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Ideenschmiede für die Herzmedizin

Auf Produktentwicklungen in der Medizintechnik ist die Erlanger Corscience GmbH & Co. KG spezialisiert, die im Jahr 2001 von Prof. Dr. Armin Bolz gegründet wurde und ihren Sitz im Innovationszentrum für Medizintechnik und Pharma (IZMP) hat. Die Schwerpunkte von Corscience liegen auf der Kardiologie und auf der drahtlosen Übertragung medizinischer Daten. Das Medizintechnik-Unternehmen ist eine Ausgründung aus der Universität Karlsruhe, wo Bolz nach wie vor am Institut für Biomedizinische Technik lehrt und eine Forschungsgruppe leitet. Die Jury des IHK-Gründerwettbewerbs hob besonders die Innovationsstärke von Corscience hervor und würdigte dies mit dem 2. Preis.

„Was hilft das beste theoretische Wissen, wenn es nicht praktisch umgesetzt wird?“ Diese Erkenntnis war für Bolz einer der Beweggründe, nach Physikstudium in Erlangen und nach der Promotion ein Unternehmen zu gründen. Prägend war zudem der im Jahr 2001 tödlich verunglückte Prof. Dr. Max Schaldach, Lehrstuhlinhaber an der Universität Erlangen-Nürnberg und Gründer des Medizintechnik-Unternehmens Biotronik, der Bolz als Mentor bei den Schritten in die Selbstständigkeit begleitete. Die persönlichen Bindungen an Erlangen waren ein wesentlicher Grund, sich dort niederzulassen. Doch auch das „geniale Medizin-Netzwerk“ mit Siemens-Med, Uni-Kliniken, Hochschulen und Unternehmen sowie die gute Verkehrsanbindung haben laut Bolz zur Standortwahl beigetragen. Zudem sei Bayern in der Gründerförderung bundesweit „vorbildlich“.

Corscience hat sich zum Ziel gesetzt, neueste wissenschaftliche Erkenntnisse in Komponenten und Produkte umzusetzen. Ausgegangen wird von Problemstellungen in der Medizin, für die man praxisgerechte Lösungen sucht. „Wir nehmen dabei Anleihen bei zahlreichen Disziplinen wie Physik, Medizin, Signalverarbeitung, Informationstechnik und Kunststoffverarbeitung und führen deren Know-how zusammen“, so Bolz. 28 Mitarbeiter (die meisten von ihnen Physiker, Ingenieure und Informatiker, außerdem werden fünf Praktikumstellen zur Verfügung gestellt) arbeiten deshalb fachübergreifend an neuen Technologien.

Defibrillatoren gegen den Herztod
Im Vordergrund steht die Entwicklung von Technologien, mit denen Diagnosen in der Kardiologie automatisiert werden können. Beispiel Notfallmedizin: Die Tatsache, dass jedes Jahr allein in Deutschland etwa 100 000 Menschen an plötzlichem Herzversagen sterben, war Anlass, sich in diesem Bereich zu engagieren. Die einzig bekannte Therapie gegen den Herztod besteht in der Defibrillation, d.h. der elektrischen Synchronisation der Herzmuskelzellen. Dies muss aber in Minutenschnelle geschehen, um die Sauerstoffversorgung sicherzustellen und irreparable Schädigungen des Gehirns zu verhindern. Um ein schnelles Eingreifen auch von medizinischen Laien zu ermöglichen, hat Corscience einen halbautomatischen Defibrillator mit einfachster Bedienung entwickelt. Eine Stimme erklärt genau die nötigen Schritte. Zudem ist das Gerät denkbar einfach gestaltet und funktioniert nach dem „Ampel-Prinzip“ (nur zwei Anzeigen: grün für Freigabe, rot für Warnung). Das System ermöglicht eine bessere und individuellere „Dosierung“ der Stromabgabe und lässt eventuelles Kammerflimmern im Herzen besser erkennen. Zudem setzt das Gerät automatisch einen Notruf an die nächste Rettungsleitstelle ab. Der Defibrillator bietet auch verschiedene drahtlose Lösungen zum Auslesen der Daten, so dass sich das eintreffende Notfall-Team schnell über den Verlauf der Ersten Hilfe informieren kann.

Ein großes Potenzial sieht Bolz in der drahtlosen Sensorik, die eine kabellose Übertragung medizinischer Daten mit Bluetooth-Sensoren oder mit GSM/GPRS-Modems ermöglicht. Anwendungen sind die drahtlose Übertragung von Daten beim EKG oder von Pulsoxymetern, die die Sauerstoffkonzentration im Körper messen. Bisher müssen die Patienten in jedem Behandlungsraum neu „verkabelt“ werden und können nur umständlich bewegt werden, Messdaten werden durch Erschütterungen des Kabels verfälscht.

Ein anderes Einsatzgebiet der drahtlosen Sensorik ist die permanente Überwachung von Risikopatienten: Personen, die zu Herzanfällen neigen, tragen einen Brustgurt mit Elektroden sowie ein Handy mit sich. Die kardiologischen Daten werden permanent analysiert; bei Auffälligkeiten überträgt das System die Daten an den Arzt und setzt über das Handy einen Notruf ab. Für die Vermarktung dieser Neuentwicklung (Produktname „CardioAlarm“) soll im Laufe dieses Jahres ein Tochterunternehmen gegründet werden.

Corscience, die in diesem Jahr mit einer Anerkennung beim Bayerischen Innovationspreis ausgezeichnet wurde und bereits zahlreiche Patente angemeldet hat, sieht sich nicht als Produzent, sondern als „Ideenschmiede“, die innovatives Wissen an andere Firmen verkauft oder lizensiert. Außerdem unterstützt Corscience die Kundenunternehmen bei deren Produktentwicklung, wobei alle Stufen vom ersten Funktionsmuster über die Serieneinführung bis zur Zulassung abgedeckt werden. Zu den bekannten Geschäftspartnern zählen u.a. Weinmann, MCC, Fresenius Medical Care, Envitec und Cardiosafe.

bec.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 08|2004, Seite 10

 
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