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Infrarot bringt Materialfehler ans Tageslicht

Fast ausschließlich militärisch genutzt wurde bislang die Infrarot-Technologie, die beispielsweise in Nachtsichtgeräten, Raketensuchköpfen und bei der Aufklärung per Satellit zum Einsatz kam. Die 1998 gegründete Thermosensorik GmbH mit Sitz im Erlanger Innovations- und Gründerzentrum (IGZ) macht diese Technologie nun für eine Reihe von Anwendungen in der Mess-, Prüf- und Automatisierungstechnik nutzbar. Die Geschäftsführer Thomas Hierl und Dr. Oliver Schreer, die bereits 24 Mitarbeiter beschäftigen, wurden für ihre innovative Unternehmensgründung mit dem IHK-Gründerpreis 2003 ausgezeichnet.

Die beiden Physiker hatten sich bereits am Lehrstuhl für Angewandte Physik der Universität Erlangen-Nürnberg und beim Bayerischen Zentrum für Angewandte Energieforschung e.V. (ZAE Bayern) in Erlangen mit der Infrarot-Technologie beschäftigt und konkrete Projekte mit Partnern aus der Industrie abgewickelt. Den letzten Anstoß, sich selbstständig zu machen, gaben Unternehmen, die sich neben der wissenschaftlichen Grundlagenarbeit auch die Umsetzung für die industrielle Praxis wünschten. Schon ein Jahr nach der Gründung stellten die Jungunternehmer das nach eigenen Angaben weltweit erste vollautomatische Infrarot-Prüfsystem für die industrielle Serienprüfung vor.

Seit dieser Zeit hat sich Thermosensorik mit einer Reihe von Innovationen hervorgetan, für die auch Patente und weitere Schutzrechte eingetragen sind: Das junge Unternehmen entwickelt und fertigt Hochleistungs-Infrarot-Kameras, Messsysteme und Prüfanlagen, die die automatisierte Prüfung und Qualitätssicherung von Materialien und Komponenten ermöglichen. Der Vorteil dieser zerstörungsfreien Prüfung gegenüber anderen Kamerasystemen, die in der Fertigung schon seit längerem im Einsatz sind: Es können auch unsichtbare, unter der Oberfläche von Werkstücken verborgene Fehler sichtbar gemacht werden.

Das Prinzip ist einfach: Die zu prüfenden Teile werden durch Licht (z.B. durch einen mit einem Fotoblitz vergleichbaren Blitz, durch Laser oder Lampen), Warmluft, Reibung, elektrisches Aufheizen und andere Methoden erwärmt. Die Wärmeausbreitung an schadhaften Stellen ist anders als an fehlerfreien und wird auf den hochauflösenden Infrarot-Bildern entsprechend sichtbar. Die Aufnahmen werden analysiert, schadhafte Teile erkannt und aussortiert. Zu den Dienstleistungen der Thermosensorik GmbH, die sowohl Hard- und Software als auch die Kameraoptiken entwickelt, gehört auch die Einbindung der Systeme in die automatisierten Abläufe der Industriekunden.

Die Anlagen aus Erlangen haben ihre Praxistauglichkeit bereits in einer Vielzahl von Anwendungen unter Beweis gestellt: Sie spüren Risse in Solarzellen und Siliziumscheiben auf, kontrollieren Laser-Schweißnähte in der Automobilindustrie, überwachen die hochgenaue Positionierung von Einspritzdüsen und inspizieren Metall-Oberflächen. Die Infrarot-Messtechnik erkennt, ob Lötstellen, Klebungen und Nietverbindungen stabil sind, ohne dass dafür Bauteile zerstört werden müssten. Bisher konnte die Haltbarkeit von Werkstoffkombinationen (z. B. zwischen Metall, Kunststoff, Holz, Textilien oder Papier) nur durch Abreißversuche oder Schliffe getestet werden. Selbst die Lebensdauer von Bauteilen lässt sich durch Infrarotkameras zerstörungsfrei abschätzen: Angewandt wird ein solches System bei Teilen für Lkw-Achsen; diese werden mechanisch belastet („gebogen“), wobei das dadurch entstehende „Wärmemuster“ Aufschluss gibt über Schwächen des Materials oder der Konstruktion.

Aufsehen erregt hat die Thermosensorik GmbH mit der weltweit ersten Roboter-Prüfanlage, die eine automatisierte Serienprüfung von Turbinenschaufeln ermöglicht. Entwickelt wurde die Infrarot-Prüfanlage für das Gasturbinenwerk Berlin des Siemens-Bereichs Power Generation. Die Prüfanlage „durchleuchtet“ jede einzelne Turbinenschaufel während der Fertigung, wobei mit den neuen thermosensorischen Verfahren auch Fehler entdeckt werden, die sich mit herkömmlicher Röntgenprüfung nicht aufspüren lassen. Durch die hohe Qualität und Zuverlässigkeit der Turbinen werden teuere Stillstandzeiten der Kraftwerke vermieden.

Die zahlreichen Innovationen und die vielfältigen Anwendungen der Systeme spiegeln sich in den Geschäftszahlen von Thermosensorik wider: Der Umsatz stieg im Geschäftsjahr 2002 um rund 1,3 Mio. auf gut zwei Mio. Euro, für 2003 wird ein Umsatz von drei Mio. Euro angepeilt. Ein verstärktes Marketing soll zum einen die Firma als führenden europäischen Hersteller von hochauflösenden Infrarot-Kameras bekannt machen, zum anderen aber auch die Leistungsfähigkeit thermosensorischer Verfahren allgemein verdeutlichen. Darüber hinaus baut Thermosensorik das Engagement im Ausland, u.a. in Frankreich, Österreich und der Schweiz, aber auch in den USA und in Asien kontinuierlich aus. Hierl und Schreer, die bereits seit dem zweiten Geschäftsjahr schwarze Zahlen schreiben und sich ab 2004 eine Umsatzrendite von deutlich über zehn Prozent vorgenommen haben, wollen die Zahl der Mitarbeiter bis Ende dieses Jahres auf insgesamt 30 erhöhen; nächstes Jahr sollen erstmals zwei Azubis eingestellt werden. Schon 2002 war Thermosensorik für die Schaffung von hochqualifizierten Arbeitsplätzen mit dem „Jobstar“ des Regionalmarketingvereins die Region Nürnberg ausgezeichnet worden, 2003 folgte ein Spitzenplatz bei der Initiative „Top 100“ (siehe Seite 49).

Weiter ausgebaut werden soll die Kooperation mit der Wissenschaft: Von Beginn an arbeitet Thermosensorik intensiv mit mehreren Fachbereichen der Universität Erlangen-Nürnberg, mit der FH Nürnberg, mit dem Bayerischen Laserzentrum und mit dem Erlanger Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen zusammen. Außerdem ist Thermosensorik einer Reihe von Hochschulen und Instituten außerhalb Mittelfrankens im Rahmen von Forschungsprojekten partnerschaftlich verbunden.

bec.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 08|2003, Seite 8

 
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