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Wirtschaft bildet - Unsere Zukunft!

Angesichts des demografischen Wandels wird sich der Mangel an Fachkräften verschärfen. Deshalb sollten die Unternehmen schon jetzt vorsorgen. Von DIHK-Präsident Ludwig Georg Braun

Derzeit erlebt Deutschland einen soliden wirtschaftlichen Aufschwung, in dessen Folge die lang gepflegte These ins Wanken gerät, dass uns die Arbeit ausgeht. Das Gegenteil ist der Fall. In einigen Branchen und Regionen gibt es einen hohen Bedarf der Wirtschaft an Fachkräften, der nicht gedeckt werden kann. Vor allem exportstarke Unternehmen haben Probleme bei der Rekrutierung von geeignetem Personal.

Verschärft werden diese Schwierigkeiten durch die Demografie: 2007 verließen rund 970 000 Abgänger die Schulen, eingeschult wurden nur noch 800 000 Kinder. Außerdem ist die seit den 70er Jahren anhaltende Bildungsexpansion zum Stillstand gekommen. Zahlen der OECD zeigen, dass das Qualifikationsniveau der deutschen Bevölkerung tendenziell sogar sinkt. Denn jährlich fehlen bis zu 300 000 Personen, da mehr Menschen aus dem Erwerbsleben ausscheiden als ins Berufsleben eintreten.

Betriebe, die Schwierigkeiten bei der Stellenbesetzung haben, müssen schnell reagieren – und helfen sich zunächst selbst: Als erste Reaktion auf einen Mangel an Fachkräften intensivieren Unternehmen ihre Kraftanstrengungen im Aus- und Weiterbildungsbereich. Deshalb gab es bei den neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen in diesem Jahr einen Zuwachs von knapp zehn Prozent im IHK-Bereich, und die Beteiligung an Weiterbildung ist von 41 auf 43 Prozent gestiegen.

Die Unternehmen investieren schon heute viel, um Fachkräftemangel und demografischem Wandel zu begegnen. Wichtig ist aber, dass hier die gesamte Gesellschaft – einschließlich der Politik – an einem Strang zieht. Der DIHK plädiert daher für eine Gesamtstrategie, die alle Bildungsbereiche einbeziehen muss: Elternhaus, Kindergarten und Schule, Hochschule sowie die Aus- und Weiterbildung.

Das deutsche Bildungssystem braucht mutige Reformen:

  • Um das Bildungsniveau zu steigern, brauchen wir mehr Wettbewerb im Schul- und Hochschulsystem sowie nationale Bildungsstandards. Über die Wege zur Erreichung dieses Ziels sollten die Schulen und Hochschulen selbst entscheiden dürfen. Dafür benötigen sie Eigenverantwortung und Entscheidungskompetenz über Budget, Personal und die Organisation der Lehre.
  • Der erfolgreiche Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs muss mit großem Engagement aller Partner fortgeführt werden. Die Wirtschaft setzt sich das ehrgeizige Ziel, pro Jahr 60 000 neue Ausbildungsplätze und 40 000 Einstiegsqualifizierungen anzubieten.
  • Der DIHK hat gemeinsam mit Unternehmern das Ausbildungsmodell „Dual mit Wahl“ entwickelt. Gemeinsame Kernkompetenzen für bestimmte Berufsgruppen in der ersten Ausbildungsphase schaffen eine breite berufliche Grundlage. Module in der berufsspezifischen Ausbildungsphase bieten Entscheidungsspielräume für Unternehmen und Azubis.
  • Weiterbildung und lebensbegleitende Qualifizierung müssen auf der politischen Agenda nach oben rücken. Wir benötigen attraktive Bildungswege, um möglichst Jeden zum permanenten Lernen zu bewegen. Insbesondere die Durchlässigkeit zwischen beruflicher Bildung und Hochschule muss erleichtert werden. Zu einer Steigerung von Weiterbildung gehören auch attraktive, international lesbare Abschlussbezeichnungen. Für öffentlich-rechtliche Abschlüsse der beruflichen Fortbildung (zum Beispiel Meister, Fachwirte) sollte es die Bezeichnung „Bachelor Professional“ geben.

Die deutsche Wirtschaft hat viele „Hidden Champions“, die auf ihrem Gebiet Weltmarktführer sind. Auch in der Bildung gibt es diese versteckten Spitzenreiter: Deutsche Facharbeiter sind weltweit begehrt, und einige deutsche Universitäten können zumindest in der Forschung immer häufiger an der Weltspitze mithalten.

Unser Ziel muss sein, Bildung als die wichtigste Ressource für die Zukunft Deutschlands zu nutzen. Dazu müssen wir das Bewusstsein für die Notwendigkeit permanenter Bildungsanstrengungen in der Gesellschaft erhöhen. Das betrifft selbstverständlich die Unternehmen, die mehr in ihr Personal investieren müssen. Das gilt auch für die Bürger, die sehr viel eigenverantwortli­cher und selbstständiger an ihrer und der Bildung ihrer Kinder arbeiten müssen. Und dazu gehören Kindergärten und Schulen, denn immer klarer zeigt sich, dass die Weichen für erfolgreiche Bildungskarrieren sehr früh gestellt werden. Hier sind Eltern und Schule gefordert – sie müssen die Grundlagen für lebenslange Bildungskarrieren legen. Deutschland kann es sich künftig nicht mehr leisten, dass neun Prozent eines jeden Jahrgangs die Schule ohne Abschluss verlassen und damit nur geringe Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben. Wer schon am Anfang stolpert, kommt nur schwer wieder auf die Füße.

Die IHK-Organisation will ihren Beitrag leisten, das Zukunftsthema Bildung zu befördern, und stellt das Jahr 2008 unter das Motto: „Wirtschaft bildet – Unsere Zukunft“. Mit zahlreichen Veranstaltungen und Aktionen soll insbesondere die berufliche Bildung als Rückgrat der deutschen Wirtschaft gestärkt werden.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 02|2008, Seite 16

 
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