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Kommunikationstechnologie ermöglicht Versorgung zu Hause

„Alte, kranke und behinderte Menschen zu Hause mit klinischer Qualität versorgen.“ Dieses Ziel hat sich Dr. Achim Hein, Gründer und Geschäftsführer der Nürnberger Dr. Hein GmbH, gesetzt. Das 1999 gegründete Unternehmen setzt moderne Kommunikationstechnologien ein, um Therapie, Rehabilitation und Pflege von den Kliniken ins Heim der Patienten zu verlagern. Für dieses Geschäftskonzept wurde Hein mit dem 2. Preis des IHK-Gründerwettbewerbs 2003 ausgezeichnet.

Der promovierte Elektroingenieur wurde schon während des Studiums, als er noch nebenbei eine Firma betrieb, mit den Beschränkungen konfrontiert, denen sich Kranke und Behinderte im Alltag ausgesetzt sehen. Für einen Contergan-geschädigten Bekannten, der bei der Nutzung von Computern an Grenzen stieß, entwickelte er den „MediBall“ – einen Gymnastikball mit Sensor, der den PC durch Körperbewegungen steuert und damit die manuell geführte Computermaus ersetzt. Heute ist der „MediBall“ ein anerkanntes Produkt zur Linderung von Rückenschmerzen und einer der vier Geschäftsbereiche der Dr. Hein GmbH. Der MediBall wird zusammen mit einem speziell entwickelten Computerprogramm verkauft und hat sich in Studien als wirksames Konzept zur Reduktion von Rückenschmerzen erwiesen.

Mit dem Thema „Home Care“ (also der Versorgung von Patienten zu Hause) kam Hein nach seinem Studium in der Grundlagenentwicklung von Siemens Medical Solutions in Kontakt. Später wechselte er in die Nürnberger Siemens-Ausgründung Evosoft Tele Care, die ebenfalls Systeme entwickelte, mit denen Patienten und alte Menschen im täglichen Leben zu Hause unterstützt werden. Als die Evosoft-Gruppe schließlich umstrukturiert wurde, nutzte Hein die Gelegenheit, sich durch ein Management-Buy-Out selbstständig zu machen und ein eigenes Unternehmen mit inzwischen 20 Mitarbeitern aufzubauen.

Der Geschäftsbereich SiCare verwirklicht das „intelligente Haus“, in dem gesundheitlich eingeschränkte Menschen über eine Fernbedienung oder durch Sprachsteuerung eine ganze Reihe von Vorgängen steuern können. Hein unterstreicht, dass diese Technologie im Ausland bereits seit Jahren auf große Nachfrage stößt, in Deutschland aber noch erheblicher Nachholbedarf besteht. So hat die Nürnberger Firma, die im TA Mittelstandszentrum in der Fürther Straße ansässig ist, beispielsweise ein Reha-Center in Abu Dhabi vollständig eingerichtet oder 300 Patientenzimmer in einer Einrichtung in Toledo. Sogar der spanische König besichtigte das Haus, in dem die Patienten Türen, Betten, Rufanlagen, Jalousien und Licht per Fernbedienung steuern können. Auch in Frankreich wie den USA und Kanada werden diese Systeme mit großem Erfolg eingesetzt: Im Zuge des sozialen Wohnungsbaus werden etwa in Frankreich Wohngruppen für Behinderte damit ausgestattet.

Mit 60 Prozent der größte Umsatzanteil entfällt auf den Geschäftsbereich EvoCare, in dem sich Hein auch die größten Wachstumschancen ausrechnet. Unter EvoCare fasst das Unternehmen alle Aktivitäten zusammen, mit denen die
medizinisch-therapeutische Versorgung aus der Klinik nach Hause übertragen wird. Die Idee: Die Patienten lernen noch im Krankenhaus, in der Reha-Einrichtung oder in der Praxis den Umgang mit den von der Dr. Hein GmbH entwickelten Terminals „EvoLino‘s“, an denen sie dann zu Hause weiter trainieren und ihre Therapie absolvieren. Über ein bundesweit verfügbares Hochsicherheitsnetz („EvoSafe“) bleiben sie mit der Klinik verbunden, wo der Therapeut regelmäßig den Fortgang der Therapie überwacht und neue Anweisungen gibt. Im Jahr 2000 wurde die EvoCare-Therapie bei 60 Schlaganfall-Patienten im Raum Nürnberg erfolgreich eingesetzt. Die Teilnehmer litten überwiegend unter Aufmerksamkeitsstörungen, die sie mit der Tele-Therapie erfolgreich behandelten. Mittlerweile ist die EvoCare-Therapie fester Bestandteil der medizinischen Versorgung in mehreren Kliniken und Praxen geworden. Neue Therapieprogramme für Patienten, die sich von Schlaganfällen erholen, wurden für Sprach- und Gedächtnistraining sowie Geschicklichkeit entwickelt.

Patienten üben zu Hause am „EvoLino“
Die EvoCare-Plattform wird derzeit für eine Vielzahl von anderen Therapien eingesetzt: Herzpatienten absolvieren am Hometrainer ihre Übungen, Alzheimer-Kranke machen Gedächtnisübungen, Zuckerkranke übermitteln ihre Werte permanent an den behandelnden Arzt, Menschen mit Multipler Sklerose werden dauerhaft auf die richtigen Medikamente eingestellt. Nach Aussage von Dr. Achim Hein ließen sich die Kosten für die Therapie mit EvoCare um mehr als 30 Prozent senken. Außerdem würde die häufige „Reha-Lücke“ vermieden, die entsteht, wenn nicht gleich nach der Rückkehr aus dem Krankenhaus ein Therapeut zur Betreuung zur Verfügung steht. Stolz ist Hein darauf, dass die TU Berlin in einer Studie im Auftrag des Bundesforschungsministeriums EvoCare als einzig wirtschaftlich sinnvoll umgesetztes Telematik-Projekt bezeichnet. Alle anderen Vorhaben seien derzeit an den Kosten, der ökonomischen Umsetzung oder an der mangelnden Akzeptanz der Patienten gescheitert. Als Durchbruch könne man werten, dass jetzt die erste Krankenkasse die EvoCare-Therapieerfolge anerkennt und die Kosten für die Behandlung übernimmt.

Zur besseren Versorgung älterer Menschen zu Hause trägt Hein mit dem „EvoPhon“ bei. Dieses Endgerät der EvoCare-Plattform ist eine Kombination aus Fernsehgerät und Telefon. Das EvoPhon ermöglicht den Menschen, über ihren eigenen Fernseher mit anderen zu „EvoPhonieren (wie Telefonieren mit Bild, d.h. die Nutzer können ihr Gegenüber live am Fernseher sehen und mit ihm sprechen). Die alten und pflegebedürftigen Menschen können Kontakt zu einer Servicezentrale aufnehmen, medizinische Tipps abrufen, ihre Enkelkinder wiedersehen, Hilfe herbeirufen oder aber die bewährten Möglichkeiten der Tele-Therapie (z.B. „Hirn-Jogging“) nutzen. bec.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 08|2003, Seite 8

 
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