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Fußball-Weltmeisterschaft

Traumpässe für die Wirtschaft

Viele Unternehmen aus Mittelfranken machen anlässlich der WM mit besonderen Aktionen auf sich aufmerksam. Doch sie agieren vorsichtig, denn schnell kann man Markenrechte der Fifa verletzen.

Es steckt sehr viel Mittelfranken in der WM“, bilanziert adidas-Sprecher Jan Runau im Vorfeld der Fußball-WM in Südafrika. Der globale Sportausrüster aus Herzogenaurach will im Segment Fußball einen WM-Rekordumsatz von 1,3 Mrd. Euro erzielen. Der WM-Sponsor kleidet nicht nur zwölf Mannschaften ein, sondern verpasst 200 Spielern auch Maßschuhe. Diese Sonderlösungen stammen alle aus dem mittelfränkischen Scheinfeld, dem globalen Entwicklungs- und Prüfzentrum der drei-Streifen-Marke. Auch „Jabulani“, der eigens entwickelte WM-Ball, der im Isizulu-Dialekt sinngemäß „feiern“ bedeutet, kommt aus der adidas-Denkzentrale und soll der „rundeste aller Bälle“ sein. Bei der Einstimmung auf das Fußballfieber setzt der Sportkonzern auf die digitale Kommunikation: „Ein Millionenpublikum verfolgt unsere Clips auf Youtube“, sagt Runau.

Für den Herzogenauracher Puma-Konzern begann die WM nach Worten von Pressesprecher Ulf Santjer schon Ende Mai. Die algerische Nationalmannschaft stieg in Herzogenaurach zur letzten WM-Vorbereitung ab und zeigte bei öffentlichen Trainings ihr Können. Höhepunkt war das letzte Testspiel des Teams vor der WM gegen die Vereinigten Arabische Emirate am 5. Juni im Ronhof. Der Sportausrüster, der allein vier der fünf Nationalmannschaften aus Afrika ausstattet, hatte zudem zu einem „Charity Match Turnier“ nach Paris geladen. Nach einem zweistelligen Plus im Fußball-Segment im ersten Quartal rechnet auch Puma mit einem deutlichen Zuwachs im gesamten Geschäftsjahr.

Auf Public Viewing, also die Live-Übertragung der WM-Spiele, vor der neuen Puma-Konzernzentrale werde dieses Mal nach Absprache mit dem sportlichen Konkurrenten adidas verzichtet. Adidas rechnet mit rund 3 000 Zuschauern in Herzogenaurach, wenn die Truppe von Bundestrainer Löw antritt. Die Spiele werden auch auf der Wöhrder Wiese in Nürnberg im „Kennametal kick & groove park“ übertragen, Veranstalter Werk B aus Altdorf rechnet mit 20 000 bis 30 000 Besuchern. Die Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika überträgt der Nürnberger Fanpark bis 11. Juli auf einer 50 Quadratmeter großen LED-Leinwand. In Deutschland, so Agentursprecherin Kirsten Broderdörp, gehört dieses Event „zu den Top 5“. Die Übertragungsrechte der Fifa, für viele Unternehmen ein leidiges Thema, seien für den Kennametal kick & groove park nicht notwendig. „Da wir keinen Eintritt nehmen, sind wir nicht verpflichtet, Lizenzen zu beantragen“, so Broderdörp.

Dem kann Dr. Renate Kropp, Partnerin der Nürnberger Kanzlei Cöster & Partner, nur beipflichten. Generell rät die Expertin für Markenrecht und Wettbewerbsrecht, alle vom Fußballverband Fifa geschützten Zeichen und Logos zu meiden. Dazu gehören Bezeichnungen wie „WM 2010“, „Fan-Fest“ und „WM-Bier“. Ob ein WM-Brötchen noch zulässig ist, ist laut Renate Kropp „ein Grenzfall“.

Vor der WM fragten beispielsweise eine Werbeagentur, ein T-Shirt-Bedrucker oder ein Hersteller von Verpackungspapier für Wurst und Käse bei der Kanzlei nach rechtlicher Hilfestellung. „Die Betriebe handeln verantwortungsvoll, wenn sie sich rechtzeitig beraten lassen, statt einfach loszulegen“, erklärt Kropp vor dem Hintergrund des umfassend geschützten WM-Markenportfolios. Groß war der Ansturm von ratsuchenden Unternehmen jedoch nicht: Nur mit einer Handvoll Anfragen von Unternehmen war die Rechtsanwältin vor der Fußball-WM konfrontiert.

Gleichwohl wollen nicht nur adidas und Puma die WM nutzen, um ein Golden Goal in der Werbung zu landen. So wirbt die Sparda-Bank Nürnberg für einen „Hattrick in der Geldanlage!“, eine Anlagenmischung von hohen Sparzinsen, Garantiefonds und Immobilienfonds. Die PSD Bank Nürnberg bietet „Zinsen mit Kick, aber ohne Nervenkitzel“ als WM SparBrief.

Auf jeden Fall dürfte das Geld bei den Verbrauchern zur WM-Zeit lockerer sitzen. Obwohl der Nürnberger Marktforscher GfK noch keine belastbaren Daten hat, rechnet das Institut insbesondere mit einem Plus im Bereich Unterhaltungselektronik gerade bei neuen LED- oder LCD-Fernsehern. Außerdem dürfte die Bekleidungsbranche bei Sportbekleidung und Merchandising-Artikeln punkten. Und auch das Nahrungsmittelgewerbe wird dem Marktforscher zufolge von der WM profitieren. 

HDTV-Fernseher gefragt 

Die Gesellschaft für Unterhaltungs- und Kommunikationselektronik (gfu) erwartet für das laufende Jahr einen Rekord bei der Zahl der verkauften Fernseher. Nach sechs Mio. Stück im WM-Jahr 2006 sollen es in diesem Jahr „auch wegen der WM“ mehr als neun Mio. Stück werden. „Sportliche Topereignisse geben den Verkäufen von Unterhaltungselektronik traditionell merkliche Impulse“, weiß Dr. Rainer Hecker, Aufsichtsratsvorsitzender der gfu. Zumal erstmals ARD und ZDF die Spiele im hochauflösenden Standard HDTV übertragen. Vor diesem Hintergrund locken etwa die Zirndorfer Metz-Werke zur Fußball-Weltmeisterschaft unter dem Motto „Damit Sie kein Tor verpassen“. Der Käufer eines Metz LCD-Aktionsgerätes bekommt einen integrierten 250-GB-Digital-Recorder zum Sonderpreis. Und die türkisch-Nürnberger Marke Grundig möchte mit TV-Sondereditionen mit mehr „FANseh-Vergnügen“ auf die Weltmeisterschaft einstimmen. Die Media Märkte in Erlangen und Nürnberg offerieren eine „24:0 Prozent WM-Finanzierung“.

„Der Handel ist zwar optimistisch, aber nicht blauäugig“, gibt der Bezirksgeschäftsführer Jan-Jörg Brunner des Handelsverbands Mittelfranken (ehemals LBE) zu Protokoll. Er erwartet gute Geschäfte im Sportbereich und in der Gastronomie. Die Tucher Brauerei spendiert für jeden Kasten Bier ein individualisiertes „WM-Namenscap“, bei dem der Kundenname individuell unter dem schwarz-rot-goldenen Schriftzug „offizieller Fan der deutschen Fußballelf 2010“ eingedruckt wird.

Entscheidend wird aus Brunners Sicht sein, ob an zentralen Plätzen, wie etwa am Nürnberger Hauptmarkt, „sich eine gute Stimmung manifestiert und eine Welle losgetreten wird“. Für die einzelnen Geschäfte gebe es immer Möglichkeiten, mehr Umsatz zu generieren oder mehr auf sich aufmerksam zu machen. Der Verbandschef rechnet aber eher mit punktuellen Umsatzzuwächsen. Die Händler hätten 2006 bei der WM in Deutschland gemerkt, das dem „WM-Marketing enge Grenzen gesetzt“ sind. Daher würden sich die Händler diesmal eher zurückhalten. „Der Kaufmann will handeln und sich nicht auf mögliche Gerichtsverfahren einlassen.“

Markenrechte der Fifa

Immerhin soll die Fifa im Vorfeld der WM in Südafrika bereits in 2 500 Fällen gerichtlich gegen vermeintliche Verletzungen ihrer Marken vorgegangen sein, um ihre Interessen an dem 1,5 Mrd. Euro teuren Event zu schützen. Allerdings hat die Fifa eine empfindliche juristische Niederlage einstecken müssen. Der Bundesgerichtshof wies eine Fifa-Klage ab und veröffentlichte vier Wochen vor WM-Start seine Entscheidung. Darin heißt es: „Auch auf die Generalklausel des § 3 UWG könne die Klägerin die Löschungsansprüche nicht mit Erfolg stützen. Das grundgesetzlich geschützte Recht der Klägerin zur wirtschaftlichen Verwertung der von ihr organisierten Sportveranstaltungen führe nicht dazu, dass ihr jede wirtschaftliche Nutzung, die auf das Sportereignis Bezug nehme, vorbehalten sei.“ (Urteil vom 12. November 2009, Aktenzeichen I ZR 183/07 – WM-Marken)

Gleichwohl diagnostiziert auch Katja Berger, Expertin für Gewerblichen Rechtschutz bei der IHK Nürnberg für Mittelfranken, eine spürbare Verunsicherung bei den Unternehmen. So hält sich Dominik Meiser, Hotel-Chef des Herzogenauracher Ramada Hotels, zurück. Zwar gaben sich bei ihm die Nationalmannschaften aus Südafrika, Mexiko und den Vereinigten Arabischen Emirate quasi die Klinke in die Hand, aber beim WM-Marketing bleibt er vorsichtig: „Man steht hier oft mit einem Fuß im Gefängnis.“

Diese Sorgen hat die Fürther Agentur Lingner Marketing nicht. Sie startet zur WM ein Online-Tipp-Spiel auf ihrer Homepage. Zu einem „after-business viewing“ lädt poolhouse in Nürnberg ein, ein Zusammenschluss von kreativen Unternehmen aus den Bereichen Marketing und Fotografie (www.wm.poolhouse.de): Die Kreativen bieten die Möglichkeit, die Fußball-WM im Kreis von Kollegen, Mitarbeitern, Kunden oder Freunden live zu verfolgen. Mit dem Erlös werden Projekte der Trinkwasser-Initiative Viva con Aqua unterstützt.

Autor/in: 
Thomas Tjiang
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 06|2010, Seite 13

 
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