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Fränkische Unternehmen wollen am Wiederaufbau teilhaben

Ob deutsche Firmen im künftigen Irak-Geschäft an ihre Stellung in den 80er Jahren wieder anknüpfen können, hängt nach Einschätzung des Chefvolkswirts der HypoVereinsbank AG in München, Martin Hüfner, auch maßgeblich davon ab, ob internationale Hilfsprogramme für den Irak aufgelegt werden. Die Öleinnahmen würden kaum ausreichen, um den Wiederaufbau zu finanzieren, sagte Hüfner auf der IHK-Veranstaltung „Irak nach dem Krieg – Chancen für die heimische Wirtschaft?“. Hüfner schätzte das mittelfristige Exportpotenzial in den Irak auf jährlich fünf Mrd. Euro. Falls es den USA gelänge, den Irak in eine Zivilgesellschaft zu verwandeln, „dann geht dort die Post ab“, das Potenzial des Irak sei vergleichbar mit den Tigerstaaten Asiens.

Die aktuelle Situation macht Geschäfte aber noch sehr problematisch: Die „schwer definierbare Gemengelage“ im Irak biete keine guten Voraussetzungen für unternehmerische Aktivitäten, so Wolfgang Dik, Experte für Schwellen- und Entwicklungsländer im Auswärtigen Amt. Eine bewaffnete Bevölkerung, hohe Kriminalität, fehlender rechtlicher Rahmen und unsichere Verkehrswege veranlassen das Auswärtige Amt weiter dazu, vor Reisen in den Irak zu warnen: „Im Land gibt es keine Polizei und keine Ordnungsmacht, die Sie beschützen kann“. Immerhin erklärte Dik, mit einem schiitischen „Gottesstaat“ nach iranischem Vorbild sei derzeit nicht zu rechnen.

IHK-Online-Umfrage
Trotz der düsteren Lagebeschreibung will sich die mittelfränkische Exportwirtschaft rasch und engagiert am Wiederaufbau des Irak beteiligen. Besonders groß ist das Interesse von „Einsteigern“ ins Nahost-Geschäft. Dies ist das Ergebnis einer Online-Umfrage der IHK, an der sich 150 Außenhandelsfirmen der Region Nürnberg beteiligt hatten. Ebenso auffällig ist die Bereitschaft zur Beteiligung am humanitären Hilfsprogramm für den Irak, das die internationale Staatengemeinschaft jetzt aufgelegt hat. Stattliche 42 Prozent der Unternehmen geben an, erstmals Kontakte mit dem Nahen Osten aufnehmen zu wollen. Nur 17 mittelfränkische Außenhandels-Unternehmen stehen derzeit in Verbindung mit irakischen Geschäftspartnern, immerhin die Hälfte davon pflegen ganz aktuelle Kontakte. Überwiegend handelt es sich dabei um Warenlieferungen im Rahmen des Oil-for-Food-Programms der Vereinten Nationen (UN). Fast alle „Einsteiger“ ins Nahost-Geschäft sind naturgemäß an Warenlieferungen interessiert, nicht etwa an sofortigem dauerhaften Engagement in diesen Ländern.

„Anker der Hoffnung“ ist die Aufhebung des seit 1995 bestehenden Handelsembargos gegen den Irak durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Als hinderlich betrachtet wird allerdings die Tatsache, dass diese Aufhebung noch immer nicht in europäisches bzw. nationales (deutsches) Recht umgesetzt wurde. Allerdings benennen die Unternehmen auch etliche Sorgen: Dem Auf- und Ausbau der Geschäftsbeziehungen im Wege stehen die fehlende politische Stabilität im Nahen Osten, Mängel in der Infrastruktur sowie die Ungewissheit über das politische Mitspracherecht bei der Auftragsvergabe.

Durchaus Chancen bei dringend benötigten Gütern
Im letzten Punkt beruhigte Dik die zahlreich anwesenden Unternehmensvertreter: Die von den Amerikanern geführte Verwaltungsbehörde Coalition Provisional Authority (CPA) im Irak sei auf die Hilfe anderer Nationen angewiesen, um die Lebensbedingungen der Bevölkerung schnell zu verbessern. Wer dafür schnell und zuverlässig Güter liefern könne, habe als „Subcontractor“ oder als Zulieferer amerikanischer Unternehmen durchaus Chancen. Warenlieferungen in den Irak sind laut Werner Knapp, Irak-Referent beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle in Eschborn, weiter grundsätzlich genehmigungspflichtig, echte Exportbeschränkungen gebe es jedoch nur noch für Waffen und Dual-Use-Güter (Güter, die sowohl zivil als auch militärisch nutzbar sind).

Leonhard Guntz von der HypoVereinsbank in Nürnberg riet Unternehmen dazu, alte Kontakte im Irak wieder aufzunehmen. Derzeit bestehe allerdings u.a. das Problem, dass im Irak kein funktionierendes Bankensystem mehr existiert. Es sei offen, ob das alte Bankensystem des Irak reaktiviert wird oder ob sich statt dessen US-Banken wie Citibank oder JP Morgan massiv im Irak engagieren. Siemens Medical Solutions aus Erlangen hofft nach Worten von Nahost-Vertriebsdirektor Wolfgang Dintera auf die Wiederbelebung der abgebrochenen Geschäftsbeziehungen, zumal die Ansprechpartner im Gesundheitsministerium kaum gewechselt hätten. Besondere Chancen ergäben sich für interessierte Unternehmen außer im Gesundheitswesen auch beim Aufbau der Energieversorgung und des Schulsystems.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 08|2003, Seite 18

 
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