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Möbeldesign: Zwischen Ästhetik, Technik und Mode

Bis Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts war die Produktion von Möbeln eine weitgehend handwerkliche Angelegenheit, später änderte sich dies aufgrund neuer Materialien und Fertigungstechniken nachhaltig. Das alles hatte weitreichende Folgen für die Gestaltung von Möbeln. Zwar sind heute nahezu alle Möbelhersteller im In- und Ausland mittelständische Betriebe, die Fertigungsmethoden orientieren sich aber oft mehr an industriellen Prozessen als an handwerklichen Traditionen. Kostendruck im internationalen Wettbewerb zwang zur rationellen Fertigung, erforderte aber auch eine Produktdifferenzierung durch Design.
Der Ursprung des modernen Möbeldesigns kann zwar bis ins 19. Jahrhundert zurückverfolgt werden, in der Gestaltsprache des heutigen Designs wirken aber hauptsächlich die Einflüsse des Bauhauses, der internationalen Moderne und der wohl einflussreichsten Möbeldesigner des 20. Jahrhunderts, Charles und Ray Eames nach. Die scheinbare Abkehr von diesen Prinzipien in den achtziger Jahren durch die Buntheit der Postmoderne war wohl eher ein modischer Schlenker auf der Suche nach neuen Wegen als eine Perspektive für das neue Jahrtausend. Verschämt wandte man sich in den neunziger Jahren einem Minimalismus zu, der aus Unsicherheit über den eigenen Weg gerne Anleihen bei diversen Nachkriegsjahrzehnten vornahm. Am Anfang eines neuen Jahrtausends stellt sich natürlich die Frage, welche Trends das Möbeldesign der kommenden Jahre prägen werden.

Neue Kunststoffe und Produktionsverfahren prägen das Design
Das Jahr 2001 hat aufgrund von Kubriks 1968 gedrehtem Kultfilm eine ganz besondere Bedeutung erlangt. Damals hatte gerade die Zukunft nicht nur im Weltraum, sondern auch im Möbelbau begonnen. Verantwortlich dafür war nicht die Genialität einiger Designer, sondern zunächst mal die Erfindung neuer Kunststoffe und Produktionsverfahren. Hatten Charles und Ray Eames schon sehr früh mit Kunststoffen experimentiert, brach Ende der sechziger Jahre eine Welle von neuartigen Kunststoffmöbeln über den Markt herein. Designer führten den Pop mit Hilfe des Kunststoffes in eine bunte und kurvenreiche Möbelwelt ein. Kein Wunder also, dass gerade Möbel aus dieser Zeit heute viele Neuauflagen erfahren.
Demografische, soziale und ökonomische Veränderungen haben in den achtziger Jahren weit reichende Folgen für den Möbelbau hinterlassen. Ein starker Trend zur Selbstfindung verstärkte die Individualisierung der Gesellschaft, mit der Single-Kultur entstand ein neues Wohnbewusstein. Flexibilisierung in jeder Hinsicht wurde zum Thema. Wo ein Ortswechsel aus beruflichen Gründen zur Selbstverständlichkeit wurde, musste die Wohnungseinrichtung einer solchen Beweglichkeit angepasst werden. Einzelmöbel, die unter immer neuen Bedingungen zu vernünftigen und gleichzeitig attraktiven Lösungen kombinierbar waren, ersetzten die bisher üblichen Einbauschränke. Die Küche beispielsweise wurde zu einem Szenarium, das gleichzeitig ein besonderes Lebensgefühl vermitteln sollte, aber die Wandlung desselben mühelos mitgehen musste.
So hat das neue Jahrtausend eher unsicher begonnen. Es wird abwechselnd in den verschiedenen Nachkriegsjahrzehnten gewildert. Die letzten Möbelmessen in Köln und Mailand zeigten, dass es wahrscheinlich drei Einflussgrößen geben wird, die das Design der nächsten Jahre prägen werden. Zum einen wird die technische Entwicklung das Design nachhaltig beeinflussen. Als zweiter Faktor werden spielerischer Umgang mit den Funktionen und die damit verbundene Emotionalität immer wichtiger. Und drittens bekommt die skulpturale Wirkung von Möbeln eine neue Bedeutung.
Die technische Entwicklung bei Materialien und neuen Technologien wird nicht nur die Funktionalität der Möbel entscheidend erweitern, sondern auch die formale Gestaltung stark beeinflussen. Neue Oberflächen verheißen eine schier unbegrenzte Anzahl von Erscheinungsbildern bei gleicher Form. Bei der Kunststoffverarbeitung sind die Forscher genauso wenig am Ende wie bei den Verbindungstechniken. Formholz bietet unendliche Möglichkeiten der Ausformung, hohe Materialfestigkeiten erlauben eine bisher nicht gekannte Schlankheit.

Auch Zulieferteile bestimmen
neue Formen

Bei den Zulieferteilen können die Möbelhersteller auf immer raffiniertere Beschläge und Ausbauteile bis hin zur Beleuchtung zurückgreifen. Vorbei sind die Zeiten, als ein Schrank aus Klapptüren und einem Korpus bestand, der aus Schrauben und Billigscharnieren zusammengedonnert war. Der moderne Schlafzimmerschrank beispielsweise wird mit einer entsprechenden Ausstattung schnell zu einem modernen Service-Center mit sensorgesteuerter Beleuchtung, Softschließung und Einbauten, die dem Benutzer entgegenkommen, statt umgekehrt. Aus all diesen technischen und funktionalen Möglichkeiten ergeben sich neue Produkte, die von den Designern in eine differenzierte Formensprache umgesetzt werden. Am Ende diese Prozesses steht die Produktion von individuellen Möbeln. Dabei wird jedes Möbel mit Hilfe computergesteuerter Fertigungstechniken auf die individuellen Wünsche des jeweiligen Käufers zugeschnitten.
Seit einigen Jahren gibt es zahlreiche junge Designer, die Möbel mit einer spielerischen Attitüde gestalten. Diese Möbel laden zur interaktiven Benutzung ein. Durch Anfassen verändern Leuchten ihre Farbe oder Helligkeit, Klapp-, Zieh- oder Steckmechanismen lassen Sofas in Sekundenschnelle ihr Aussehen wechseln, Regalfächer lassen sich mit Hilfe von Magnetbefestigungen spielend leicht versetzen. Dabei gab es die Variabilität der Möbel schon immer, neu ist aber der anregende Charakter der Veränderbarkeit. Dem Nutzer soll es Freude machen, das Möbel spielerisch in einen anderen Zustand zu bringen. Und dazu gehört auch die emotionale Qualität des Möbels. Vorbei sind die Zeiten, als Funktionalität und Emotionalität sich auszuschließen schienen. Von jedem Möbelstück wird heute als Basisqualität das Ansprechen der menschlichen Sinne verlangt.
Als drittes stilgebendes Element wird die skulpturale Ausformung der Möbel an Bedeutung gewinnen. Das Revival der Einzelmöbel hat nach der Einbaueuphorie der sechziger Jahre Möbel wieder zu dem gemacht, was sie immer waren: Mobilien, bewegliche Gegenstände. Und als solche sollen sie heute auch eine entsprechende Eigenwirkung haben. Der Sessel, das Sofa, der Schrank werden zu ausdrucksstarken Skulpturen im Raum. Damit erhält der Nutzer bisher nicht gekannte Möglichkeiten der Selbstdarstellung und –profilierung.
Das Design moderner Möbel wird unter all diesen Bedingungen immer vielfältiger, ohne bisher alle Möglichkeiten ausgeschöpft zu haben. Der Nutzer kann sich auf immer differenziertere und individuellere Wohnwelten mit hohem Gebrauchsnutzen freuen.
W. Otto Geberzahn

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 11|2001, Seite 26

 
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