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Die kleine, aber feine Ecke im Bocksbeutel-Land Franken

 

 

Winzer, Vermarkter und Tourismuswirtschaft haben Wein aus Mittelfranken als touristisches Zugpferd entdeckt. Die „Mittelfränkische Bocksbeutelstraße“ soll die Tropfen aus der Region noch bekannter machen und weitere Gäste anziehen. Im traditionellen Weißwein-Land Franken ist jetzt auch Rotwein im Kommen.
Wein, eines der ältesten Getränke der Menschheit, wird nicht auf den ersten Blick mit Bayern in Verbindung gebracht – sehr wohl jedoch mit Franken. Franken, mit rund
6 000 Hektar Rebfläche eines der kleinsten Weinanbaugebiete Deutschlands, hat eine zwölfhundertjährige Weinbau-Tradition, die mit Schenkungen Karls des Großen im Hammelburger Raum begann. Zwischen dem 9. und 11. Jahrhundert breitete sich der Weinbau sehr schnell über das ganze Maintal und dessen Nebentäler aus. Bis zum 16. Jahrhundert erreichte der Weinanbau in Franken seine mit 40 000 Hektar größte Ausdehnung durch intensive Förderung und Nachfrage weltlicher und geistlicher Grundherren. Selbst klimatisch weniger begünstigte Randlagen wie der fränkische Jura und das heutige „Bierland“ um Bamberg und Kulmbach betrieben in dieser Zeit Weinbau und der Rebensaft war ein ausgesprochenes Volksgetränk.

Schleichender Rückgang
Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts setzten jedoch drei große Rückschläge dem Weinbau zu: Der Dreißigjährige Krieg verwüstete im 17. Jahrhundert ganze Landstriche und es standen kaum noch Arbeitskräfte für die Landwirtschaft zur Verfügung. Die verschlechterten klimatischen Bedingungen ließen den Weinanbau in Ober- und Mittelfranken fast völlig zum Erliegen kommen und das Bier kam damals als Volksgetränk in Mode. Den zweiten großen Rückgang erfuhr der Weinbau durch die Auflösung der Klöster und ihrer Güter in der Zeit der Säkularisation. Durch den Anschluss Frankens an Bayern wurden überdies Pfälzer Weine bevorzugt und so sank die fränkische Rebfläche auf rund 10 000 Hektar. Den dritten großen Rückgang verzeichnete man, bedingt durch die Industrialisierung und die epidemieartige Ausbreitung von Rebläusen und Pflanzen-Mehltau im frühen 20. Jahrhundert. Eine wirtschaftlich rentable Weinerzeugung und Vermarktung war damit in Franken kaum noch möglich und die Rebfläche erreicht mit nur noch rund 2 300 Hektar 1959 ihren tiefsten Stand.

Wiederaufbau und Restrukturierung
Seit Mitte der 50er Jahre wurden 112 Flurbereinigungsverfahren durchgeführt, die eine Fläche von über 3 000 Hektar neu ordneten. Dies verursachte nach Angaben des Fränkischen Weinbauverbandes insgesamt Kosten von über 200 Mio. Euro, war jedoch notwendig, um einer unwirtschaftlichen Parzellierung entgegenzuwirken, Wüstungen und Auflassungen auszugleichen und landschaftsplanerische und ökologische Belange zu berücksichtigen. Das Weinbaugebiet Franken stellt sich seither auf 24 Groß- und 226 Einzellagen verteilt dar, wobei etwa 20 Prozent der Gesamtfläche Steil- und Terrassenlagen sind. Fünf Prozent oder rund 300 Hektar der fränkischen Rebfläche liegen in Mittelfranken. Franken gilt als klassisches Weißweingebiet, mit nur etwa zehn Prozent Rotweinanteil, der jedoch eine klar steigende Tendenz aufweist.

Betriebsstrukturen und Erzeugung
Rund 6 600 Weinbaubetriebe, einschließlich zwei großen Gütern und einem staatlichen Betrieb, erzielten im Jahr 2000 einen Umsatz von etwa 190 bis 200 Mio. Euro. Nur 37 Prozent der Betriebe werden im Haupterwerb geführt, die durchschnittliche Betriebsgröße liegt bei knapp drei Hektar. Nur etwa zehn Prozent aller Betriebe beziehen aus dem Weinbau ein Gesamteinkommen zwischen 70 und 100 Prozent. Die Durchschnittsgröße einschließlich Nebenerwerbsbetrieben beträgt daher nur knapp einen Hektar. In Mittelfranken fallen etwa 45 Prozent der Winzerbetriebe in diese Größenordnung. Neben den reinen Anbaubetrieben - etwa zwei Drittel aller Betriebe sind genossenschaftlich erfasst - gibt es auch Wein ausbauende Betriebe, die also nicht an eine Genossenschaft oder die Gebietswinzergenossenschaft (GWF) abliefern. Ihre Zahl wird vom Weinbauverband mit 940 beziffert. Dabei steht bei diesen Selbstvermarktern der Endverbraucher klar an erster Stelle der Kundschaft, gefolgt von der Gastronomie. Zusammen machen diese für die mittelfränkischen Selbstvermarkter fast 100 Prozent aus. Für das Geschäft mit dem Handel, vor allem überregional und mit großen Handelsketten, ist in erster Linie die GWF mit Sitz in Kitzingen zuständig. Ihr kommt aufgrund ihrer Größe von über 2 300 Mitgliedern und mehr als 1 200 Hektar Ertragsrebfläche, eine markt- und preisstabilisierende Funktion zu.
Der Beschäftigungsstand im Weinbau beläuft sich nach Verbandsangaben auf rund
1 300 vollzeitbeschäftigte Familienarbeitskräfte und etwa 5 300 Teilzeitbeschäftigte. Hinzu kommen noch rund 400 familienfremde Vollzeit- und fast 8 000 Teilzeitkräfte. In Mittelfranken arbeiten 90 Prozent aller Winzer als Familienbetrieb ohne weitere Angestellte.

Ertrag und Sortenvielfalt
Die Gesamtweinerzeugung des Weinbaugebiets Franken liegt nach Angaben des Weinbauverbands bei jährlich etwa 520 000 bis 560 000 Hektolitern, was jedoch auf Grund der großen Wetterabhängigkeit starken Schwankungen unterliegen kann. Für das Jahr 1999 wurde die rekordverdächtige Zahl von rund 650 000 Hektolitern genannt, die nur von den Jahren 1989 und 1992 übertroffen wird. Für 2001 schätzte der Verband eine Erntemenge von etwa 490 000 Hektolitern.

Klasse statt Masse
Rudolf Fähnlein, Bezirksdirektor des Bayerischen Bauernverbands für Mittelfranken, betont die enorm ertragsteigernden Anstrengungen von Wissenschaft, staatlich gefördertem Versuchsanbau und Winzern, die in den letzten drei Jahrzehnten den Weinanbau effizienter gemacht hätten. So lag der Hektar-Ertrag 1965 bei unter 50 Hektolitern, wohingegen man im Jahre 1999 einen Spitzenwert von 123 Hektolitern pro Hektar eingefahren hat. Durchschnittlich geht man heute von 80 bis 100 Hektolitern pro Hektar in einem normalen Jahr aus. Ständig erhöht hat sich im gleichen Zeitraum der Anteil von Weinen höherer Qualitätsstufen im Vergleich zu Tafelwein. Lag dessen Anteil zeitweilig bei über zehn Prozent, so hat man ihn heute auf teilweise unter ein Prozent zurückgefahren. Der Anteil von Qualitätswein wurde für 2000 mit rund 15 Prozent angegeben. Prädikatsweine hatten sogar einen Anteil von über 80 Prozent, worin sich die klare Qualitätsorientierung ausdrücke, aber auch ein exzellenter Sommer. „Guter Wein“, so Andreas Oestemer, Präsident des Fränkischen Weinbauverbandes, sei immer das Ergebnis einer „fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen Mensch und Natur.“

Mut zu Vielfalt und Innovation
Bei den Rebsorten nimmt heute die Weißweinsorte Müller-Thurgau den ersten Platz ein. Für Mittelfranken ist das eine Fläche von gut 150 Hektar, gefolgt vom traditionellen Silvaner mit 50 Hektar und den jüngeren, aber gut etablierten Sorten Bacchus und Kerner mit 44 bzw. 15 Hektar. Der Rote ist noch immer vergleichsweise schwach vertreten, so entfallen auf die Sorten Spätburgunder und Domina jeweils etwa dreieinhalb Hektar in Mittelfranken. Etwas stärker ist der generell gut gefragte Dornfelder mit über vier Hektar. Bei der Zahl der Neuanpflanzungen von Rebstöcken liegt der Rotwein jedoch auf den vorderen Plätzen. Dies spiegelt die allgemein starke Nachfrage nach deutschem Rotwein, der auch vor einer Weißwein-Hochburg wie Franken nicht Halt macht, wider. Weitere Sorten, wie die französische Chardonnay-Rebe, der neue „Regent“ und andere Neuzüchtungen, befinden sich im Versuchsanbau und sollen mittelfristig das Sortiment diversifizieren. 16 Prozent der mittelfränkischen Winzer produzieren aus diesem Grund auch Sekt.
Von der gesamten Weinmenge werden etwa 40 Prozent im Bocksbeutel, dem traditionellen Symbol für Frankenwein, und der Rest in Literflaschen abgefüllt. Die Hälfte des Weins wird in einem Umkreis von bis zu 80 Kilometern abgesetzt, weitere 33 Prozent in einem Umkreis von bis zu 250 Kilometern.

Mittelfränkische Bocksbeutelstraße
Malerische Mittelgebirgslandschaften des Steigerwaldes und der Frankenhöhe umsäumen ein knapp 50 Kilometer langes Wege- und Straßennetz im Kreuz Nürnberg, Würzburg, Bamberg und Rothenburg ob der Tauber: die mittelfränkische Bocksbeutelstraße. Sie führt durch eines der wärmsten und trockensten Gebiete Deutschlands mit günstigen klimatischen Gegebenheiten für Weinanbau. Die Bocksbeutelstraße ist aber auch eine Arbeitsgemeinschaft aufgeschlossener, engagierter Gastwirte, Winzer, Weinbauvereine und Kommunen, die die touristische Bedeutung von Weinbau, Naherholung und Naturerlebnis als Wirtschaftsfaktor erkannt haben. Kaum ein Wirtschaftsbereich in Westmittelfranken, so Rudolf Fähnlein vom Bauernverband, habe in den letzten sechs Jahren einen ähnlichen Aufschwung erlebt. Zahlreiche Investitionen wie die Einrichtung und Pflege von Weinwanderwegen aber auch Marketingmaßnahmen wie Veranstaltungsmanagement für Hof- und Weinfeste sowie Messebeteiligungen von Nürnberg bis Berlin hätten den aufstrebenden mittelfränkischen Weinorten zahlreiche Neukunden gebracht. Stolz ist er besonders darauf, dass die Selbstvermarktungsquote seit 1984 von 20 auf 80 Prozent gestiegen ist. Wenn die Mehrzahl der Gäste aus dem Großraum Nürnberg stamme, so zeige dies die Bedeutung der Region als Naherholungsgebiet. Intensivieren wolle man aber auf Grund einer Umfrage unter den Mitgliedern auch die Werbung in weiter entfernten Regionen, um die Verbindung von Wein und Fremdenverkehr als Standbein weiter auszubauen. Oliver Dehn
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 04|2002, Seite 12

 
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