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Teil XIV: "Adam und Eva", 1507

Mit dem weltberühmten Kupferstich „Adam und Eva“ (1504) hat Albrecht Dürer das historische Motiv vollkommen neu interpretiert. Das als gottesebenbildliche, ideale Schönheit per mathematischer Konstruktion gestaltete und höchst selbstbewusst dargestellte Urelternpaar wurde bewusst aus dem bisherigen Zusammenhang isoliert. Der Nürnberger Weltkünstler hat italienisch-antike Rezeption mit christlicher und humanistischer Vorstellungswelt zu einer innovativen, zeitgemäßen Aussage verschmolzen. Multikulturell oder interdisziplinär würde man heute diese Vorgehensweise bezeichnen, die in unserer zunehmend komplexer werdenden Zeit verstärkt aufgegriffen wird, die Tiefe und gedankliche Durchdringung des universalen Nürnberger Künstlers jedoch nur selten annähernd erreichen. Mit dem Medium Druckgrafik hat Albrecht Dürer seiner modernen Auffassung auch öffentlich Nachdruck verliehen und diese populär gemacht. Die Thematik der ersten Menschen eignete sich wie kaum eine andere als exemplarisches Spiegelbild der Zeit, das zugleich in der Lage war die Vergangenheit wie die Zukunft mit einzuschließen, also auf Allgemeingültigkeit abzielte. Dürer, der die Dinge immer auf den absoluten Punkt bringen wollte, war wie sooft frühzeitig auf der Suche nach neuen Wegen. Die Federzeichnung, die sich heute in Paris befindet und nach 1495 datiert wird, zeigt Adam und Eva zum ersten Mal in der Kunstgeschichte als Liebespaar: „Ein konkretes Vorbild für diese ungewöhnliche Darstellung Adams und Evas lässt sich jedoch weder südlich noch nördlich der Alpen finden“ (C. Schoen). Diese gestalterische Idee greift Dürer schließlich 1510 in einer Zeichnung und einer Holzschnittserie erneut auf.

Eine weitere Version als Gemälde von 1507, heute im Madrider Prado Museum, wurde wie der vorausgehende Kupferstich weltberühmt und ebenso als höchst innovatives wie repräsentatives Meisterwerk eingeordnet. Es sind die ersten lebensgroßen Aktdarstellungen in Deutschland. Sie entstanden nach Dürers zweitem Italien-Aufenthalt. Über den ursprünglichen Kontext wird nach wie vor viel spekuliert, da sich so gut wie keine Informationen erhalten haben.

Im Vergleich zum Kupferstich verzichtete Dürer auf Detailreichtum und Symbolik zugunsten einer intensiven Einfachheit, Sinnlichkeit und Konzentration. Adam und Eva wurden als zwei autonome Geschlechter nun auf zwei Lindenholztafeln getrennt gemalt. Ob Dürer damals schon vom Genter Altar (1432) van Eycks Kenntnis hatte? 1521 sollte er ihn lobend erwähnen. Als mögliche Inspirationsquelle werden unter Kunsthistorikern vielmehr die Skulpturen Antonio Rizzo in Betracht gezogen, die sich in Venedig an der Arco Foscari befinden. Allerdings hatten beide Künstler den revolutionären Schritt der Loslösung aus dem Gesamtzusammenhang nicht gewagt. Dürer steigerte ihn ein weiteres Mal durch die Zweiteilung und die spezifische Komposition. Beide Personen sind etwa gleich groß und haben unterschiedliche Hauttöne. Noch zwingender als beim Kupferstich stellt das Werk die (bis heute aktuelle Frage) nach der Differenzierung und Gleichwertigkeit der Geschlechter. Dürers verschiedene, höchst moderne Interpretationen waren darüber hinaus wesentliche „Initialzündungen“ für die vielfältigen und massenhaften Sündenfall-Darstellungen im 16. Jahrhundert.

Autor/in: 
Eva Schickler
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 08|2004, Seite 29

 
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