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Das Milliardenspiel

41 000 000 000 Euro – oder, wenn auch Ihnen unsere alte Währung noch geläufiger ist: rund zweiundachtzig Mrd. DM! Was man damit anfangen könnte? Zum Beispiel vier Mio. VW Lupo kaufen; 82 000 Mitmenschen über Nacht zu Millionären machen; oder 200 000 Einfamilienhäuser bauen ...

Sicher, diese Frage ist hypothetisch. Unsereins wird sie sich wohl ein Leben lang nicht stellen. Außer es hätte einer das Zeug zum Bundesfinanzminister! Denn dem fließt diese Summe im Jahr 2001 allein an Mineralölsteuer zu! Nach der Lohn- und Umsatzsteuer steht die Tankzwangsabgabe damit an dritter Stelle der Bundeseinnahmen, was bei einem aktuellen Steueranteil von 1,46 DM je Liter Benzin kaum verwundert.

Die Statistik belegt, wie reichlich diese Quelle in den letzten Jahren sprudelte: Von 1988 bis 2000 stieg das Aufkommen von 27 auf 74 Mrd. DM – vor allem bedingt durch die in der Zwischenzeit sieben Mal erhöhten Mineralölsteuersätze.

In diesem Jahr wachsen die Einnahmen erneut um zehn Prozent auf die oben genannte Rekordsumme: wegen der dritten Ökosteuerstufe, die den Bürger pro Liter weitere sieben Pfennig kostet; und weil die Ölkonzerne seit Monaten besonders ungeniert an der Preisschraube drehen – worüber sich der Bundesfinanzminister auch noch mehrwertsteuermäßig ins Fäustchen lachen kann. Und: Die nächste Ökosteuererhöhung steht uns turnusgemäß schon im Januar 2002 ins Haus. Gute Karten für den Minister!

Was macht Hans Eichel mit dieser Steuerflut? Im Haushalt 2001 wurden für den Bundesfernstraßenetat tatsächlich 10,82 Mrd. DM bereitgestellt! Das ist bemerkenswert, denn nur einmal hat der Staat zwischen 1991 und 1999 mehr Geld für den Straßenbau und –unterhalt ausgegeben: 1992, als zusätzliche Mittel für den schwer lahmenden „Aufschwung Ost“ erforderlich wurden.

Und der Rest? Ein Teil der 71 Mrd., die Einnahmen aus der Ökosteuer, versickert bekanntlich im Rentenfinanzierungsloch – Deutschland ist das einzige Land dieser Welt, das die Altersversorgung seiner Bürger an der Tankstelle sichern will. Ein weiterer Großteil landet, mehr oder weniger zweckentfremdet, in diversen staatlichen Finanzierungstöpfen. Als ob es den drohenden Verkehrskollaps nur in den Denkmodellen der Verkehrsforscher geben würde: 20 Prozent mehr Personen- und 64 Prozent mehr Güterverkehr auf der Straße bis 2015 – wo sollen all die Pkw und Lkw denn hin?

Wirksam bekämpfen lässt sich die nahende Mobilitätsbankrotterklärung nur, indem man das Wegenetz dort zügig ausbaut, wo die Umwelt dies verträgt – einige Fernstrecken, wie etwa die durch unsere Region führende zweispurige A 6, haben ihre Kapazitätsgrenzen längst überschritten; und indem man gleichzeitig den ausufernden Transitverkehr effektiv an den Bau- und Unterhaltskosten dieses teuren Netzes beteiligt – die geplante Lkw-Gebühr von rund 30 Pfennig pro Kilometer ist im internationalen Vergleich viel zu niedrig angesetzt und eignet sich zudem wohl kaum als Schutz des heimischen Transportgewerbes vor (ost-)europäischer Billigkonkurrenz. Ja, und was spräche denn wirklich gegen eine einträgliche Autobahnvignettenlösung für Pkw, wie sie uns die Nachbarn vorexerzieren?

Beides zusammen – eine stärkere Zweckbindung der Einnahmen aus der Mineralölsteuer und eine wirksame finanzielle Beteiligung des privaten und gewerblichen Transitverkehrs – könnte helfen, aus Deutschland nicht Europas größtes Stauprojekt, sondern ein Vorbild für gut funktionierende Mobilität zu machen. Dazu müsste das Steuermilliardenspiel allerdings neu gemischt werden ...
Autor/in: Joseph Harrer,Joseph Harrer ist Chefredakteur der Zeitschrift „Auto + Reise“, dem Mitgliedermagazin des Auto- und Reiseclubs Deutschland ARCD mit Sitz in Bad Windsheim
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 07|2001, Seite 24

 
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