirmen zu den ersten gehören, die vom Aufschwung profitieren." Wann dieser Wendepunkt zu erwarten ist, vermag derzeit niemand vorauszusagen. Monika Frenzel spricht aus, was wohl die meisten ihrer Wettbewerber denken: "Keiner weiß im Moment genau, was kommt. Es ist eine Gleichung mit ganz vielen Unbekannten."

Autor/in: 

Andrea Wiedemann

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 02|2009, Seite 22

 
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