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Wertewandel in der westlichen Welt

Der Wandel vom traditionellen zum modernen Werteverständnis ist in der westlichen Welt ausgeprägter denn je. Moderne Gesellschaften sind heute anspruchsvoller und können es sich auch leisten, diese gestiegenen Ansprüche zu kommunizieren. Um ihren langfristigen wirtschaftlichen Erfolg zu sichern, folgen Unternehmen in ihrer Markenkommunikation und im Wertedialog dieser Entwicklung. Die GfK-Tagung 2006 mit rund 600 Marketingexperten aus dem In- und Ausland in Nürnberg beschäftigte sich daher mit dem Thema „Wertewandel in der westlichen Welt: Chance für Innovation und wirtschaftlichen Erfolg“.

Im Mittelpunkt stand der Wandel von alten Bindungs- zu neuen Entfaltungswerten, die Positionierung von Marken und die Bedürfnisse einzelner Zielgruppen sowie die Balance von Werten und wirtschaftlichen Unternehmenszielen. Der heutige Wertewandel speist sich zum einen aus demografischen Veränderungen, die aus der steigenden Lebenserwartung der Menschen resultieren. Zum anderen nährt er sich aus sozio-ökonomischen Veränderungen, die sich in einer Arbeitswelt des intensivierten Wissens, der Erfahrung von Kreativität und dem technologischen Fortschritt manifestieren.

Wie dieser Entwicklung zu begegnen ist, versuchten Prof. Dr. Christian Welzel, School of Humanities and Social Sciences, Thilo Lohmüller, Division Manager der GfK Textilmarktforschung, und Prof. Dr. Dr. Ulrich Hemel, Vorsitzender der Geschäftsführung Süddekor, zu beantworten.

Welzel beobachtete in der Weltwertestudie (WWS), die in regelmäßigen, alle zwei Jahre stattfindenden Befragungswellen durchgeführt wird, wie sich Werte und Orientierungen weltweit in den unterschiedlichen Lebensbereichen entwickeln: Obwohl der steigende Wunsch nach Emanzipation einen Trend darstelle, der in allen postindustriellen Gesellschaften erkennbar ist, unterscheide er sich in den einzelnen Ländern weltweit beträchtlich. Am stärksten lebe Schweden moderne Werte wie Toleranz, Phantasie, Eigenständigkeit und Freizügigkeit vor, gefolgt von den skandinavischen Nachbarländern Norwegen, Finnland und Dänemark. Deutschland, Frankreich, Großbritannien und die Niederlande zählten zum innovativen Mittelfeld. Russland hingegen entwickle sich sogar gegen diesen Trend und scheine sich schwer zu tun, eine starke Basis für die Werte Demokratie, Toleranz und Kreativität sowie eine innovative Wissensökonomie aufzubauen.

Laut Welzel sind es vor allem junge Menschen unter 35 Jahren in Schweden, Polen und Italien, die ein neues Werteempfinden entfalten und ausleben. Aber auch die „Generation Silber“ identifiziere sich in immer stärkerem Maße mit Werten wie Toleranz, Freizügigkeit und Verantwortungsbewusstsein, hauptsächlich in Frankreich, Italien, Schweden, England, den USA und den Niederlanden. In Mexiko und vor allem in Russland haben sich die Menschen „Back to the roots“, also traditionelle Werte und Tugenden, auf die Fahnen geschrieben.

Lohmüller setzte sich mit der Positionierung von Marken und den Bedürfnissen einzelner Zielgruppen auseinander: Wie er festgestellt hat, setzen Markenartikler ihre Werbung bewusst ein, um Assoziationen zwischen ihren Produkten und festen Wertvorstellungen hervorzurufen. Unternehmen wie Boss, Uncle Sam, Troublemaker und Zara verkörpern mit „Status und Stilsicherheit“, „Zugehörigkeit“ und „Modekompetenz“ die Werte der westlichen Moderne. Die Käufer dieser Markenprodukte seien bereit, für diesen scheinbaren Mehrwert einen Premiumpreis zu zahlen. Andere Modemarken vermittelten Werte wie „soziale Verantwortung“. International agierende Unternehmen wie Trigema und Puma setzten auf Slogans wie „Produktion nur in Deutschland“ beziehungsweise „United for Africa“.

Die Betrachtung des Wertewandels gebe Anhaltspunkte über zukünftige Marktentwicklungen. Als Beispiel nannte Lohmüller den Umsatzrückgang des deutschen Kinderoberbekleidungsmarktes um fast ein Drittel in den letzten zehn Jahren bei gleichzeitigem Anstieg des Young-Fashion-Marktes im selben Zeitraum um fast das Doppelte. Dies sei ein Indiz für die Werteverschiebung bei jüngeren Zielgruppen von „Familie“ zu „Attraktivität“.

Hemel betrachtet Ethik und Wirtschaft als sich ergänzende Perspektiven menschlichen Handelns: Die Integrität von handelnden Personen, Systemen, Institutionen und Unternehmen seien ein zentraler Wert zur Balance ethischer und wirtschaftlicher Ziele. Die Integrität von Personen spiegele sich in der Übereinstimmung von Wort und Tat, Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit wieder. Systeme und Institutionen erreichten Vertrauen durch Unbestechlichkeit, Absicherung gegen Missbrauch und treibende Kräfte wie Modernisierung und Selbsterneuerung. Unternehmen überzeugen demnach Kunden, Mitarbeiter sowie Aktionäre vor allem durch Verlässlichkeit.

Laut Hemel reicht Profit allein nicht aus, um den Anforderungen des Marktes gerecht zu werden. Der Wettbewerb laufe auch über die attraktiven Werte eines Unternehmens und einer Marke, die für Kunden und das Gewinnen von Mitarbeitern von Bedeutung sind. Zukunftsorientierte Unternehmens- und Markenentwicklung solle als Wertedialog verstanden werden. Hemels Fazit: Ethik und Wirtschaft sind kein Widerspruch, sondern sich ergänzende Perspektiven menschlichen Handelns.

Autor/in: 
gru.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 08|2006, Seite 18

 
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