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Sozial- und Umweltcharta gelten auch in Brasilien

Premiumprodukte werden in Deutschland hergestellt, Massenware in Niedriglohnländern – eine Strategie vieler deutscher Unternehmen. Oftmals zum Unmut der Belegschaft im Stammwerk, die fürchtet, durch Sozialdumping und Niedriglöhne um ihren Arbeitsplatz gebracht zu werden. Doch Auslandsaktivitäten haben nicht nur mit Lohnkosten zu tun, sondern auch mit Markterschließung. Nicht immer steht es mit den Sozialstandards dabei zum Besten. Ein Positivbeispiel: der Schreibwarenhersteller Faber-Castell mit Stammsitz in Stein bei Nürnberg. Dort wurde im März dieses Jahres eine freiwillige für die gesammte Unternehmensgruppe weltweit gültige Sozialcharta eingeführt. Deren Einhaltung wird durch die IG Metall und durch den Internationalen Bund der Bau- und Holzarbeiter regelmäßig überprüft.
Die wichtigsten Auslandsniederlassungen von Faber-Castell sind – seit mehr als 70 Jahren - die zwei Werke in Sao Carlos im Süden Brasiliens (Bundesstaat Sao Paulo). Dort arbeiten rund 2 350 Beschäftigte in den größten Blei- und Buntstiftfabriken der Welt (Jahresproduktion rund 1,5 Mrd. holzgefasste Stifte). Daneben beschäftigt Faber-Castell noch mehr als 500 Mitarbeiter in einer Pinien-Plantage mit angeschlossenem Sägewerk und Brettchenfertigung im Bundesstaat Minas Gerais.
Die Sozialleistungen in den Werken sind beispielhaft: kostenloses Frühstück, günstiges Mittagessen, 80 Prozent Zuschuss zur medizinischen Versorgung, regelmäßige Gymnastikpausen während der Arbeitszeit, kostenlose Fortbildungskurse für interessierte Mitarbeiter, (z.Z. regelmäßig 700 Teilnehmer) ein Faber-Castell-Club für die Freizeitgestaltung. Die Löhne, die von Faber-Castell gezahlt werden, liegen weit über dem regionalen Durchschnitt. Rund 300 Euro pro Monat erhält ein Bleistiftarbeiter in Sao Carlos bereits als Einstiegsgehalt. Gemessen an Deutschland wenig, doch im Vergleich zu einem Arbeiter, der in Sao Carlos im VW-Motorenwerk arbeitet und mit rund 200 Euro Monatslohn anfängt, durchaus ordentliches Geld. Dazu kommt eine Gewinnbeteiligung von rund 280 Euro pro Jahr, die von der Gewerkschaft der Bleistiftarbeiter ausgehandelt wurde. „Für uns“, sagt Antonio Dias Guillen Filho, der dieser Gewerkschaft bereits seit 35 Jahren vorsitzt, „hat sich durch die Sozialcharta eigentlich überhaupt nichts verändert, weil Faber-Castell diese Standards schon seit vielen Jahren einhält.“
Keine Bezahlung unterhalb des gesetzlichen Mindestlohns, Gewerkschaftsfreiheit, keine Kinderarbeit – in der im März 2000 abgeschlossenen Sozialcharta, sind all diese Punkte noch einmal nach außen dokumentiert. Der Text der Sozialcharta wird in allen Werken ausgehängt und ist für die Mitarbeiter jederzeit einsehbar – egal ob in der Bleistiftfabrik in Sao Paulo, im Sägewerk in Prata oder bei der Radiergummiproduktion in Indonesien. Eine Selbstverpflichtung, die keineswegs nur auf Altruismus beruht. Auch der Walt-Disney-Konzern und andere Abnehmer von Faber-Produkten legen Wert darauf, dass eine sozial verantwortliche Produktionsweise nachgewiesen werden kann. Zum sozialen Gütezeichen kommt das ökologische Gütezeichen – im Juni 1999 wurde den Faber-Castell-Plantagen in Prata das Umweltgütesiegel „FSC“ (Forest Stewardship Council) verliehen, ein Zertifikat für nachhaltig umweltschonende und sozial verträgliche Waldbewirtschaftung.
Rainer Heubeck
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 04|2002, Seite 46

 
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