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Mittelfränkische Wirtschaft übernimmt Verantwortung für die Allgemeinheit

Aus den USA kommt das Konzept Corporate Citizenship, mit dem das Engagement von Unternehmern beschrieben wird, die sich als aktives Mitglied einer Gesellschaft und in diesem Sinne als Staatsbürger dem Gemeinwohl verpflichtet fühlen. Diese unternehmerische Orientierung, die über Sponsoring und Spenden hinausgeht und auch in Ludwig Erhards Sozialer Marktwirtschaft angelegt ist, findet unter der englischen Bezeichnung seit Ende der 90er Jahre auch hierzulande Verbreitung.

Die Entwicklung von Corporate Citizenship geht einher mit der Herausbildung der Bürgergesellschaft, die die Grenzen staatlicher Leistungsfähigkeit erkannt hat und stärker auf das Verantwortungsbewusstsein beziehungsweise den freiwilligen Einsatz ihrer Mitglieder zählt. Eine aktive, ihr Umfeld mitgestaltende Rolle kommt dabei auch den Unternehmen zu. „Jedes Unternehmen ist Bestandteil unseres gesellschaftlichen Systems und muss sich deshalb an der Gemeinschaft und ihrer erfolgreichen Entwicklung ausrichten“, erklärt IHK-Präsident Hans-Peter Schmidt.

Was die explizite Verankerung des bürgerschaftlichen Engagements im Unternehmensleitbild anbelangt, gehört Siemens zu den Vorreitern. Festgeschrieben wurde als Leitsatz: „Wir tragen gesellschaftliche Verantwortung und engagieren uns für eine bessere Welt.“ Dieser Richtlinie entspreche der Rolle des Unternehmens als „Global Player und Local Citizen“. Das Spektrum der Initiativen umfasst die unterschiedlichsten Bereiche, von Umwelt über soziales Miteinander bis zu Kultur und Wissenschaft, wie Manfred Hopfengärtner, Mitglied der Siemens-Betriebsleitung und Leiter von Siemens Real Estate, Regionalniederlassung Erlangen, ausführt. Die Corporate Citizenship-Maßnahmen kommen den eigenen Mitarbeitern ebenso zugute, etwa durch ein Betreuungssystem für ihre Kinder in den Ferien oder in besonderen Notlagen, wie der Gesamtgesellschaft. Dabei setzt Siemens auf die „Motivation der Mitarbeiter zu persönlichem Engagement“. So übernehmen beispielsweise unter dem Motto „Side by side“ Auszubildende die Planung und Durchführung eines erlebnisreichen Tagesprogramms für behinderte Kinder und Jugendliche auf dem Siemens-Sportgelände.

Wie Siemens setzt sich auch die Nürnberger Datev eG für die Nachwuchsförderung von der Schulbank an ein. Im Rahmen der 1997 unterzeichneten Patronatsvereinbarung mit dem in nächster Nachbarschaft zum Datev-Stammsitz gelegenen Dürer-Gymnasium setzt das EDV-Dienstleistungs- und Software-Unternehmen seine Fachkompetenzen ein. So werden beispielsweise von Datev-Mitarbeitern regelmäßig Lehrer für den Computereinsatz im Unterricht geschult, und zwar umfassend von neuen Techniken über die Didaktik bis zur Gestaltung der Lernumgebung. Neben der Qualifizierung für die Informationsgesellschaft sieht der Vertrag auch vor, durch finanzielle Förderung Gymnasiasten zu ermöglichen, während des 11. Schuljahrs ihren Horizont an Highschools in den USA zu erweitern. Bereits der sechste Schüler-Jahrgang hat diese Chance genutzt. Nahezu alle Teilnehmer „kommen verwandelt zurück, selbstbewusster und eigenständiger“, berichtet Thomas Kähler, Leiter der Public Relations-Abteilung bei Datev.

Die internationalen Aktivitäten als Prüfungs- und Beratungsgesellschaft versteht Rödl & Partner, Nürnberg, als Verpflichtung zum Engagement über Landesgrenzen hinweg. Wegen der ausgeprägten Geschäftsaktivitäten von Rödl & Partner in Mittel- und Osteuropa übernimmt Dr. Bernd Rödl, Firmengründer und Geschäftsführender Gesellschafter, „Verantwortung als Unternehmer“ in der Ukraine. „Wir müssen den Menschen dort etwas zurückgeben von unserem Gewinn, materiell und ideell“, so seine Vorstellung. In die Tat setzt er sie als Vorsitzender des 1993 gegründeten Partnerschaftsvereins Nürnberg-Charkov um. Die private Initiative setzt sich kontinuierlich ein für die Intensivierung der Beziehungen zwischen beiden Städten, für kulturellen Austausch und für die Verbesserung der Lebensbedingungen in Charkov. Unterstützt werden Hilfsprojekte von Erholungsmaßnahmen für Waisen und andere bedürftige Kinder über eine Tuberkulosestation bis zur Versorgung sozial Schwacher mit Winterbekleidung. Besonders wichtig ist Bernd Rödl die Unterhaltung einer Armenküche. Umgesetzt werden die Hilfen durch die Förderung des „Nürnberger Hauses“ in Charkov, einem Forum für Bildung, Kultur und Informationsvermittlung sowie für gegenseitiges Kennenlernen. Bürgerschaftliches Engagement ist bei Rödl & Partner nicht nur Chefsache, sondern von breiter Basis getragen, wie die Rödl-Mitarbeiter-Stiftung für Kinderhilfe beweise.

Dass Corporate Citizenship nicht nur eine Angelegenheit großer Firmen ist, zeigt das auf Managementberatung und -training spezialisierte Nürnberger Institut Sélan & Partner, in dem neben den zwei Besitzern regelmäßig fünf Fachkräfte auf Honorarbasis beschäftigt sind. Institutsleiter Uwe Preising traf in Seminaren für Auszubildende immer wieder auf „Jugendliche, die orientierungslos und demotiviert sind“. Deshalb gründete er 2003 mit seiner Firmenpartnerin Beatrice Bartsch den Verein „Imagine Life!“, der sich zum Ziel gesetzt hat, „aus benachteiligten Jugendlichen das Beste herauszuholen“. Gefördert werden junge Sporttalente aus finanziell schwächer gestellten Familien sowie gefährdete und straffällig gewordene Jugendliche, denen mit Teamsport-Projekten bei der Resozialisierung geholfen werden soll.

„Ethisches Verhalten zahlt sich aus, für das Gemeinwesen und für das Unternehmen selbst“, das sich für das gesellschaftliche Wohl einsetzt. Diese Überzeugung vertritt Thomas Emmerling, 2003 Bundesvorsitzender und heuer Past President der Wirtschaftsjunioren (WJ) sowie Mitglied im WJ-Kreis Nürnberg. Der Unternehmensberater weiß aus Erfahrung, „dass gesellschaftliche Engagement von Firmen positive Wirkung nach innen und außen hat. Die Mitarbeiter sehen einen ganz neuen Sinn in ihrer Tätigkeit und identifizieren sich dadurch mehr damit. Das fördert die Produktivität und das Betriebsklima. Dass das Betriebsklima stimmt, ist eine wichtige Voraussetzung, um gute Mitarbeiter, Lieferanten und Kunden zu gewinnen.“ Deshalb habe Corporate Citizenship einen hohen Stellenwert bei den Initiativen der Wirtschaftsjunioren, die unter dem Motto „Werte – Wissen – Wandel“ stattfinden. Seit Jahren sind Mitglieder des Zusammenschlusses von Unternehmern unter 40 Jahren ehrenamtlich im Einsatz, um Schülern und Lehrern praxisnah wirtschaftliche Zusammenhänge zu vermitteln. In Nürnberg und Umland ist beispielsweise die Betriebswirtin Sabine Trinklein Reibrich, WJ-Ressortleiterin für „Bildung und Wirtschaft“, aktiv, die mit fünf Kollegen ein Konzept zur Förderung von Schülerfirmen erarbeitet hat. Berücksichtigt werden dabei sowohl neueste Erkenntnisse über das spezielle Lernverhalten der „Generation @“, d.h. von Jugendlichen, die mit Internet aufgewachsen sind, als auch die veränderten Anforderungen der Wirtschaft an Arbeitnehmer. Die Wirtschaftsjunioren coachen die Schüler in sämtlichen ökonomisch relevanten Phasen von der Ideenfindung über die Erstellung eines Businessplans und das Tagesgeschäft bis zur Geschäftsübergabe. Neben dem wirtschaftlichen Wissen werden vor allem Soft Skills wie Team- und Kommunikationsfähigkeit geschult. Im vergangenen Jahr haben die Nürnberger Wirtschaftsjunioren ihr Aktionsspektrum um eine Ausbildungsoffensive erweitert und im Mitgliederkreis 28 zusätzliche Leerstellen angeworben.

Elisabeth Zeitler (Teil II in der April-Ausgabe der WiM).



Unternehmer als Förderer und Mäzene
Seit längerem unterhält die Nürnberger Firmengruppe ProTec24 eine Patenschaft mit dem Kindergarten Gudrunstraße. Der Kindergarten liegt in der Südstadt Nürnbergs und ist hinsichtlich der Kinderanzahl die größte Kindergarteneinrichtung Nürnbergs. Das Unternehmen spendete bisher insgesamt 30 000 Euro an die Einrichtung. Das Geld wird nun genutzt, um in Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen der Rummelsberger Kinder- und Jugendarbeit, den Kindergartenmitarbeitern und den Eltern eine schön gestaltete und sichere Spielanlage unter dem Projektnamen „Spielgarten“ anzulegen. Die Firmeninhaber Renate Reitzmann-Fischer und Horst Obergruber hatten sich u.a. deshalb für dieses Projekt entschieden, weil die Kinder in diesem Stadtteil bisher kaum Grün- und Spielflächen haben (www.protec24.com).

Der Rotary-Club Nürnberg Fürth unterstützt das Museum „turmdersinne“ bei der Realisierung des neuen Exponats „Der Sensorische Homunkulus“ mit 16 000 Euro. Der sensorische Homunkulus wurde 1950 von dem amerikanischen Neurochirurgen Wilder Penfield entwickelt. Das Exponat demonstriert anhand von unterschiedlichen Körperproportionen, wie die Berührungsempfindungen im menschlichen Gehirn angelegt sind. Dem Museum wurde es nun durch die Spende ermöglicht, den Homunkulus mit aktuellen Daten aus der Hirnforschung neu zu rekonstruieren (www.turmdersinne.de).

Einen Scheck in Höhe von 6 000 Euro überreichten Susanne Ludwig und Jochen Vestner, Geschäftsführer der Nürnberger Multimedia-Agentur imbiss-media, an den Förderverein „Lagune 2000“ e.V. Die Summe stammt aus dem Verkaufserlös der von imbiss-media produzierten CD-ROM „Der Tiergarten Nürnberg – Ein virtueller Rundgang“. Über 50 Prozent vom Verkauf dieser CD gehen direkt an das Lagune-Projekt. Mit dem Projekt plant der Verein eine Freianlage für Delfine und Seelöwen im Nürnberger Tiergarten zu errichten (www.lagune2000.de; www.imbiss-media.de).
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 03|2004, Seite 32

 
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