Telefon: +49 911 1335-1335

25. Todestag des Vordenkers aus Fürth

Es war ihm nicht in die Wiege gelegt, einmal berühmt zu werden, als er am 4. Februar 1897 das Licht der Welt in Fürth erblickte. Ludwig Erhards Vater hatte sich aus dem, was man damals „kleine Verhältnisse“ nannte, heraufgearbeitet zu einem Weißwarenhändler und sich damit eine mittelständische Existenz aufgebaut. Auf den Sohn wartete somit ein kaufmännischer Beruf, um das Geschäft des Vaters einst weiterzuführen. Nach Realschule und kaufmännischer Lehre folgte konsequenterweise ein Studium der Betriebswirtschaft und Nationalökonomie an der noch jungen Handelshochschule Nürnberg.

Dann kam der Erste Weltkrieg dazwischen, an dem Erhard von 1916 bis 1918 an der Westfront teilnahm. Eine schwere Kriegsverletzung machte eine Laufbahn hinter der elterlichen Ladentheke unmöglich und so setzte er seine Studien an der Universität Frankfurt am Main fort, wo er 1922 als Diplomkaufmann abschloss. Ein Jahr später heiratete Erhard seine Kommilitonin Luise Schuster. In Frankfurt begegnete er auch dem Universalgelehrten Mediziner, Ökonom und Soziologen Franz Oppenheimer, bei dem er 1925 promovierte und der ihn durch seine Lehrmeinung des „liberalen Sozialismus“ stark beeinflusste. Zunächst als kaufmännischer Angestellter tätig, zog ihn bald wieder die wissenschaftliche Ökonomie in ihren Bann und Erhard begann 1928 als wissenschaftlicher Mitarbeiter und später als Leiter seine Arbeit am Institut für Wirtschaftsbeobachtung der Handelshochschule Nürnberg. Eine Tätigkeit, die er bis 1942/43 ausübte, als er unter politischem Druck des NS-Regimes aus der Institutsleitung ausschied, da er sich mehrfach geweigert hatte, der NS-Organisation „Deutsche Arbeitsfront“ beizutreten.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Erhard, der sich in den letzten Jahren mit einem kleinen, aber unabhängigen privaten Institut für Marktanalysen in Nürnberg und Bayreuth „über Wasser“ gehalten hatte, zum Berater der amerikanischen Militärregierung. Gleichzeitig war er bereits dabei, sich zusammen mit anderen für den Wiederaufbau der stark getroffenen Industrie im Nürnberger und Fürther Raum zu engagieren. Ein steiler Aufstieg setzte mit seiner Ernennung zum bayerischen Wirtschaftsminister ein, was er bis 1946 blieb. Es folgte der Chefposten der so genannten „Sonderstelle Geld und Kredite“, die von Bad Homburg aus die Vorbereitung der Währungsreform in den drei Westzonen organisierte. Ab 1948 Direktor der „Verwaltung für Wirtschaft“ in Frankfurt, erklärte Erhard schließlich am 20. Juni 1948, dem Tag der Währungsreform, gegen den Willen der Alliierten, das Ende der Zwangswirtschaft – ein Datum, das er immer für den entscheidendsten Tag seines Lebens ansehen sollte.

In der Folgezeit begann er, sein schon länger in ihm gereiftes Konzept der „sozialen Marktwirtschaft“ umzusetzen, was ihm bis heute den Beinamen „Vater des Wirtschaftswunders“ eingebracht hat. Seine soziale Marktwirtschaft entbehrte nicht gewissen „messianischen Zügen“, wie Kritiker meinten und ging als ein über die rein ökonomische Sphäre hinausgreifender Gesellschaftsentwurf weit tiefer, als das viele Zeitgenossen sehen konnten. Eingedenk der von Erhard zu seinem Leitspruch erhobenen Formel Walter Rathenaus „Die Wirtschaft ist das Schicksal!“, ist die soziale Marktwirtschaft in den Jahrzehnten des Bestehens der Bundesrepublik zum Leitbild, ja zum Allparteien-Paradigma geworden.

Seit 1949 Mitglied des Bundestages und Bundeswirtschaftsminister, bildete er mit Konrad Adenauer in den Aufbaujahren ein wichtiges Zweigespann, dem Adenauer wohl die wirtschaftliche Basis für den politischen Erfolg seiner Kabinette zu danken hatte.

Die zweite deutsche Republik war schon 14 Jahre alt, als es im Oktober 1963 mit der Wahl des erfolgreichen und beliebten Wirtschaftsministers Ludwig Erhards zum ersten Kanzlerwechsel kam. Von vielen Zeitgenossen als überfälligen Generationenwechsel auch im Hinblick auf Adenauers Eigenwilligkeiten begrüßt, erntete Erhard schon bald Kritik aus den eigenen Reihen wegen angeblicher politischer Untätigkeit vor allem bei den Kaufkraftverlusten der D-Mark. In der Spannung zwischen Konsum- und Maßhalte-Politik lag denn auch ein Dilemma seiner Regierungszeit, war doch die bewegtere Lage der 60er Jahre eine Folge von Wachstum und Stabilität der 50er Jahre.

Eine seiner persönlichen Eigenschaften, die zu Erfolgen als Wirtschaftsminister geführt hatten, richtete sich als Bundeskanzler gegen ihn: die auf Überzeugungen und Selbstsicherheit beruhende Dickfelligkeit und das daraus wachsende Vermögen, durch Abwarten und Nicht-Handeln die Zeit für sich wirken zu lassen, brachten ihm die Kritik der Passivität ein. Sein politisches Eigengewicht gründete sich dabei nicht auf Parteiapparat, Fraktion oder „Hausmacht“, sondern auf Expertise, persönliche Leistung und Volkstümlichkeit – eine „gepolsterte Verkörperung des Wirtschaftswunders“, wie ein zeitgenössischer Publizist meinte.

Nach dem Wahlsieg der Unionsparteien 1965 und Erhards Wiederwahl als Kanzler erklärte er in einer Regierungserklärung die Nachkriegszeit für beendet, was auch richtig war, doch es lagen bereits neue Probleme vor ihm und seiner Koalitionsregierung mit der FDP. Das deutsch-französische Verhältnis war ein häufig vorgebrachter Kritikpunkt ebenso wie die ungelöste Frage des deutsch-amerikanischen Devisenausgleichs. Als schließlich die Union bei der Landtagswahl in Düsseldorf 1966 verlor und die FDP-Minister seines Kabinetts im Streit um den Bundeshaushalt 1967 die Regierung verließen, ging das „Interregnum“ Erhard seinem Ende entgegen. Nach anderthalb Monaten Minderheitsregierung trat Erhard Ende November 1966 zurück und gab im folgenden Frühjahr auch den CDU-Parteivorsitz auf.

Niemand, der um historische Gerechtigkeit bemüht ist, wird Ludwig Erhard in erster Linie an seiner Kanzlerschaft messen. Dass Macht und Kompromiss im gegebenen Rahmen taktisch eingesetzt werden müssen und unumgänglich sind, dass Regieren, Führen – zuweilen auch Herrschen – Voraussetzungen sind, um eine große Idee auch gegen die Widerstände der Zeit zu verwirklichen, vermochte er nur schwer zu akzeptieren. Es schmälert jedoch nicht die Lebensleistung dessen, was er seinen „ungebrochenen Glauben an die produktive Kraft der Freiheit“ nannte und was als bedeutender Meilenstein und Weichenstellung gesellschaftspolitischer Leitentwürfe die Person überdauert. Ludwig Erhard starb am 5. Mai 1977 in Bonn. 
Oliver Dehn


Ludwig-Erhard-Preis erstmals 2003
Bei dem Festakt wurde der „Fürther Ludwig-Erhard-Preis“ vorgestellt, den der Ludwig-Erhard-Initiativkreis ausschreibt und der ab 2003 jährlich vergeben werden soll. Ausgezeichnet werden Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler, die an einer fränkischen Universität promoviert haben und deren Promotionsabschluss nicht länger als ein Jahr zurückliegt.
Preiswürdig sind Promotionsarbeiten, die die Grundgedanken der sozialen Marktwirtschaft weiterführen und sich besonders durch die Verbindung von Theorie und Praxis auszeichnen. Damit soll angeknüpft werden an die Arbeit Ludwig Erhards an der heutigen WiSo-Fakultät der Universität Erlangen-Nürnberg; dort hatte sich Erhard als einer der Wegbereiter der Marktforschung und als Mitbegründer der heutigen GfK AG bleibende Verdienste erworben.


Ludwig-Erhard-Initiativkreis: Festakt in Fürth
Georg Rupprecht, Vorsitzender des Ludwig-Erhard-Initiativkreis Fürth e.V., und Initiator Christian Nowak, Geschäftsführer des IHK-Gremiums Fürth, begrüßten in der Fürther Stadthalle über 900 Gäste zum Festakt anlässlich des 25. Todestages von Ludwig Erhard.

Eine Neubesinnung auf die Soziale Marktwirtschaft und eine Modernisierung Deutschlands forderten Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber und IHK-Präsident Hans-Peter Schmidt. Notwendig sei es, die Ordnungsprinzipien der Solidarität und der Eigeninitiative wieder in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen. Starken Beifall erhielt Fürths neuer Oberbürgermeister Dr. Thomas Jung, der eingestand, dass es ein Fehler gewesen sei, Erhard die Ehrenbürgerwürde nicht zu verleihen. 1967 und 1977 hatte die SPD-Mehrheit im Stadtrat entsprechende CSU-Anträge zurückgewiesen.
Enthüllt wurde beim Festakt eine Büste Ludwig Erhards, die in Fürth aufgestellt wird.

Die Veranstaltung wurde von einer Reihe von Firmen gesponsert. FrankenFernsehen zeichnete die Veranstaltung vollständig auf, der Mitschnitt ist als Videokassette zum Preis von 25 Euro erhältlich (www.FrankenFernsehen.de). Zigarren-Ebert Fürth, wo Ludwig Erhard seine Lieblingszigarre kaufte, hat diese als „Wirtschaftswunder-Zigarre“ reaktiviert und bietet sie in einem schmucken Holzkästchen an (www.Zigarren-Ebert.de). Die Sparkasse Fürth hatte sich bereit erklärt, bisherige Zwei-D-Mark-Münzen mit dem Kopf von Ludwig Erhard in limitierter Auflage zu vergolden

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 06|2002, Seite 16

 
Device Index

Alle Ansprechpartner/innen auf einen Blick