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„Feldhase“ (1502)

Der „Feldhase“ (1502) ist das berühmteste und populärste Tierbildnis überhaupt. Es zählt wie „das große Rasenstück“ (1503) zu den herausragenden Spitzenleistungen der Kunstgeschichte, zu den Ikonen der Weltkunst.

Dürers intensive und moderne Art der Auffassung, Erforschung und Auseinandersetzung mit der Natur steht für seine weltoffene und universelle Haltung und Gestaltungskraft, die sich durchaus mit einem Leonardo da Vinci messen kann. Sie strahlt seit mehr als 500 Jahren bis in unsere Gegenwart aus und inspiriert immer noch namhafte Künstler ob Katharina Fritsch, Sigmar Polke oder Ottmar Hörl. In der Literatur wird an Dürers Aquarell insbesondere die grandiose Wiedergabe der stofflichen Qualitäten, die Ökonomie der eingesetzten Mittel und die besondere Ausstrahlung des Feldhasen zwischen scheuer Sanftmut und konzentrierter Präsenz gerühmt. Doch steckt in dem Bild eine derart starke Intensität und Energie, die im Grunde nur durch Empfindung spürbar und kaum durch Worte erklärbar ist.

Theodor Hetzer spricht von der „Bildhoheit“ und der Würde, die Dürers Werken zu Grunde liegen. Dürers Feldhase ist vergleichbar mit einer Formel von Albert Einstein, verdichtete Erkenntnis über die Welt ästhetisch auf den Punkt gebracht, zeitlos und aktuell. Einmal davon abgesehen, dass autonome Tierbilder, signiert und datiert, damals noch nicht üblich waren, ist Dürers Hase nicht Nachahmung, sondern Neuschöpfung. Schon die Plastizität und besondere Gestaltung der Ohren, das voluminöse Fellkleid, die diagonale Platzierung im Raum und die Isolierung aus der alltäglichen Umgebung (heute eine gängige künstlerische Strategie, Alltäglichem neue Perspektiven zu entlocken) ist revolutionär. Der Feldhase wirkt in sich geschlossen und lebt aus sich selbst. Im Unterschied zu den italienischen Meistern, die das Einzelne mehr im Gesamtzusammenhang betrachten, isoliert Dürer seine Motive und stellt sie, wie ein Wissenschaftler, gleichwertig nebeneinander. Jede Pflanze, jedes Tier ist quasi sein eigener Kontinent, stellvertretend für die Vielfalt der Schöpfung. So ist es auch die künstlerische Haltung und Erfindungskraft, dieses tiefe Interesse und Bekenntnis zur Natur sowie die souveräne, respektvolle Achtung aller Lebewesen, ob heimisch oder exotisch, die Dürers Tier- und Pflanzendarstellungen solitär herausragen lassen und sogar von Giorgio Vasari, dem „Vater der Kunstgeschichte“ Mitte des 16. Jahrhunderts in den legendären Künstlerviten als „wahre Erleuchtung für die italienische Kunst“ bewerten lassen.

Autor/in: 
Eva Schickler
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 08|2003, Seite 25

 
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