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Wie steht es um das bürgerschaftliche Engagement der Unternehmen?

Über zukunftsorientierte Formen bürgerschaftlichen Engagements, von dem sowohl die geförderten Initiativen und Projekte als auch die Unternehmen profitieren, befragte WiM Dr. Thomas Röbke, den Leiter des bayerischen „Netzwerks Bürgerschaftliches Engagement“ mit Sitz in Nürnberg. Die 2003 durch eine Initiative des Bayerischen Arbeits- und Sozialministeriums gegründete Einrichtung, deren Träger das Nürnberger „Institut für Soziale und Kulturelle Arbeit“ ist, bietet Informationen und Beratung und initiiert selbst Modellprojekte.

WiM: Welchen Stellenwert hat bürgerschaftliches Engagement von Unternehmen?
Es gibt einerseits beeindruckende Beispiele, anderseits aber auch beträchtlichen Nachholbedarf bei uns in Deutschland. Neue Untersuchungen belegen, dass im gemeinnützigen Bereich von Kultur, Bildung, Ökologie und sozialem Sektor durchschnittlich 80 Prozent von öffentlicher Hand, 16 bis 18 Prozent aus Eigeneinnahmen und gerade mal zwei bis vier Prozent von privater Seite finanziert werden. Dieser private Anteil ist relativ gering gemessen an den USA, wo die Kosten für Einrichtungen aus den genannten Bereichen mindestens zu 20, oft zu 50 Prozent oder sogar komplett von Unternehmen getragen werden. Der Vorsprung gegenüber Deutschland betrifft aber nicht nur das klassische Sponsoring, sondern vor allem die neuen Formen bürgerschaftlichen Engagements.

WiM: Welche amerikanischen Vorbilder sollten deutsche Unternehmen aufgreifen?
Charakteristisch für anglo-amerikanische Unternehmen, die sich als aktiver Bestandteil der Gesellschaft verstehen, ist Corporate Citizenship. Dabei beteiligen sich die Unternehmen an der Gestaltung ihres Umfelds, etwa indem sie Know-how an soziale Einrichtungen und Projekte weitergeben. Corporate Social Responsibility bezeichnet das Engagement von Unternehmen, die sich als Teil der globalen Gesellschaft betrachten, entsprechende Verantwortung übernehmen und Initiativen starten, die beispielsweise die Umweltverträglichkeit der Produktion oder soziale Standards für die Mitarbeiter betreffen. Beim Corporate Volunteering kommen Mitarbeiter von Unternehmen direkt in sozialen Projekten zum Einsatz.

Als deutsche Unternehmen sich im Zuge der Globalisierung für die Unternehmenskultur in anderen Ländern zu interessieren begannen, wurden sie auch auf die fortschrittlichen Formen bürgerschaftlichen Engagements aufmerksam. In die eigene Unternehmenskultur integriert wurden sie aber noch nicht, sieht man von Ausnahmen wie beispielsweise Siemens, Datev oder Quelle ab.

WiM: Was bringt bürgerschaftliches Engagement den Unternehmen?
Neben dem Imagefaktor ist noch eine ganze Reihe von Pluspunkten zu nennen. Alle Maßnahmen, die Verbesserungen der Infrastruktur bewirken, sei es gute Kinderbetreuung oder ein interessantes Kulturangebot, zahlen sich letztendlich auch für das Unternehmen aus, das sie mitfinanziert. Schließlich wird dadurch der Standort des Unternehmens aufgewertet, ein wichtiger Anreiz, wenn es um die Gewinnung qualifizierter Mitarbeiter geht.

Win-Win-Situationen, die für beide Seiten Vorteile bieten, versprechen gerade auch die neueren Formen bürgerschaftlichen Engagements, etwa Corporate Volunteering. Wenn beispielsweise Trainees von Quelle, also der Führungskräfte-Nachwuchs, bei der Erneuerung des Außengeländes eines Kindergartens eingesetzt werden, dann können sie wertvolle Erfahrungen in Teamarbeit machen. Gleiches gilt für Hospitanzen von Managern und anderen Führungskräften in sozialen Projekten wie der Drogenhilfe und Obdachlosenbetreuung. Ihre sozialen Kompetenzen können dadurch gesteigert werden. Die Teilnehmer von Datev und Siemens bewerten ihre Einsätze im Rahmen unserer Initiative „Türen öffnen“ als überaus positiv. Durch die unmittelbaren Kontakte mit Vertretern aus der Wirtschaft profitieren aber auch die sozialen Einrichtungen, die noch viel lernen müssen über betriebswirtschaftliches Denken und Marketing.

WiM: Gibt es generelle Ratschläge für Unternehmen, die sich engagieren wollen, aber noch nicht wissen, wo und wie?
In jedem Fall würde ich empfehlen, dass das Engagement der Unternehmen darauf abzielen sollte, die regionale Identität zu stärken. Wenn die Mitarbeiter und auch ein Großteil der Kunden in der Gegend des Firmensitzes ansässig sind, lässt sich durch gesellschaftliches Engagement die Bindung an das Unternehmen stärken. Zudem sollten Unternehmen ihr Engagement auf Bereiche konzentrieren, die zu ihnen passen und glaubwürdig wirken. Ein Musterbeispiel hat der Sportartikel-Hersteller Nike in Berlin geliefert mit seinen Maßnahmen zur Fortbildung arbeitsloser Jugendlicher. Jugendliche sind eine wichtige Zielgruppe des Produktsangebots von Nike, deshalb wirkt auch die soziale Initiative authentisch. Ein dritter Orientierungsmaßstab ist die Personalentwicklung. Die Maßnahmen bürgerschaftlichen Engagements von Unternehmen sollen nicht zuletzt der Steigerung der sozialen Kompetenz von Mitarbeitern auf unterschiedlichen Ebenen dienen und somit nachhaltig wirken.

WiM: Welche Trends sind beim Engagement von Unternehmen bemerkbar?
Die positiven Prognosen, die in den 90er Jahren von Experten gestellt wurden, erfüllen sich meiner Einschätzung noch nicht. Die Zurückhaltung von Unternehmen beim Mäzenatentum und Sponsoring im sozialen Bereich hat mehrere Ursachen, beispielsweise die Einbrüche an den Börsen. Durch die Vergrößerung von Firmen und Fusionen werden außerdem die Entscheidungswege länger und komplizierter. Andererseits bin ich optimistisch, dass sich mittelfristig auch hierzulande vieles amerikanisieren wird und die Unternehmen die Vorzüge der neuen Formen gesellschaftlichen Einsatzes für sich entdecken werden.

Die Fragen stellte Elisabeth Zeitler.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 03|2004, Seite 34

 
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