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Dem Nachwuchs eine Chance geben!

Rettung in letzter Minute: Am 16. Juni 2004 unterzeichneten Bundesregierung und Spitzenverbände der Wirtschaft einen „Nationalen Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs in Deutschland“. Damit ist die Ausbildungsplatzabgabe vom Tisch. Für das gemeinsame Ziel, dem Nachwuchs eine Chance zu geben, übernehmen nun alle Vertragspartner Verantwortung. Dazu brauchen wir die Mithilfe der Betriebe, wir brauchen Ihr Engagement als Unternehmer vor Ort.

Im Nationalen Pakt appellieren die Beteiligten an den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat, das Gesetzgebungsverfahren zu einem Berufsausbildungssicherungsgesetz ruhen zu lassen. Denn das Gesetz darf nicht kommen, weil der Pakt nur als Alternative zum Gesetz funktioniert. Mit dem Pakt verpflichten sich die Partner gemeinsam und verbindlich, in enger Zusammenarbeit mit den Ländern, allen ausbildungswilligen und ausbildungsfähigen jungen Menschen ein Angebot auf Ausbildung zu unterbreiten – so die Kernaussage. Kein Jugendlicher soll den direkten Weg von der Schule in die Langzeitarbeitslosigkeit nehmen müssen. Gefragt sind deshalb Maßnahmen auch unterhalb der Schwelle der anerkannten Ausbildungsberufe. So sieht der Pakt zwar vor, dass die Vermittlung in das duale Ausbildungssystem vorrangig bleibt. Aber auch Jugendliche mit eingeschränkten Vermittlungschancen sollen Perspektiven für den Einstieg in die berufliche Ausbildung und das Berufsleben erhalten.

Mängel bei der Ausbildungsreife
Die immer wieder von der Wirtschaft geforderte Lehrstellengarantie vernachlässigt hingegen bewusst die Fragen der Ausbildungsfähigkeit vieler Schulabgänger. Nicht alle Jugendlichen sind für eine Berufsausbildung schon vollständig geeignet, vielfach sind Maßnahmen der Ausbildungsvorbereitung notwendig. Da auch die Wirtschaft ein Interesse daran haben muss, dass die immer weniger werdenden Jugendlichen Zugang zum Arbeitsmarkt finden, hat sie zugesagt, 25 000 Plätze für betrieblich durchgeführte Einstiegsqualifikationen bereitzustellen. Dabei tragen die Betriebe die Sach- und Personalkosten der Ausbildung; die Bundesagentur für Arbeit zahlt einen Zuschuss des Bundes zum Unterhalt dieser bedingt ausbildungsfähigen Jugendlichen.

Vermittlung wird verbessert
Darüber hinaus setzt die Wirtschaft sich das verbindliche Ziel, während der dreijährigen Dauer des Paktes im Jahresdurchschnitt 30 000 neue Ausbildungsplätze zu akquirieren. Die Einwerbung neuer Ausbildungsplätze ist besonders wichtig, um die aus wirtschaftlichen und anderen Gründen entfallenden Ausbildungsplätze weitgehend zu kompensieren bzw. die Zahl der Ausbildungsplätze möglichst zu erhöhen.

Datenabgleich zwischen IHK und Arbeitsagenturen
Neben der Steigerung der Ausbildungsleistung will der Pakt den Vermittlungsprozess verbessern. Ab diesem Jahr wollen die Partner des Ausbildungspaktes ein stringenteres Verfahren einführen, um die Vermittlung auf diejenigen zu konzentrieren, die wirklich Hilfe brauchen. Die Bundesagentur für Arbeit wird per Call Center die jugendlichen Bewerber frühzeitig kontaktieren, um festzustellen, bei wem der Bewerbungswunsch fortbesteht. Zur Aktualisierung der Datengrundlagen im Vermittlungsprozess soll auch ein Datenabgleich zwischen Industrie- und Handelskammern und Arbeitsagenturen durchgeführt werden. Zudem wird das Ausbildungsbewerber-Profiling der Agenturen für Arbeit in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft weiter entwickelt.

Ab September tauschen IHKs und Agenturen für Arbeit dann die Daten über die bis dahin unvermittelten Jugendlichen aus und laden gemeinsam zu Nachvermittlungsaktionen ein. Soweit erforderlich, geschieht dies auf der Basis eines Kompetenzchecks, den die Agenturen für Arbeit unter Mitwirkung der IHKs durchführen. Ziel des Kompetenzchecks ist es, die vorhandenen Kompetenzen und Potenziale festzustellen und entsprechend sinnvolle Angebote für die unversorgten Jugendlichen abzuleiten.

Jugendliche müssen aktiv mitwirken
Ein Ärgernis in den letzten Jahren war es stets, dass Jugendliche folgenlos den Einladungen zu Nachvermittlungsbörsen nicht nachkamen. Der Pakt hält nun ausdrücklich fest, dass die gemeinsamen Nachvermittlungsaktionen von IHKs und Agenturen für Arbeit eine aktive Mitwirkung der Jugendlichen voraussetzen. Jugendliche, die zu den entsprechenden Terminen nicht erscheinen, gehören nach individueller Prüfung nicht mehr zum Kreis der Bewerber und gelten damit auch nicht mehr als unversorgt. Die Partner führen auf dieser Basis eine regionale Statistik, um zeitnah Auskünfte über den Vermittlungserfolg geben zu können.

Regionale Bündnisse
Der Pakt für Ausbildung auf nationaler Ebene soll daher keineswegs die regionalen Bündnisse ersetzen. Vielmehr appellieren die Paktpartner an die Verantwortlichen in den Ländern und Kommunen, erfolgreiche Kooperationen und Bündnisse für Ausbildung uneingeschränkt fortzusetzen, weiter auszubauen und sich so in den Nationalen Pakt einzubringen. Ein Appell geht auch an die Schulen, die Vermittlung von Schlüsselkompetenzen wie Rechnen, Schreiben, Lesen sowie die Ausbildungsfähigkeit und Berufsreife besser zu gewährleisten. Dabei soll durchgängig im Unterricht der Bezug zur Arbeits- und Berufswelt gestärkt werden. Auch der Kooperation zwischen Schulen und Betrieben kommt eine große Rolle zu. Die Wirtschaft bietet hierzu den Einsatz von Mentoren aus der betrieblichen Praxis an, die vor Ort in den Schulen tätig werden.

Gutes Signal für Deutschland
Die Ausbildungsplatzabgabe hätte die Unternehmen brutto mit über drei Mrd. Euro belastet. Eine Belastung, die allen Bemühungen um Senkung der Lohnzusatzkosten zuwider gelaufen wäre. Diese Belastung kann jetzt und zukünftig vermieden werden, wenn alle Betriebe sich verstärkt engagieren. Der Pakt ermöglicht im Unterschied zur Ausbildungsplatzabgabe ein stärkeres Engagement, das aus betriebswirtschaftlicher Sicht tragbar ist und bewahrt die Betriebe zugleich vor den unnötigen bürokratischen Kosten einer Abgabe. Es liegt deshalb im Interesse der Unternehmen, jetzt verstärkt zusätzliche Ausbildungsplätze anzubieten oder sich durch das Angebot von Plätzen für eine Einstiegsqualifizierung einzubringen. Die Industrie- und Handelskammern werden hier auf die Betriebe zugehen, um zu informieren, zu beraten und zu helfen.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 07|2004, Seite 22

 
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