Telefon: +49 911 1335-1335

Online-Händler ausgequetscht

Massenhafte Abmahnungen lassen vermuten, dass ein an sich legitimes Rechtsmittel missbraucht wird. Der DIHK strengt deshalb einen Musterprozess an.

Fast jedem gewerblichen Anbieter von Waren auf Internet-Plattformen wie Ebay oder ähnlichen Unternehmen ist schon eine Abmahnung ins Haus geflattert. Sei es durch echte oder falsche Wettbewerber und ihre Rechtsanwälte. Nicht immer sind diese Abmahnungen rechtlich einwandfrei. Häufig drängt sich sogar der Verdacht auf, dass die abmahnenden Rechtsanwälte aus finanziellen Eigeninteressen serienweise Kleinigkeiten verfolgen.

Grundsätzlich ist natürlich richtig: Wenn jemand gegen Gesetze wie zum Beispiel das Fernabsatzrecht verstößt und damit einen Wettbewerbsverstoß im Sinne des Gesetzes gegen den Unlauteren Wettbewerb (UWG) begeht, muss er auch die Folgen tragen. Abmahnungen sind sicherlich auch ein besserer und vor allem schnellerer Weg, um Wettbewerbsverstöße zu Lasten anderer Wettbewerber abzustellen, als eigens eine neue Behörde zu schaffen, die Verstöße verfolgt und Sanktionen verhängt. Die Zahl der Abmahnungen hat aber ein solches Ausmaß erreicht, dass ein massenhafter Missbrauch dieses Rechtsmittels wahrscheinlich ist.

Die IHKs haben bereits ein recht gutes Netzwerk geschaffen, um Serienabmahnungen aufzudecken. Dennoch ist sehr schwer nachzuweisen, dass Rechtsanwälte und Mandanten in betrügerischer Absicht zusammenarbeiten. Denn allein der Nachweis einer hohen Anzahl von Abmahnungen reicht den Gerichten nicht für die Annahme aus, dass ein Rechtsmissbrauch vorliegt. Hinzu kommt: Selbst kleinste Rechtsverstöße im Internet lassen sich leicht recherchieren. Ist der Adressat und somit das potenzielle Opfer einer Abmahnung erst ausgemacht, nimmt die Maschinerie ihren Lauf. Es ist deshalb wünschenswert, wenn die Gerichte zumindest verstärkt von der sogenannten Bagatellklausel Gebrauch machen würden. Diese besagt, dass eine Wettbewerbshandlung nur dann unzulässig im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb ist, wenn sie „geeignet ist, den Wettbewerb zum Nachteil der Wettbewerber, der Verbraucher oder der sonstigen Marktteilnehmer nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen“. Ein Beispiel: Ein nebenberuflicher Online-Händler, der im Monat einen Umsatz von nur 200 Euro macht und einen kleinen Fehler in seiner Widerrufsbelehrung begeht, verursacht sicherlich keine erhebliche Beeinträchtigung eines Mitbewerbers.

 Widerrufsrecht soll überarbeitet werden
Um gerade kleine Händler nicht durch fehlerhafte Widerrufsbelehrungen in die
Gesetzesfalle tappen zu lassen, hat das Bundesjustizministerium eine Musterwiderrufsbelehrung formuliert. Allerdings hat sich gezeigt, dass Händler, die den Vordruck wörtlich abschreiben, keineswegs auf der sicheren Seite sind. Auch sie wurden von findigen Anwälten mit Abmahnungen überhäuft. Denn in den Text aus dem Ministerium hatten sich folgenreiche Fehler eingeschlichen, wie die Händler durch Gerichtsentscheidungen erfahren mussten. So wurde in dem Text des Justizministeriums ein Widerspruchsrecht von 14 Tagen eingeräumt. Richter urteilten dagegen, nur eine Frist von einem ganzen Monat sei angemessen. Damit saßen die Online-Händler, die ihre Ware auf Internet-Plattformen anboten, in der Zwickmühle: Wie sie es auch anstellten, war es verkehrt. Wenn sie den Text der Musterwiderrufsbelehrung wörtlich abschrieben, sagten die Gerichte, das sei rechtswidrig; passten sie ihre Belehrung den Urteilen dieser Gerichte an, widersprachen sie der Musterwiderrufsbelehrung des Ministeriums.

Lange hat das Bundesjustizministerium diese Abmahnwellen und Gerichtsurteile ignoriert. Erst auf mehrfache Beschwerden und einen Brief des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) hin versicherte die Bundesjustizministerin dem DIHK im Juli 2007, dass sie das verzwickte Problem lösen werde.

Parallel dazu hat der DIHK einen Musterprozess angestrengt, um eine höchstrichterliche Klärung der Rechtsfragen rund um die Musterwiderrufsbelehrung und insbesondere zur Länge der Widerrufsfrist und zum Fristbeginn zu erreichen. Mit der mündlichen Verhandlung in erster Instanz beim Landgericht Berlin wird in den nächsten Wochen gerechnet. In dem vorliegenden Fall geht es um den Verkauf afrikanischer Kunstgegenstände im Wert von 18,50 Euro („Lustige Kantenhocker aus Holz – Elefant, Löwe, Nashorn“). Der Verkäufer war wegen angeblichen Verstoßes gegen das UWG abgemahnt worden.

Das Landgericht Berlin hatte eine einstweilige Verfügung gegen diese Abmahnung erlassen, der das Kammergericht Berlin in Berufungsinstanz widersprach. Nun wurde das Hauptsacheverfahren beim Landgericht eröffnet. Der DIHK strebt eine Sprungrevision zum Bundesgerichtshof (BGH) an, um durch eine schnelle höchstrichterliche Klärung im Interesse aller Beteiligten wieder Rechtssicherheit im Internet-Handel zu erlangen.

Externer Kontakt: Hildegard Reppelmund, DIHK, reppelmund.hildegard@berlin.dihk.de
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 11|2007, Seite 14

 
Device Index

Alle Ansprechpartner/innen auf einen Blick