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Wörter sind keine Peanuts!

Worthülsen, Verharmlosungen und Imponier-Denglisch: Nehmen Unternehmen ihren Sprachgebrauch nicht ernst genug?

Beim Wettrennen zwischen Politik und Wirtschaft darum, wer die schlechteren neuen Wörter in die Welt setzt, hatte die Wirtschaft zuletzt die Nase vorn. „Entlassungsproduktivität” und „Humankapital” hießen die beiden jüngsten Unwörter des Jahres. Die beiden Beispiele sind keineswegs so schlimm, wie die reflexartige Empörung in den Massenmedien glauben machen könnte. „Humankapital” ist im Gegenteil sogar eigentlich ein Begriff, der die Aufmerksamkeit von Firmen in positiver Weise auf ihre Mitarbeiter lenken soll. Trotzdem ist die Brandmarkung solcher Wörter ein Indiz einer Entwicklung, die Unternehmen nicht übersehen sollten: Die Sprache der Wirtschaft entfremdet sich immer mehr vom Großteil der Menschen. Nicht zuletzt deshalb ist ein gesellschaftliches Klima entstanden, in dem vor allem Manager und ihre Äußerungen als Ziel von Spott, Verachtung oder sogar Aggression herhalten müssen. Hilmar Koppers „Peanuts“ sind so zur ikonenhaften Berühmtheit geworden.

Auf den ersten Blick scheint Sprache im Tagesgeschäft eines Unternehmens keine sonderlich wichtige Rolle einzunehmen: Normalerweise hängen neue Aufträge kaum an der schlechten Ausdrucksweise eines Mitarbeiters – ist sein Angebot besser als das der Konkurrenz, wird er den Zuschlag trotz falscher Wortwahl erhalten. Diese Sichtweise ist jedoch naiv. Schon die Benennung von Arbeiten kann ihren Marktwert bekanntlich erheblich steigern. Eine „Beratung” ist sicher mehr wert als ein „Tipp”, obwohl es sich womöglich bei beidem um ein Zehn-Minuten-Gespräch gehandelt hat. Für Produkte gilt dasselbe: Wer erinnert sich etwa noch an die anfänglichen Konkurrenten des „Gameboy”? Einer hieß „Bandai-Huki Sewer Spielset”. Heute ist er schlicht vergessen.

Hochtrabende Texte, flotte Sprüche
Sprache ist unser wichtigstes Kommunikationsmittel im Alltag: Fast jeder Kontakt innerhalb der Firma und nach außen wird von Sprache geprägt – mündlich oder schriftlich. „Wo befand sich die Sprache, als Corporate Design und Corporate Identity erfunden wurden? Hatte sie gerade Urlaub?”, spottet der Unternehmensberater Hans-Peter Förster, der sich auf Unternehmenssprache spezialisiert hat. Er kritisiert, dass die Sprachverwendung viel zu oft wahllos und unsensibel geschieht: Hochtrabende Texte in der Unternehmensphilosophie, flotte Sprüche aus der Werbung, steife und aufgeblähte Satzhülsen in Geschäftsberichten, Neuheitenbrei in Pressetexten und Bürokratendeutsch in der Geschäftskorrespondenz. Seinen Kunden (u.a. Ravensburger und Cullmann-Foto in Langenzenn) will Förster vor allem eines beibringen: „Schriftliche Inkompetenz kann sich heute keiner mehr leisten!”

Aus jedem Brief, jeder Verlautbarung, jeder Telefonauskunft eines Unternehmens ziehen Geschäftspartner und Kunden Rückschlüsse. „Sie werden von uns zu gegebener Zeit informiert.” So ein Satz, der in Deutschland täglich tausendfach verschickt wird, weist seinen Absender unfreiwillig als arroganten Rüpel aus. Ein Manager, der am Telefon von „workpackages” und „timelines” spricht, vermittelt den Eindruck, dass ihm die Worte „Arbeit” und „Fertigstellung” fremd sind. Sehr oft sind solche sprachlichen Umgehungsstraßen natürlich gewollt, man kann damit Dinge schönreden. Das schauderhafte „Freisetzen” von Arbeitnehmern etwa, ein täuschendes „Negativwachstum” oder ein verharmlosendes „Restrisiko”. Auch werden die beschönigenden Vokabeln gern dazu benutzt, sich selbst zu erhöhen, „Sales Professional” klingt besser als Verkäufer und „Facility Manager” besser als Hausmeister.

Vage Sprache bei schlechten Geschäften
Die Wortumgehungen haben aber mehr Schwächen als Stärken. Erstens vermitteln viele Worte – besonders in der Finanzwelt – Außenstehenden den Eindruck von Unverständlichkeit, Tarnung, Geschwurbel und Aufgeblasenheit. Das diskreditiert den Sprecher mehr, als dass es ihn erhöht. Man versteht ihn auch schlecht – was ja schließlich das wichtigste Interesse an Kommunikation ist. Außerdem kommt trotz aller Tricks irgendwann doch die Wahrheit ans Tageslicht, und zwar umso entlarvender. Die Universität Saarbrücken hat einmal bei einer Analyse von Geschäftsberichten festgestellt, dass die Sprache darin immer vager wird, je schlechter die Geschäfte laufen.

In den Wirtschaftsabteilungen deutscher Buchläden hat der sprachliche Management-Quatsch längst groteske Formen angenommen. Seitenweise werden in Ratgebern für Manager Tipps verabreicht, die Lieschen Müller schon immer in einem Satz sagen konnte – nur nicht in diesem Success-Training-Slang.

In die Ratgeber-Regale hat sich der Cartoonist Scott Adams mit einem ironischen „Management-Handbuch” eingeschlichen und dort sehr treffliche Tipps gegeben - auf gut Deutsch: „Es ist nicht ratsam, die Idioten, die Ihre Mitarbeiter sind, als Idioten zu bezeichnen. Sprechen Sie lieber von Ressourcen, das hören die Leute gern. Es ist zwar das gleiche wie Idioten, doch Ihre Leute können sich damit leichter identifizieren.” Vermutlich können Manager aus diesem lustigen Buch mehr lernen als aus den meisten ernstgemeinten Ratgebern, die Titel tragen wie „Winning”, „Simply better” oder noch konkreter „Zack!”.

In Büchern dieser Manier wimmelt es nur so von Begriffen, die der Schweizer Management-Professor Fred Malik in seinem Buch „Gefährliche Managementwörter” geißelt, zum Beispiel „Charisma”, „Coaching” oder „Visionen”. Ähnlich gilt das für die sprachliche Überhöhung simpler Ziele als „Philosophie“.

Die Sprache der Wirtschaft zu kritisieren ist eine Sache, es besser zu machen eine andere. Die meisten Sprachkritiker machen es sich allzu leicht, wenn sie einzelne Wörter anprangern oder Anglizismen pauschal für überflüssig erklären. Viele Entwicklungen kommen eben über die Weltsprache Englisch nach Deutschland, und die internationale Kommunikation wird durch eine gemeinsame Fachsprache zum Teil erheblich vereinfacht. Der Walkman wurde nun einmal nicht in Deutschland erfunden, und „tragbarer Radiokassettenspieler” klang einfach schwächer. Der Walkman hat seinerzeit die deutsche Sprache genauso bereichert wie das schöne Wort „Kekse”, aus dem englischen „cakes“. Das legitimiert aber nicht jeden Anglizismus in jeder Situation: Meist lässt sich eine „Message” doch viel trefflicher als „Nachricht” oder „Botschaft” übermitteln.

Smalltalk statt klarer Aussagen
Das Problem der schummrigen Sprache in der Wirtschaft ist zudem kein spezifisch deutsches – auch die Manager anderer Länder reden am liebsten in Worthülsen, wie Constantin Seibt, Reporter der Schweizer Wochenzeitung, beim Weltwirtschaftsforum feststellte: Vier Tage lang habe er nichts als Smalltalk und hundertfache Leerformeln wie „We have to build up democracy for a stable economy” oder „Europe needs reforms” gehört: „Außer diesen Mantras stand nichts in meinen Notizblöcken.” Von der Wirtschaftsdiplomatie sind eben genauso wenig klare Ansagen zu erwarten wie von der Staatsdiplomatie – die unverfängliche Plauderei gehört hier zum Geschäft.

Hinzu kommt: „Wer als Manager eine klare, verständliche Sprache spricht, gilt in vielen Unternehmen als unprofessionell.” Das sagt Armin Reins, dessen Agentur „ReinsClassen” Firmen bei ihrer „Corporate Language” berät. „Da rettet man sich lieber ins Technokraten-Chinesisch, Verklausulierungs-Kisuaheli, Denglisch oder Floskel-Latein”, wettert Reins, „schließlich möchte man ja als mittlerer Marketingmann, dass der Text vom Chef abgesegnet wird.”

Den Unternehmen und ihren Managern wird meist nichts anderes übrig bleiben als eine umfassende Sprach-Inventur, meint Reins. Und natürlich, in allen Einzelfällen über Sprache nachzudenken. Auch über die Menschen, die da kommunizieren. Der Bonner Professor Helmut Ebert, dessen Steckenpferd die Unternehmenssprache ist, brachte auf einem Kongress der deutschen Redenschreiber eins der Hauptprobleme auf den Punkt: „In der männerdominierten Managementsprache existiert ein einseitiges Menschenbild vom Mitarbeiter als Objekt.” Dahinter steht laut Ebert die völlig veraltete Vorstellung in Unternehmen, dass Vorgesetzte mit Untergebenen umgehen können wie mit einem gestaltbaren Material. Hier wird erkennbar, dass hinter vielen Äußerungen tatsächlich auch dumme Ideen stecken, die zunächst überwunden werden müssen. Es hilft ja nichts, „Ressourcen” zu sagen, wenn man „Idioten” meint.

Immerhin für eines ist die Schaumsprache der Managerzunft gut: zum Amüsement. Der Schweizer Schriftsteller Martin Suter, vormals selbst „Creative Director” einer Werbeagentur, knöpft sich die Führungskräfte seit Jahren in seinen Feuilletons immer wieder genüsslich vor. Diese Leute sprechen von „fact sheets”, wenn sie einen Zettel meinen, und von „privaten Restrukturierungsmaßnahmen”, wenn sie die Ehefrau durch eine Jüngere ersetzen. In Suters Geschichten geben solche Manager wunderbare Lachnummern ab. In der realen Wirtschaftswelt allerdings auch.

Autor/in: 
Stefan Brunn
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 05|2006, Seite 8

 
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