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Forderungen richtig finanzieren

Liquidität bleibt auch weiterhin eines der Hauptprobleme im deutschen Mittelstand. Doch gibt es insbesondere für Mittelständler alternative Wege, im eigenen Unternehmen für mehr Liquidität zu sorgen und gleichzeitig die Bilanz zu stärken. Eine einfache Lösung ist der Forderungsverkauf: Wenn jede Rechnung umgehend nach deren Ausstellung beglichen wird, steigt die Liquidität im Unternehmen rapide. Zu Unrecht hat die Forderungsabtretung (z.B. Factoring) einen schlechten Ruf bei deutschen Unternehmen. Denn der steigende Trend zur Forderungsfinanzierung lässt sich an den Factoring-Umsätzen in Deutschland ablesen: Diese legten in den letzten fünf Jahren jedes Jahr um ca. 15 Prozent zu, alleine im letzten Jahr von 35 auf 45 Mrd. Euro. Auch der Vergleich mit den Nachbarländern zeigt den Nachholbedarf, hierzulande werden weit weniger Forderungen verkauft als in Frankreich, Großbritannien oder den Niederlanden.

Diese Wege der Forderungsfinanzierung haben sich etabliert: Forfaitierung (Finanzierung einzelner Forderungen), Factoring (Finanzierung eines Forderungs-Portfolios über einen Finanzdienstleister/Factor) und Verbriefung eines Forderungs-Portfolios am Kapitalmarkt (Asset Backed Securities, kurz ABS).

Factoring ist der bekannteste Weg: Je nach Umfang, Administrationsaufwand sowie Verkäufer- und Schuldnerrisiko kostet Factoring zwischen 0,4 und 2,5 Prozent des in den Factoring-Vertrag einbezogenen Umsatzes, unabhängig vom Finanzierungsvolumen. Weitere Kosten fallen in Form eines Finanzierungszinses für die angekauften Forderungen (Refinanzierungszinssatz zuzüglich einer Marge in Höhe von zwei bis vier Prozent) und Limitgebühren an. Der obere Bereich der Preisspanne für die Umsatzgebühr wird nur beim sog. Full-Service-Factoring erreicht. Hier übernimmt der Factor, Finanzierung, Delkredere-Risiko und Debitorenmanagement. Bei größeren Unternehmen hat sich das Inhouse-Factoring durchgesetzt. Dabei werden alle Forderungen direkt an das rechnungstellende Unternehmen gezahlt, die das Debitorenmanagement für den Factor weiterführen. Full-Service-Factoring wird bereits Unternehmen ab einem Jahresumsatz von 0,5 Mio. Euro angeboten, während Inhouse-Factoring in der Regel erst ab zehn Mio. Euro Jahresumsatz in Frage kommt.

Als Nachteile werden meist die vom Factor auferlegten Beschränkungen aufgeführt: Da der Factor das Umsatzrisiko alleine trägt und weitere Risiken über Versicherungen abdeckt, wird er u.U. nicht das gesamte Forderungsportfolio finanzieren. Bevorzugt werden mittelgroße Rechnungssummen bei diversifizierter Abnehmerstruktur. In der Regel werden 90 Prozent der Forderungen bevorschusst.

Individuell auf das Portfolio und die Bedürfnisse der Unternehmen zugeschnitten sind Forderungsverbriefungen. Diese sind vom Debitorenmanagement her ähnlich wie das Inhouse-Factoring, allerdings erfolgt die Refinanzierung über den Kapitalmarkt durch die Ausgabe von so genannten ABS-Papieren. Auf Grund der Kostenstruktur ist dies eher gehobenen Mittelständlern vorbehalten. ABS-Programme kosten je nach Verbriefungsvolumen zwischen 0,7 bis 2,5 Prozent des Forderungsbestands zuzüglich Refinanzierungssatz. Die Kosten variieren stark und sind abhängig vom Kreditausfallrisiko der Schuldner, dem Strukturrisiko und dem Strukturaufwand – meist bleibt ein hoher Fixkostenblock. Grundsätzlich gilt: Je größer und diversifizierter das Portfolio, desto attraktiver die Finanzierungskosten.

Zu beachten ist, dass die Implementierung der ABS-Struktur länger dauert und die Transaktionslaufzeit auf mindestens fünf Jahre angelegt ist. Eine außerplanmäßige Auflösung oder Anpassungen an eine veränderte Portfoliostruktur sind oftmals zeit- und kostenaufwändig. Bei längerem Planungshorizont und einer ausreichenden Zahl verbriefbarer Forderungen ist eine ABS-Lösung tendenziell für große Unternehmen attraktiv.

Mittlerweile gibt es Zwischenlösungen für Mittelständler, die für ABS-Programme zu klein und für Factoring zu groß sind, z.B. das Mittelstands-ABS. Hierbei ist es über standardisierte Strukturen auch für kleinere, mittelständische Unternehmen wirtschaftlich, ihr Forderungsportfolio zu verbriefen. Diese ABS-Lösungen zielen allerdings auf Unternehmen mit verbriefbarem Forderungsvolumen von etwa 20 Mio. Euro. Daher weisen die „Mittelständler“, die dies nutzen, mehrheitlich einen Umsatz von über 500 Mio. Euro auf.

Erfolgreich werden von einigen Instituten aber auch beim Factoring erweiterte Lösungen angeboten. Selbst konzentrierte Forderungen ab etwa drei Mio. Euro werden finanziert. Die Bevorschussungsraten liegen oftmals bei fast 100 Prozent bei kompletter Übernahme des Debitorenausfallrisikos. „Stiller“ Forderungsverkauf ist die Regel. Vorteile sind schnelle Implementierung sowie die flexibel auszuhandelnde Vertragslaufzeit.

Martin Hartge, martin.hartge@siemens.com
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 07|2005, Seite 19

 
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