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Weiterbildung auf der virtuellen Schulbank

„Der Aufbruch ins Internet-Zeitalter ist geschafft, jetzt müssen wir den Durchbruch verwirklichen“, bilanzierte Erwin Staudt, Vorsitzender der Initiative D21 auf dem Nürnberger Jahreskongress, die letzten zwei Jahre Vereinsarbeit. Ziel der Initiative ist es, den Weg in die Informations- und Wissensgesellschaft zu ebnen.
An den Segnungen einer medienkompetenten Internet-Gesellschaft ließ der Chef von IBM-Deutschland keinen Zweifel aufkommen. Ohne digitale Spitzenposition könnten weder die besten Autos noch die besten Maschinen gebaut werden. „Wer bei diesen Wachstumschancen schlampt, gefährdet unsere Zukunft,“ mahnt Staudt mit Blick auf die derzeit triste Stimmung in der so genannten New Economy. Immerhin investierten allein die 30 Dax-Unternehmen in diesem Jahr 17 Mrd. DM ins e-business. Auch die Jugend glaube an das Internet und setze auf „Future statt Null Bock“.
Nun, so eine D21-Forderung, stehen auch Bund, Länder und Kommunen in der Pflicht. Im Segment des e-government gelte es, Behördengänge und Abläufe zu beschleunigen, zu vereinfachen und billiger zu machen. Deutschland könnte die erste Online-Demokratie des 21. Jahrhunderts werden, ein virtueller Urnengang wäre bis 2006 zu schaffen.
Zentrales Kongressthema war der Komplex Wissensgesellschaft und Bildungspolitik. Bundesweit sind so gut wie alle Schulen mit einem Internet-Zugang ausgerüstet, stellte Kanzleramtsminister Hans Martin Bury fest und bezeichnete die digitale Spaltung der Gesellschaft in Gewinner und Verlierer als Debatte von gestern. Auch das Klischee vom hilflosen Lehrer vor Internet-versierten Kids ist weitgehend passé. Regionale D21-Ableger qualifizieren die Lehrer vor Ort. Die Aktion „Marktplatz für Schulen“ möchte mittels Schulsponsoring „Steinzeitgeräte“ austauschen. „Machen Sie die Schulen zu 386er und 486er-freien-Zonen“, ermuntert Staudt angesichts verkürzter Abschreibefristen.
„Heute wird Wissen schneller produziert, als gelernt werden kann,“ flankiert Bernhard Jagoda, Präsident der Bundesanstalt für Arbeit. Deshalb müsse die Bereitschaft zum „Lernen lernen“ intensiv gefördert werden, um über die Weiterbildungsmaßnahmen Beschäftigte im Job zu halten bzw. wieder in Arbeit zu vermitteln. Man solle sich aber von dem Irrglauben verabschieden, dass man mit 35 Jahren zu alt für die IT-Welt sei.

e-learning
Zentrales Instrument der Wissensgesellschaft ist das e-learning, das ein zeitlich und räumlich individuelles Lernen ermöglicht und auch die Selbstbestimmung des Lerntempos gestattet. D21 hat berechnet, dass sich durch computergestütztes Lernen allein bei der öffentlichen Hand fünf Mrd. DM einsparen ließen. Die Wirtschaft könnte in Summe ebenfalls ein Drittel der anfallenden Weiterbildungskosten, also 20 Mrd. DM, durch wegfallende Reise- und Tagungskosten weniger ausgeben.
Bei den e-learning-Angeboten auf CD-Rom oder via Internet geht es allerdings noch drüber und drunter, weil bundesweite Standards für Methodik und Inhalte fehlen. Unternehmen stricken sich aus Angst vor der Konkurrenz lieber eine hauseigene Lösung und lassen sich nicht in die Karten schauen. Weiterbildungsinstitute gewichten – je nach Überzeugung oder Interessen – Online- und Präsenzphasen, setzten virtuelle Tutoren ein und bevorzugen virtuelle Klassenzimmer, Teilnehmer-Chats - oder auch nicht. Für manchen Anbieter steht selektives Lernen im Vordergrund, um mit einem virtuellen Verkaufstraining die besseren Argumente für Preisverhandlungen zu erlangen.
Derzeit bremst allerdings nach wie vor der anhaltende IT-Fachkräftemangel das Tempo. Deshalb versuchte die Initiative „IT meets me“, mehrere hundert Schülerinnen für technische Berufe, die noch immer als Männerdomäne gelten, zu begeistern. Vielfach fehle dem weiblichen Nachwuchs eine konkrete Vorstellung von künftigen Tätigkeiten, monierte das „Kompetenzzentrum Frauen in Informationsgesellschaft und Technologie“. Außerdem behinderten tradierte Klischees an den Schule den Vormarsch der Frauen in die Internet-Zukunft, meint Barbara Schwarze, Leiterin des Forums Informationsgesellschaft beim Wirtschaftsministerium. Personalchefs in großen Konzernen ignorierten in ihren Stellenanzeigen die Art, „wie Frauen ticken“. Und viele Mittelständler kämen gar nicht auf die Idee, Ausbildungsplätze für Mädchen bereitzustellen. Außerdem würden niedrigere Gehälter als für männliche Kollegen und fehlende Vorbilder in den Top-Etagen von Wirtschaft und Wissenschaft das Zaudern bestärken. Zumal in der Berufswelt entsprechende Angebote, um Kinder und Karriere unter einen Hut zu bringen, immer noch Mangelware seien.
Mit vielfältigen Maßnahmen wird mittlerweile gegengesteuert: So buhlte etwa das D21-Unternehmen Alcatel mit „Wer braucht schon Männer?“ um weiblichen Nachwuchs. Mit Aktionen wie dem „Girls Day“ öffneten zuletzt 40 Hightech-Firmen ihre Pforten, um 1 800 Töchtern der Mitarbeiter Lust auf Technik zu machen. Das Mentoring-Programm „Muffin21“ bietet Informatik-Studentinnen pragmatische Hilfe bei Einstieg und Aufstieg in der Arbeitswelt von berufserfahrenen Frauen. Und Studiengänge, wie etwa der Internationale Frauenstudiengang Informatik der FH Bremen, werden von großer Akzeptanz überrascht. tt.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 11|2001, Seite 18

 
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