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Ein Konzern wird abgewickelt

Zur Jahresmitte erreichte der Niedergang des zahlungsunfähigen Elektronikhersteller Grundig einen neuen Höhepunkt. Das Amtsgericht Nürnberg stellte Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung fest, eröffnete das Insolvenzverfahren und bestellte den Nürnberger Rechtsanwalt Siegfried Beck als Insolvenzverwalter. Von den 1 320 verbliebenen Beschäftigten wechseln zunächst 700 in die Nürnberger Qualifizierungsgesellschaft GPQ, 500 halten das Geschäft von Grundig am Laufen und können später dazustoßen. Für die 100 Azubis sorgt eine Grundig-eigene Gesellschaft – mit Unterstützung der Arbeitsbehörden – für den Abschluss ihrer Lehrzeit.

Bis zuletzt wurde über die Modalitäten gerungen. Die kampferprobten Arbeitnehmer konnten sich nicht mit ihrer Forderung durchsetzen, ein Jahr lang von der GPQ übernommen zu werden. Jetzt bekommen sie für die nächsten acht Monate 80 Prozent ihres letzten Nettogehaltes. Insgesamt stellt die beteiligte Bankengruppe 18 Mio. Euro zur Verfügung, weitere zwei Mio. Euro kommen von Freistaat und Bund. Das Bankdarlehen muss durch Substanzverkäufe wieder zurückerstattet
werden.

Noch Anfang des Jahres knallten nach der Unterzeichnung des Kaufvertrages durch den taiwanesischen Konzern Sampo die Korken, weil Grundig gerettet erschien. In der Führungsetage sprach man von einem „Befreiungsschlag“. Und auch die Mitarbeiter wähnten sich schon in Sicherheit. Doch der Deal platzte wegen Finanzierungsfragen. So habe Sampo als eine Art Einstiegsprämie eine 30 Mio. Euro Bürgschaft gefordert und eine Reduzierung der hohen Betriebsrentenzahlungen verlangt, die deutlich über dem aktuellen Personalstand liegt. Doch habe man sich nicht mit dem Pensionssicherungsverein (PSV) einigen können.

Die Verhandlungen mit dem türkischen Partner scheiterten ebenfalls, die TV-Fertigung in Wien – auf Drängen der Berater von Roland Berger von Nürnberg nach Wien verlagert – musste Ende Mai schließen. Auch der Sanierungsexperte Eberhard Braun, Fachanwalt für Insolvenzrecht, mit breiter Unterstützung Anfang Mai an die Spitze des Traditionskonzerns geholt, legte sich Amt nieder. Brauns Antrag, ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung zu eröffnen, wurde zurückgezogen.

2001 machte der einstige Marktführer mit einem Umsatz von 1,28 Mrd. Euro rund 150 Mio. Euro Verlust, in vergangenen Jahr soll das Minus bei über 70 Mio. Euro gelegen haben. Hohe Produktionskosten und zu geringe Verkaufszahlen drückten die Marge auf fast ein Drittel von dem, was die Konkurrenz am Markt durchsetzen konnte.

Jetzt sucht Beck unter Hochdruck für die drei profitablen Bereiche Grundig Car InterMedia Systems (GCIS), Grundig Business Systems (GBS) und Satellitensysteme sowie für das verlustreiche Segment Fernsehen/Audio Investoren, unter deren Führung der jeweilige Fortbestand aussichtsreich gesichert sei. „Für alle Bereiche führen wir jeweils mit mehreren Interessenten Gespräche,“ erklärte Beck. Die nunmehr klare Unternehmenssituation beschleunige die Wahrscheinlichkeit der entsprechenden Verhandlungsabschlüsse.

Für Grundig steht mal wieder Durchhalten auf der Tagesordnung. Mit dem Lagerbestand könne man noch bis Anfang Herbst durchhalten. Entscheidend dürfte allerdings – wie in den Jahren zuvor - die Internationale Funkausstellung (IFA) sein, die Ende des Monats in Berlin beginnt. Fest steht derzeit nur, dass Grundig dort Flagge zeigen wird. In der Selbstbeschreibung als IFA-Aussteller macht das insolvente Unternehmen jedenfalls gute Stimmung. Man gehe „neue, klare zeitlos schöne Wege“.

tt.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 08|2003, Seite 29

 
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