Telefon: +49 911 1335-1335

Deutschland 2020

Ein optimistisches Szenario zeichnete Prof. Norbert Walter, Chef-Volkswirt der Deutschen Bank, bei einem Vortrag in Nürnberg.

Überalterte Bevölkerung, Fachkräftemangel, Rohstoffknappheit, Klimawandel – der Blick in die Zukunft ist für manche vor allem mit Unsicherheit verbunden. Dass im Deutschland des Jahres 2020 aber durchaus nicht alles zum Schlechteren bestellt sein wird, hat der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Prof. Norbert Walter, in seinem Vortrag „Expedition Deutschland" am 20. September in Nürnberg skizziert. Sein Fazit: Der Wandel dürfte für Deutschland insgesamt mehr Chancen als Risiken bergen.

Die Kulisse könnte besser nicht gewählt sein: Passend zur virtuellen Zeitreise auf dem Podium hat die Deutsche Bank das Museum Industriekultur in der Äußeren Sulzbacher Straße als Austragungsort für ihre Veranstaltung gewählt. Umgeben von allerlei Erinnerungsstücken an die industriellen Errungenschaften des vergangenen Jahrhunderts hat Ökonom Walter schon einmal einen Blick ins Jahr 2020 gewagt. „Deutschland steht an einem wirtschaftlich-gesellschaftlichen Scheidepunkt", erklärt er. Nach Einschätzung des Wirtschaftswissenschaftlers muss in den nächsten 13 Jahren ein Wandel hin zu einer lernenden, selbstständigen Gesellschaft stattfinden.

Und auch in der Politik müsse sich so einiges ändern. „Wir werden das Modell von der Trennung der Kasten, der Rollen nicht aufrechterhalten können", prognostiziert Walter. Das System müsse offener, durchlässiger werden, es müsse ein häufiger „Seitenwechsel" zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik stattfinden. Gleichzeitig müssten die Politiker bereit sein, mit selbstständigen Bürgern zusammenzuarbeiten. Denn die Bevölkerung, da ist sich Walter sicher, wird in den kommenden 13 Jahren eigenständiger sein müssen: „Die Zeit des restlosen Verlassens auf staatliche Vorsorge ist vorbei." Die Menschen werden notwendigerweise darauf angewiesen sein, für sich selbst zu sorgen. Und dies werde die Bevölkerung auch wahrnehmen. So werden zwar aufgrund des demografischen Wandels bis zum Jahr 2020 immer mehr ältere Menschen in Deutschland leben. Diese werden aber, so ist sich Walter sicher, auch aktiver sein als die heutigen Rentner. Der Abstieg drohe indes denen, die eben nur schlecht qualifiziert seien oder zu langsam auf neue Entwicklungen reagierten. „Wir müssen aufpassen, dass daraus kein sozialer Sprengstoff wird", warnt Walter.

Deutschland wird sich außerdem damit abfinden müssen, im Jahr 2009 seinen Titel als Exportweltmeister an China zu verlieren und nie mehr wieder zu erhalten. „Das sollte uns nicht aufregen", beschwichtigt Walter. Denn die deutsche Wirtschaft werde in anderen Bereichen ausgesprochen erfolgreich sein. „Made in Germany" werde in naher Zukunft vom „Created in Germany" abgelöst.

Und davon dürften seiner Prognose zufolge auch zahlreiche Branchen profitieren: Von den Unternehmen der Spitzentechnologien wie Bio- und Umwelttechnologie einmal abgesehen, sieht Walter auch Logistik und Verkehrstelematik-Firmen ganz vorne mit dabei. Auch die unternehmensnahen Dienstleistungen werden ihren Siegeszug fortsetzen. Hinzu werden regelrechte Lernmärkte kommen, um die steigende Nachfrage nach Bildung abzudecken. Hier sieht Walter auch die Notwendigkeit, Bildungsfonds oder Lernkredite einzuführen. Und auch soziale Dienstleistungen gehören zu den potenziellen Gewinnern der Zukunft: Neben Gesundheit und Pflege wird die Kinder- und Familienbetreuung an Bedeutung gewinnen, damit – wenigstens in Zukunft – Beruf und Familie besser vereinbart werden.

In der anschließenden Podiumsdiskussion mit Prof. Dr. Klaus L. Wübbenhorst (IHK-Präsident und GfK-Vorstandsvorsitzender), Prof. Dieter Kempf (Vorstandsvorsitzender der Datev eG) und Bernd Sauter (Geschäftsleitung Deutsche Bank AG, Region Bayern-Nord) wurde das insgesamt optimistische Szenario von Prof. Walter geteilt. Auch die Metropolregion Nürnberg sei mit ihrer Cluster-Strategie für die Herausforderungen der Zukunft gut aufgestellt, so die Teilnehmer übereinstimmend.

Autor/in: 
cas.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 10|2007, Seite 11

 
Device Index

Alle Ansprechpartner/innen auf einen Blick