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Verunglückte Reform

Der Bundestag hat eine Neuregelung beschlossen, die für die Unternehmen bürokratische Mehrbelastungen bringen dürfte.

Im Wesentlichen beschränkt sich das Unfallversicherungsmodernisierungsgesetz (UVMG) auf Fragen der Organisationsreform. Leistungsrechtliche Aspekte blendet das Gesetz, das der Bundestag am 26. Juni 2008 beschlossen hat, dagegen aus. Bestandteil ist eine Neugestaltung des Meldeverfahrens, durch das neue Belastungen auf die Unternehmen zukommen werden.

Mit dem Zweiten Mittelstandsentlastungsgesetz wird zum 1. Januar 2010 die Betriebsprüfung in Bezug auf die Beiträge in der gesetzlichen Unfallversicherung von den Trägern der Unfallversicherung auf die Deutsche Rentenversicherung übertragen. Bereits im Referentenentwurf zum UVMG waren zusätzliche Meldepflichten vorgesehen (z.B. die Meldung der unfallversicherungspflichtigen Entgelte jedes einzelnen Beschäftigten sowie die Zuordnung jedes Beschäftigten zu der anzuwendenden Gefahrtarifstelle). Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) hatte sich gegen diese zusätzlichen Meldepflichten ausgesprochen, die zu erheblichen Kosten für die Unternehmen führen und die dem erklärten Ziel der Bundesregierung, Belastungen abzubauen, zuwiderlaufen. Letztlich ist es sowohl Aufgabe der gesetzlichen Renten- als auch der gesetzlichen Unfallversicherung, gemeinsam darauf hinzuwirken, dass die Rentenversicherung die Betriebsprüfung in der Unfallversicherung vornehmen kann, ohne dass die Unternehmen mit neuer Bürokratie belastet werden.

Doppelmeldungen vermeiden
Sofern die Politik nicht die Kraft findet, auf die geplante Ausweitung der Meldepflichten zu verzichten, sollte sie sich – so die Argumentation des DIHK – zumindest an den diesbezüglichen Empfehlungen des Normenkontrollrates orientieren: Wie von diesem Gremium gefordert, sollten die Lohnnachweise an die Unfallversicherungsträger (§ 165 SGB VII) entfallen, um Doppelmeldungen zu vermeiden. Zudem erscheint es – wie vom Normenkontrollrat vorgeschlagen – bei einer Novellierung des Meldeverfahrens sinnvoll, für bestimmte Unternehmen und Branchen die Möglichkeit von nicht arbeitnehmerbezogenen Meldungen zu prüfen.

Tatsächlich soll künftig – ab 1. Januar 2012 – der in der bisherigen Form an die Unfallversicherungsträger übermittelte Lohnnachweis entfallen. Gleichzeitig wurde nach der Beschlussempfehlung des Ausschusses jedoch § 28a SGB IV noch einmal um eine weitere Meldepflicht erweitert, nach der die Unternehmen bei der Jahresmeldung künftig auch die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden jedes Versicherten anzugeben haben. Diese Änderung, die zum 1. Januar 2009 in Kraft treten soll, wurde offensichtlich kurzfristig und ohne Befassung durch den Normenkontrollrat beschlossen. Zwar sieht auch das geltende Recht (§ 165 SGB VII) die Übermittlung der "?geleisteten Arbeitsstunden in der vom Unfallversicherungsträger geforderten Aufteilung" vor, aber eben nicht ausdrücklich die Übermittlung von Individualdaten.

Der DIHK lehnt die Verpflichtung der Unternehmen ab, individuelle Daten zur geleisteten Arbeitszeit übermitteln zu müssen. In der Praxis ist diese Neuregelung auch kaum praktikabel. Denn die individuell geleisteten Arbeitsstunden werden in vielen kleinen und mittleren Unternehmen gar nicht erfasst. Auch stellt sich die Frage, wie zum Beispiel Vereinbarungen zur Vertrauensarbeitszeit mit der Verpflichtung, individuelle Arbeitszeiten zu erfassen und den Einzugsstellen zu melden, in Einklang zu bringen sind.

Derzeit ist noch unklar, ob und inwieweit der Gesetzgeber Änderungen in der Praxis bewusst herbeiführen wollte. So ließ das Bundesarbeitsministerium bereits verlauten, dass Arbeitgeber, die bisher die Arbeitszeiten pauschal gemeldet hätten, dies auch in Zukunft tun könnten. In jedem Fall wird der DIHK an geeigneter Stelle darauf hinwirken, dass es zu keiner flächendeckenden Verpflichtung zur Erfassung und Meldung individuell geleisteter Arbeitsstunden kommt.

Leistungsrecht bleibt ausgeblendet
Bereits in seiner Stellungnahme zum Referentenentwurf hatte der DIHK moniert, dass sich die Reform auf Fragen der Organisationsreform und des Lastenausgleichs beschränkt und leistungsrechtliche Aspekte weitgehend ausblendet. Durchsetzen konnte sich der DIHK mit seiner Forderung, für die Umstellung auf den neuen Lastenausgleich einen deutlich längeren Übergangszeitraum vorzusehen: Dieser beträgt nun sechs anstatt – wie noch im Referentenentwurf angelegt – drei Jahre.

Der DIHK hatte in seiner Stellungnahme zudem das Vorhaben kritisiert, die zum 1. Januar 2005 eingeführte und bis Ende 2009 befristete "Moratoriumslösung" über die Zuständigkeit der Unfallversicherungsträger für privatisierte Unternehmen der öffentlichen Hand als dauerhaftes Recht festzuschreiben. Die Moratoriumslösung wirft an sich Fragen auf, da sie vor allem in den Bereichen Schienentransport, Briefdienstleistungen und Telekommunikation den Wettbewerb verzerrt: Denn im Vergleich zu ihren Konkurrenten, die den Lastenausgleich mitfinanzieren, tragen Unternehmen, die unter die Moratoriumslösung und damit die Unfallversicherung der öffentlichen Hand fallen, zu diesem Ausgleich nicht bei. Die Zuständigkeit für privatisierte öffentliche Unternehmen der Länder und Kommunen sollte daher ebenfalls im Bereich der gewerblichen Berufsgenossenschaften liegen. Hier konnte der DIHK zumindest erreichen, dass die Moratoriumslösung nicht als dauerhaftes Recht festgeschrieben, sondern zunächst noch einmal um zwei weitere Jahre – bis 2011 – verlängert wird.

Externer Kontakt: Dr. Achim Dercks, Dr. Oliver Heikaus, DIHK
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 08|2008, Seite 10

 
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