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Einzelhandel

Auf der Suche nach der richtigen Strategie

Mehr Fläche, weniger Umsatz. Konkurrenz durch Filialisten und Internet-Handel. Mit diesen Herausforderungen sieht sich der regionale mittelständische Einzelhandel konfrontiert.

Im vergangenen Jahr ist der Umsatz des Einzelhandels erneut gesunken. Nach Worten von Uwe Werner, mittelfränkischer Sprecher des Landesverbandes des Bayerischen Einzelhandels (LBE), sind die Erlöse um zwei bis drei Prozent auf 8,9 Mrd. Euro zurückgegangen. In Nürnberg sei der Rückgang etwas moderater ausgefallen, dort betrage der Einzelhandelsumsatz rund 3,8 Mrd. Euro. Zugleich sieht Werner weitgehende Stabilität bei der Beschäftigung. Rechne man die Beschäftigten des geschlossenen Versandhauses Quelle heraus, seien zum Jahreswechsel rund 46 500 Mitarbeiter im mittelfränkischen Handel beschäftigt gewesen, jeder Zweite davon in Nürnberg.

Unter Druck gerät der Handel durch den Anstieg der Arbeitslosigkeit. Denn Haushalte mit einem arbeitslosen Hauptverdiener senken die Ausgaben des täglichen Bedarfs um zehn Prozent, weiß GfK-Konsumforscher Wolfgang Twardawa. Dazu komme aber noch eine Sogwirkung im Umfeld: „Jeder zusätzliche Arbeitslose führt dazu, dass drei weitere Beschäftigte um ihren Arbeitsplatz fürchten.“ Und diese steigen dann ebenfalls auf die Ausgabenbremse.

Zudem leidet der Handel daran, dass der Anteil der Einkäufe im Einzelhandel an den gesamten Konsumausgaben seit Jahren sinkt. In den letzten zehn Jahren legten die Ausgaben zwar zu, der Anteil, den die Händler für sich vereinnahmen konnten, sank allerdings kontinuierlich auf gut 30 Prozent. Der größte Brocken mit 40 Prozent wird für Dienstleistungen wie Verkehr und Pkw, Gesundheit und Wellness sowie Telekommunikation ausgegeben. Mietausgaben – inklusive der Nebenkosten, die mittlerweile als zweite Miete betrachtet werden – machen etwa 28 Prozent aus. Und auf Reisen entfallen rund vier Prozent der Ausgaben, auch wenn die deutsche Reiselust im Zeichen der Krise etwas abgekühlt ist.

Auch das rasante Flächenwachstum im Handel setzt dem Geschäft zu. In den letzten zehn Jahren ist die gesamte Ladenfläche bundesweit um rund 20 Prozent gewachsen, der Umsatz pro Quadratmeter aber im gleichen Zeitraum um gut 20 Prozent auf 2 900 Euro gefallen, wie die Beratungsgesellschaft KPMG errechnet hat. Einen ähnlichen Trend sieht LBE-Sprecher Uwe Werner für den Großraum – auch wenn keine harten Flächendaten vorliegen.

Zumindest eine relative Orientierung, wie gut oder schlecht es einer mittelfränkischen Kommune geht, liefert die sogenannte Einzelhandelszentralität oder auch der Zentralitätsfaktor. Damit wird auf Grundlage von GfK-Berechnungen angegeben, ob der jeweilige Einzelhandelsumsatz vor Ort höher oder niedriger ist als die vorhandene einzelhandelsrelevante Kaufkraft. Bei diesem Aspekt liegt Mittelfranken insgesamt über dem Bundes- und auch über dem Bayerndurchschnitt. Von den fünf größten Städten in Mittelfranken rangierte Ansbach mit einem Zentralitätsfaktor von über 150 im vergangenen Jahr auf Platz eins. Das heißt, zu jedem Euro, der im Stadtgebiet Ansbach im Handel ausgegeben wird, kommen noch zusätzlich mehr als 50 Cent aus dem Umland. Auf Platz zwei folgt Nürnberg (135), dann kommen Fürth (123), Erlangen (119) und Schwabach (116). Von den Mittelzentren schneiden Dinkelsbühl (206), Weißenburg (187), Feuchtwangen (184) und Rothenburg o.d. Tauber (183) am besten ab.

Trotzdem sieht Peter Schaumann, Chef des Farbengroßhändlers und Raumausstatters Georg Schopf und zugleich Vorsitzender der Rothenburger Werbegemeinschaft, kaum Grund zum Frohlocken. Denn der Innenstadthandel der mittelalterlichen Stadt profitiert zwar von einer zehnmonatigen Tourismussaison – im Januar und Februar sei es aber „furchtbar ruhig“. „Die Fachgeschäfte in der historischen Innenstadt krebsen am Existenzminimum rum“, so sein Fazit. Der alljährliche Frühlingsmarkt bringe gute, aber nicht ausreichende Impulse. Für die CityCard der Werbegemeinschaft, eine lokale Bonuskarte, hätten sich bislang erst 15 Händler entschieden.

Bewusst einkaufen
Das Geld der Bewohner werde lieber im Einkaufszentrum am Bahnhof mit eigenem Parkhaus oder auf der grünen Wiese bei den Discountern ausgegeben. Da seien letztlich auch der Politik die Hände gebunden: „Man kann dem Verbraucher nicht das günstige Einkaufen verbieten.“ Schaumann will lieber die Kunden vor Ort für ein bewusstes Einkaufen bewegen und zudem Konzepte entwickeln, um die rund zwei Mio. Tagestouristen und die 400 000 Übernachtungsgäste zu mehr Shopping zu bewegen.

Als Protest gegen die Pläne des Herriedener Bürgermeisters Alfons Brandl, ein Factory Outlet Center (FOC) mit rund 8 000 Quadratmetern zu errichten, hatte Schaumann gemeinsam mit Händlerkollegen in Rothenburg, Dinkelsbühl und Feuchtwangen im vergangenen Jahr alle Schaufenster verhüllt und vor einem Abfließen der Kaufkraft gewarnt. „Fünf Prozent weniger Umsatz können wir nicht verkraften.“ Die IHK hat in ihrer Stellungnahme zum Raumordnungsverfahren das FOC in Herrieden strikt abgelehnt, da es nach den Vorgaben des Landesentwicklungsprogramms Bayern (LEP) nicht zulässig ist. „Für ein Zielabweichungsverfahren gibt es keinen Grund, da dies nur für grenznahe Regionen vorgesehen ist“, so Dr. Hans-Joachim Lindstadt, Leiter des Geschäftsbereiches Standortpolitik und Unternehmensförderung.

Und auch Uwe Werner vom LBE hofft, dass das bei der Staatsregierung angestrengte Zielabweichungsverfahren für die Herriedener Pläne negativ beschieden wird. Wenn nicht, „dann brechen die Dämme und Herzogenaurach sowie Nürnberg und Fürth ziehen mit eigenen FOCs nach“.

Probleme der kleinen Städte
Unterdurchschnittlich beim Zentralitätsfaktor schneiden z.B. Cadolzburg, Hilpoltstein, Altdorf und Feucht ab. Diese Städte im „direkten Speckgürtel“ leiden an der Sogwirkung der größeren Städte. Wer dorthin pendle, nutze auch die Gelegenheit, um die notwendigen Einkäufe zu machen, weiß IHK-Handelsexperte Lindstadt. Er hat zudem mit den 14 regionalen IHK-Gremien für das Forum „Lebendige Innenstadt“ zehn Thesen zur Innenstadtentwicklung erarbeitet. Dazu gehört auch der richtige Mix an Handel, Dienstleistungen, Wohnen und Kultur. Außerdem rät das Thesenpapier zu räumlich größerem Denken bei regionalen Handelskonzepten und bei der Stärkung der inhabergeführten Einzelhandelsgeschäfte, die für mehr Vielfalt und Originalität der Innenstädte stehen.

Hersbruck ist ein Beispiel dafür, wie der innerstädtische Handel zusammenarbeiten kann: Dort ist vor Kurzem der „Hersbruck-Gut-Schein“ eingeführt worden. Zuletzt waren 70 Geschäfte der Initiative der Werbegemeinschaft Wirtschaftsforum gefolgt und akzeptieren einen Gutschein über 10 Euro oder 50 Euro. „Die Idee ist klasse und vielleicht sogar bayernweit einzigartig“, lobte der Geschäftsführer des im letzten Herbst wiedereröffneten Kaufhaus Schickedanz, Frank Tiedmann. Er habe sich bei anderen Kollegen aus dem Handel auch dafür stark gemacht, dass keine Handelsform – etwa die Discounter – ausgegrenzt werden. Statt Konkurrenzdenken freue er sich über jeden neuen Laden: „So verhelfen wir uns gegenseitig zu mehr Attraktivität.“ Als nächstes müsse eine Annäherung bei den Öffnungszeiten her und die Attraktivität der Hersbrucker Therme mit Heilwasserqualität besser vermarktet werden. „Einzelhändler dürfen nicht mehr einzeln handeln“, so Tiedmanns Tenor.

Autor/in: 
Thomas Tjiang
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 03|2010, Seite 10

 
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